Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP betreffend Ausbau des Frankfurter Flughafens – Mediationsergebnis verwirklichen – Drucks. 16/7728 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kollege Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat aus gegebenem Anlass die Diskussion um das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen auf die Tagesordnung der Sitzung des Landtags gesetzt. Es gibt nämlich Anlass, daran zu zweifeln, dass aus dem von den drei Ausbaubefürworterparteien beschlossenen Nachtflugverbot noch etwas werden wird.

Wir haben diesen Antrag auch deshalb auf die Tagesordnung gesetzt, um den Befürwortern des Ausbaus Gelegenheit zu geben, hier klar und eindeutig zu sagen, ob sie zu ihrem Versprechen, ein Nachtflugverbot einzuführen, noch stehen – oder eben nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben seit einiger Zeit den begründeten Eindruck, dass hinter den Kulissen heftig am Nachtflugverbot gesägt wird. Wir wissen seit vorgestern, seit der öffentlich erhobenen Forderung der Wirtschaftsverbände – angefangen beim BDI und endend bei den Vertretern der Luftverkehrswirtschaft –, dass inzwischen auch vor den Kulissen heftig am Nachtflugverbot gesägt wird. Deshalb ein Blick zurück.

Was bedeutet „Nachtflugverbot“? „Nachtflugverbot“ bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass nachts kein Flugzeug fliegt. Diese eigentlich gar nicht zu bestreitende Definition von „Nachtflugverbot“ war von Anfang an ein wenig durchlöchert. Die „Nacht“ wird in Deutschland gesetzlich als die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr definiert. Aber schon im Mediationsverfahren ist aus der „Nacht“ die sogenannte „Mediationsnacht“ geworden, die es zwar eigentlich nicht gibt, die aber in der hessischen politischen Diskussion seit dem Jahre 2000 herumgeistert. Die „Mediationsnacht“ für die Region rund um den Frankfurter Flughafen ist von acht auf sechs Stunden verkürzt worden: von 22 Uhr bis 6 Uhr auf 23 Uhr bis 5 Uhr.

Wir haben eine Debatte miteinander geführt, in der die drei Parteien, die sich für den Ausbau des Frankfurter Flughafens ausgesprochen haben, sehr eindeutig erklär

ten, dass für sie die Einführung eines Nachtflugverbots eine unabdingbare Voraussetzung für den Ausbau des Flughafens ist.Ich will das hier noch einmal vortragen,damit sich einige, die sich in diesem Plenarsaal sehr eindeutig geäußert haben, erinnern.

Ich fange mit Armin Clauss an. Armin Clauss, damals Fraktionsvorsitzender der SPD, hat wortwörtlich gesagt:

Aber von 23 bis 5 Uhr sollten wir eine Nachtruhe haben, damit die Menschen wenigstens in dieser Zeit die Möglichkeit haben, in gesicherter Ruhe zu schlafen. Das ist die Grundvoraussetzung.

Das sagte er am 21. Juni 2000.

Clemens Reif von der CDU, damals noch für diesen Politikbereich zuständig, sagte:

Wir alle, die wir in dieser Frage einig sind, nämlich CDU, SPD und FDP, haben uns klar zu einer nachtflugfreien Zeit, zu dem sogenannten Nachtflugverbot, von 23 Uhr bis 5 Uhr bekannt.... Deshalb wird es bei diesem Nachtflugverbot bleiben.

Das sagte er vor dem Plenum am 21. September 2000.

Der Herr Ministerpräsident sagte in einer Regierungserklärung am 28. März 2001:

Es bleibt aber auch dabei, dass die Bürger einen Anspruch darauf haben, dass sie dafür Ruhe in der Nacht bekommen.

Clemens Reif sagte 2001:

Ohne Ausbau kein Nachtflugverbot, ohne Nachtflugverbot kein Ausbau.

Jörg-Uwe Hahn sagte am 28.August 2002:

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nicht nur da!)

Die andere Seite heißt, wenn es eine Erweiterung gibt, dann nur mit einem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr. Eine halbe Münze wird es mit der FDP... nicht geben.

Einige Zeit später erklärte er dann die Münze zur Medaille und sagte am 13. Dezember 2002:

Für uns liegen zwei dieser fünf Punkte so eng beisammen, dass sie zu zwei Seiten einer Medaille geworden sind. Auf der einen Seite der Medaille ist der Ausbau, während sich auf der anderen Seite das Nachtflugverbot befindet.

In dieser Legislaturperiode bekräftigte Roland Koch in der Regierungserklärung zu den Vorhaben dieser Landesregierung am 23.April 2003:

Wir wollen ein Nachtflugverbot.

Die neue Vorsitzende der SPD-Fraktion Andrea Ypsilanti sagte am 31. Mai 2007:

Ja zum Ausbau mit Nachtflugverbot, mit Lärmminderung. – Das sind wir uns und den Anrainern schuldig.

Das waren von den drei Ausbaubefürworter-Parteien sehr deutliche Erklärungen. Man hat den Menschen gesagt, es gibt eine zusätzliche Belastung,und obwohl die Landesregierung in den Siebzigerjahren versprochen hat, es wird keinen neuen Ausbau und damit keine zusätzlichen Belastungen geben, bricht man dieses Versprechen aus den Siebzigerjahren gerade und stellt ein neues Versprechen auf und sagt: Es wird eine Kompensation geben.

Wie sieht diese Kompensation aus? – Mediation im Februar 2000: Deshalb hält die Mediationsgruppe ein Nachtflugverbot für unabdingbar. Sie empfiehlt, dieses Verbot auf den Zeitraum von 23 bis 5 Uhr zu erstrecken.

Am 18. Mai 2000 haben wir als Landtag einen einstimmigen Beschluss gefasst – übrigens auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, der folgendermaßen lautet:

Nach den Erkenntnissen aus dem „Frankfurter Mediationsverfahren“ und aus der Expertenanhörung des Hessischen Landtags zum Flughafen Frankfurt müssen insbesondere die bereits jetzt bestehenden Lärmbelastungen der Bevölkerung reduziert werden. Der Hessische Landtag hält deshalb die Einführung eines Nachtflugverbots für unbedingt erforderlich.

Sieben Jahre später stelle ich fest: Die bestehenden Belastungen der Bevölkerung sind nicht reduziert worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle weiterhin fest, der zweite Teil dieses einstimmigen Beschlusses wird von den drei Ausbaubefürworter-Parteien Schritt für Schritt zurückgenommen. Ich zeige das auf.

Erstens. Die Debatte über die Frage, was das Nachtflugverbot bedeutet, hat schon im Jahr 2002 begonnen. Es wird versucht, die sehr eindeutige Formulierung – Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr – Stück für Stück zu relativieren. Das fängt damit an, dass man darüber redet, dass natürlich Notlandungen und Rettungsflüge davon nicht betroffen sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist selbstverständlich.

(Michael Boddenberg (CDU): Da hat sich Herr Kaufmann aber anders geäußert!)

Das ist selbstverständlich.

Zweitens sagt man dann irgendwann, dass dieses Nachtflugverbot nur noch für planmäßige Nachtflüge gilt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Umläufe von Ferienfluggesellschaften kennt, weiß, das bedeutet faktisch, dass mindestens die Zeit von 23 bis 0 Uhr und die Stunde vor 5 Uhr damit faktisch schon aus dem Nachtflugverbot ausgenommen werden.

Nachtflugverbot bedeutet, in der Nacht fliegt nichts. Ich frage Sie jetzt, Herr Wirtschaftsminister, Herr Ministerpräsident: Warum werden im Regionalen Dialogforum solche Formeln

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

über die zukünftige Belastung der Menschen in der Nacht berechnet? Wenn ich nichts fliegen lasse,dann brauche ich auch solche Formeln nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Wirtschaftsminister, Sie haben gesagt, die Aufnahme des Nachtflugverbots – übrigens gegen unsere Überzeugung – in den Landesentwicklungsplan ginge aus juristischen Gründen nicht. Wir sehen und wir sahen das anders.Aber jetzt frage ich noch einmal die drei Fraktionen, die jetzt offensichtlich den einstimmigen Beschluss, den wir hier nochmals zur Abstimmung stellen und der am 18. Mai 2000 ein einstimmiger Beschluss aller war, nicht mehr mittragen wollen, wie denn der Passus in

Ihrem heutigen Antrag zu verstehen ist, dass es um die „Ausgestaltung“ des Nachtflugverbots geht.

Ein Nachtflugverbot, das bedeutet, es fliegt nichts, das muss ich nicht ausgestalten. Denn wo nichts fliegt, brauche ich keine Gestaltung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident,nochmals:Im Juni 2002 haben Sie Folgendes versprochen:

Die von mir geführte Hessische Landesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht,dass das Ergebnis des Mediationsverfahrens die Grundlage all ihrer Überlegungen und Entscheidungen zum geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens darstellt und dieser nur bei gleichzeitiger Einführung eines Nachtflugverbotes erweitert werden darf. Die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens erwarten zu Recht einen wirksamen Ausgleich für zunehmende Flugbewegungen am Tage,

(Ministerpräsident Roland Koch: Ja!)

und deshalb bin ich in dieser Frage auch zu keinerlei Kompromissen bereit.