Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

und deshalb bin ich in dieser Frage auch zu keinerlei Kompromissen bereit.

(Michael Boddenberg (CDU): Sehr richtig!)

Herr Ministerpräsident, erklären Sie bitte einmal, wie diese Aussage aus dem Jahr 2002 zu Ihrer Aussage im Interview mit der „Frankfurter Neuen Presse“ am 13.August 2007 passt. Dort wird der Ministerpräsident in einem Wortlautinterview mit folgenden Sätzen zitiert:

Nach den neuesten Lärmberechnungen, die ausdrücklich nicht von der Landesregierung stammen, kann jedoch sogar eine zunehmende Zahl von Starts und Landungen in der Nachtkernzeit stattfinden, ohne dass es für die Menschen in der Nachbarschaft des Flughafens lauter wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die systematische Vorbereitung eines Betrugs an den Menschen im Rhein-Main-Gebiet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Doch, Herr Ministerpräsident. Erklären Sie hier, wie die Formulierung,eine zunehmende Zahl von Starts und Landungen könne in der Nachtkernzeit stattfinden, ohne dass es lauter werde, mit den Versprechungen zusammenpasst, dass nachts kein Flugzeug mehr fliegt, weil es eine zunehmende Belastung am Tage gibt,und dass das ein Ausgleich sein soll.Erklären Sie das den Menschen hier.Es gibt viele Leute, die darauf warten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen die Frage beantworten, was aus Ihrer Sicht am Ende im Planfeststellungsbeschluss stehen soll.

(Ministerpräsident Roland Koch: Das werden wir beantworten!)

Sie müssen die Frage beantworten, ob aus Ihrer Sicht die Versprechen, die Sie alle miteinander hier vorgetragen haben, noch gelten. Sie müssen die Frage beantworten, ob Sie an einem systematischen Wortbruch arbeiten oder nicht. In letzter Konsequenz müssen Sie die Frage beantworten – wenn die Wirtschaft, der BDI und die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, die übrigens am

Mediationsverfahren beteiligt waren, sich mit dem, was sie vorgestern gesagt haben, jetzt davon verabschieden –, ob das in letzter Konsequenz heißt, wenn ich das alles zusammenrechne, was hier in den Jahren 2000 bis 2002 versprochen wurde, dass am Ende die zuständige Landesregierung, der zuständige Verkehrsminister den Antrag der Flughafen Frankfurt Aktiengesellschaft ablehnt.

Denn wenn Sie das ernst nehmen, was Sie immer versprochen haben, wenn Sie sagen, dass am Ende ein Nachtflugverbot im Planfeststellungsbeschluss auferlegt werden kann, wenn Sie sagten, die Fraport AG hätte das beantragt, Sie jetzt aber feststellen, das Nachtflugverbot kommt nicht – dann wäre die logische Konsequenz, dass Sie dann auch sagen, dann ist der Ausbau nicht genehmigungsfähig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu hätten wir heute gerne etwas gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt nicht nur für die Landesregierung. Das gilt auch für die Fraktion der CDU. Das gilt für die Fraktion der SPD, und das gilt für die Fraktion der FDP, die sehr deutlich gesagt hat – Stichwort: Medaille –, dass es da einen Zusammenhang gibt. Ich stelle hier die Frage, auch an die Redner der drei Fraktionen, die nach mir sprechen werden, ob sie am Ende, wenn das Nachtflugverbot nicht kommt, der Meinung sind, dass die zuständige Behörde den Ausbau nicht genehmigen darf.

Auf diese Antwort sind wir sehr gespannt. Ich glaube, auch viele Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Main-Gebiet sind auf diese Antwort sehr gespannt. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Das Wort hat der Abg. Boddenberg, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Al-Wazir, lassen Sie mich folgende Vorbemerkung machen. Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn Sie glauben, uns hier vorgaukeln zu müssen, Sie seien gerade erst in den letzten Wochen darauf gekommen, am heutigen Tage dieses Thema zu diskutieren. Sie haben eingangs gesagt, es gäbe konkreten Anlass für Sie, das zu tun.Vielmehr glaube ich, das Thema liegt bei Ihnen seit vielen Jahren auf Wiedervorlage, und Sie spulen hier eine Inszenierung ab, wie Sie sich das schon zu Beginn des Verfahrens im Jahre 2000 vorgenommen haben.

Meine Damen und Herren, es gibt nämlich keinen konkreten Anlass, wie Sie das in Ihrem Antrag andeuten, dieses Thema erneut zu diskutieren, jedenfalls nicht so, wie Sie das heute Morgen hier getan haben.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist eine Arroganz gegenüber den Leuten im Rhein-Main-Gebiet, das ist nicht zu fassen! – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lesen Sie keine Zeitung?)

Frau Sorge, ich finde, es wäre ehrlicher gewesen, wenn die GRÜNEN heute einen Antrag gestellt hätten – das haben Sie zwar auch schon häufiger getan, aber nochmals mit Nachdruck –, der Bezug nimmt auf das, was Sie noch vor gerade zwei, drei Wochen der Presse und der Öffentlichkeit mitgeteilt haben,nämlich dass Sie alle juristischen und politischen Hebel und Möglichkeiten nutzen werden, den Ausbau dieses Frankfurter Flughafens zu verhindern. Das wäre ehrlicher gewesen,als diese Nummer zu wiederholen,

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das weiß doch jeder!)

die wir mittlerweile schon zum 20. oder 25. Mal erleben.

Meine Damen und Herren, wir reden über den Flughafenausbau und über die Bedingungen dieses Ausbaus. Wenn Sie Rituale pflegen, mache ich das gern genauso und erinnere die Öffentlichkeit zum wiederholten Mal daran, dass dieses Projekt das wichtigste Infrastrukturprojekt der letzten Jahrzehnte für dieses Bundesland und möglicherweise auch für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt ist. Das zeigen die aktuellen Reaktionen der Wirtschaftsverbände, nicht nur der hessischen, sondern auch der Verbände des BDI auf nationaler Ebene. Dass dies so ist, zeigen auch die Zahlen und die Gesamtsicht auf die Situation, in der wir uns Gott sei Dank mittlerweile befinden.

Vor wenigen Tagen hat eine große Veranstaltung in Hanau stattgefunden, an der auch die Bundeskanzlerin teilgenommen hat. Darauf ist schon mehrfach – auch heute Morgen – Bezug genommen worden.

(Norbert Schmitt (SPD): Das Schmusekätzchen!)

Herr Schmitt, wir haben in diesen Tagen Grund, uns darüber zu freuen, dass es mit diesem Land aufwärtsgeht, dass im Bund innerhalb weniger Monate über 600.000 neue Beschäftigungsverhältnisse entstanden sind und dass wir über 1 Million Arbeitslose weniger haben.

All das hat damit zu tun, dass eine Bundesregierung – genauso wie eine Landesregierung – etwas fördern, es aber auch verhindern kann. Ich finde, die Bundesregierung, diese Bundeskanzlerin und auch alle anderen Beteiligten tun Gott sei Dank seit geraumer Zeit alles dafür, dass es in diesem Land wieder aufwärtsgeht.

Das Gleiche gilt für die Hessische Landesregierung. Hessen ist nämlich der Motor dieser Entwicklung. Das können Sie an zwei Zahlen ablesen, die wir alle nicht müde werden, ins Gedächtnis zu rufen: Nirgendwo wird pro Kopf so viel Geld verdient wie in Hessen.

Es gibt aber auch kein zweites Bundesland,das so sehr dafür sorgt, dass es auch den anderen gut geht. Die Tatsache, dass Hessen eines der wenigen Zahlerländer ist und dass 50 % der Zahlungen in den Länderfinanzausgleich von hier stammen – also mehr, als Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg zusammen zahlen –, spricht Bände und zeigt, dass dieses Land ganz vorne ist, wenn es um die Beantwortung der Frage geht: Welche Landesregierungen sind erfolgreich, welche nicht?

(Beifall bei der CDU)

Dass dies so ist, hat mit einem klaren Kurs zu tun. Das hat auch etwas – Herr Al-Wazir, jetzt komme ich wieder zu dem Thema – mit einem klaren Kurs in der wichtigen Frage des Flughafenausbaus zu tun.

Dass wir einen klaren Kurs fahren, können Sie auch daran ablesen, dass wir, nämlich die Fraktion der CDU und erfreulicherweise auch die Fraktionen der FDP und der SPD, Ihnen heute, nachdem Sie behauptet haben, es gebe in jüngerer Zeit Anlass,alles in Zweifel zu ziehen,was beispielsweise das Nachtflugverbot anbelangt, genau das erneut zur Abstimmung vorlegen, was wir im Frühjahr dieses Jahres anlässlich der Verabschiedung des Landesentwicklungsplans beschlossen haben.Darin steht all das,was Sie, auch im Hinblick auf ein Nachtflugverbot, in Zweifel ziehen.

Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass es erlaubt ist, zu zitieren. Im zweiten Punkt heißt es, wie wir schon im Mai gesagt haben:

Der Hessische Landtag knüpft an das Ergebnis des Mediationsverfahrens an mit seinen untrennbaren Komponenten:Optimierung des vorhandenen Bahnensystems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau, Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr, Anti-Lärm-Pakt und Einführung eines Regionalen Dialogforums.

Dieser Antrag ist mehr denn je aktuell;denn in den nächsten Tagen wird das Regionale Dialogforum unter Einbeziehung der auch von Ihnen angesprochenen Unternehmungen, angefangen bei der Fraport bis zu den Luftverkehrsunternehmen, seine Vorstellungen konkretisieren, wie wir das Nachtflugverbot umsetzen.

Die GRÜNEN haben immer gesagt, das sei nicht einfach. Auch wir haben das nie bestritten. Natürlich gibt es viele Hürden. Schon vor Jahren haben wir über einen kleinen Teilaspekt, nämlich das Flughafensystem, gesprochen. Dort steht eine – hoffentlich positive – Entscheidung an. Das Flughafensystem ist ein kleiner Mosaikstein unter den vielen Punkten, die im Gesamtkonzept dazu führen, dass der Mediationsbeschluss umgesetzt wird.

Natürlich ist es so – das ist das legitime Recht der betroffenen Unternehmen –, dass die beteiligten Unternehmen vor der schwierigen Aufgabe stehen, mit dieser Beschlusslage und dem politischen Willen dieses Hauses umzugehen, nachts zwischen 23 und 5 Uhr keine Flüge zuzulassen. Wie wir alle wissen, trifft das die Unternehmen ins Mark.

Leider müssen wir feststellen – aber das haben wir sehendes Auges in Kauf genommen –, dass das erste Unternehmen angekündigt hat, den Flughafen Rhein-Main zu verlassen. Ich nenne den Namen: Es handelt sich um das Unternehmen FedEx, das seine Tätigkeit mit der Begründung nach Köln verlagern wird,sie hätten aufgrund dieser Beschränkung ein erhebliches unternehmerisches und logistisches Problem.

Im Gegensatz zu den GRÜNEN nehmen wir die Sorgen dieser Unternehmen und der dort Beschäftigten sehr ernst.

(Beifall bei der CDU)

Wir können und werden auch nicht an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Flughafen BerlinSchönefeld vorbeikommen. Wenn Sie sich das Urteil einmal etwas genauer anschauen – vielleicht auch schon auf den ersten Blick –, werden Sie feststellen, dass das Bundesverwaltungsgericht das Lärmschutzbedürfnis der Bevölkerung zunächst einmal für ein sehr hohes Gut erklärt. Gleichzeitig heißt es aber auch, dass es, was die Abwägung einer Planfeststellungsbehörde betrifft, viele andere relevante Fragen zu beachten gebe.

Dabei spielt es eine Rolle, dass Unternehmen, möglicherweise als sogenannte Homebase-Carrier, ihren Standort an einem Flughafen haben, um dort ihre Maschinen warten oder ihren Mitarbeitern Übernachtungsmöglichkeiten bieten zu können. Es spielt eine Rolle, ob ein Unternehmen dort einen Sitz hat, wo es, wie in Frankfurt, einen internationalen Hub gibt. Das gilt mit Blick auf die Frachtsituation z. B. für die Lufthansa Cargo, aber auch für andere.

All das spielt laut des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts für den Flughafen Berlin-Schönefeld eine Rolle. Das äußert sich klar in der Frage: Was ist ein Verkehrsflugplatz wie Berlin-Schönefeld im Vergleich zu einem internationalen Hub, einem Interkontinentalflughafen wie Frankfurt am Main? Was bedeutet es am Ende für die Abwägung, dass wir zwei völlig unterschiedliche Situationen haben?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was heißt das?)

All dem stellt sich das Regionale Dialogforum. Ich will hier noch einmal sagen, dass Herr Prof.Wörner als Vorsitzender des Regionalen Dialogforums seinen Kopf dafür hinhält, dass dies, anders, als Sie behaupten, sehr transparent und in der Öffentlichkeit erfolgt, unter Beteiligung all derjenigen, die konstruktiv daran mitwirken wollen. Ich finde das bemerkenswert. Das hat unseren Dank verdient, aber nicht Ihre Kritik.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben erste Ergebnisse vorzuweisen. Damit komme ich zu dem, was Sie wider besseres Wissen behaupten. Natürlich hat sich die Situation verbessert. Sie hat sich allein dadurch verbessert, dass wir den Poststern nicht mehr in der Form in Frankfurt haben, wie wir ihn früher hatten. Das ist das Ergebnis intensiver Gespräche und Verhandlungen des Hessischen Ministerpräsidenten mit der Deutschen Post AG. Das ist ein erster wichtiger Erfolg.