Ich will das nur deswegen sagen, weil nicht nur Sie, Frau Ypsilanti, heute, sondern auch Herr Scheer an ganz anderer Stelle und in ganz anderem Zusammenhang unterstellt haben, wir hätten dort einen Dissens.
Nein, wir haben dort keinen Dissens. Sie haben bei dem, was Sie hier vorgetragen haben, auch bewusst nicht genau hingesehen. Denn dort ist lediglich davon die Rede, dass wir selbstverständlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass es an vielen anderen Stellen in Europa eine Mindestlohnregelung gibt.Wir sind weit weg von Schwarz-Weiß-Malerei.
Mit anderen Worten,ich glaube,was Sie hier vortragen,ist insofern eine falsche Botschaft, als Sie sagen, es gebe eine linke und eine rechte, eine schwarze oder eine weiße Lösung. Meine Damen und Herren, die Dinge sind etwas komplizierter.
Ich sage das nur deswegen, weil es in den vergangenen Monaten und zuletzt im Juni in der Großen Koalition die Vereinbarung gegeben hat, die Sie kennen. In dieser Ver
einbarung zwischen SPD und CDU hat man gesagt, wir gehen Wege, die branchenspezifische und differenzierte Lösungen zulassen.Aber wir – die CDU – sagen nach wie vor, wir sind definitiv dagegen, flächendeckend von Nord nach Süd, von Ost nach West einen einheitlichen Mindestlohn, wie Sie ihn fordern, in Deutschland festzuschreiben.
Denn, Frau Ypsilanti, wir haben eine große Sorge, und ich finde, diese Sorge muss uns alle umtreiben – dass Hunderttausende von nicht gut dotierten, aber immerhin vorhandenen Arbeitsplätzen in Deutschland vernichtet werden. Das und nichts anderes ist die Sorge der CDU.
Ich finde, wir sollten uns nicht gegenseitig unterstellen, dass der eine, der zum flächendeckenden Mindestlohn Nein sagt, sich von vornherein dem Angriff ausgesetzt sieht, er hätte etwas dagegen, dass Menschen ein auskömmliches Einkommen haben. Ich wiederhole mich: Auch das ist die Position der CDU.
Wir dachten eigentlich, dass wir mit diesem Kompromiss in der Großen Koalition eine gute Lösung gefunden haben.
Wehe dem, der dort Böses und Übles unterstellt, aber vielleicht muss man das einmal sagen, denn es gehört zu der Debatte in diesen Tagen dazu:Warum stellt Herr Beck in diesen Tagen diesen Antrag? Vielleicht hat er sich in der Demoskopie einmal ein bisschen mit der Frage beschäftigt, ob ihm die Genossen folgen, insbesondere am linken Spektrum. Dabei ist er auf die Idee gekommen, das könnte ein Bonbon sein, das er jetzt auspackt.
Meine Damen und Herren, natürlich springen die Sozialdemokraten in Hessen als Erste auf diesen Zug auf,
Frau Ypsilanti und liebe SPD hier in Hessen,das sei Ihnen unbenommen.Aber ich sage Ihnen,es wird meine und unser aller Aufgabe sein, die Aufgabe der CDU, klarzustellen, was wir wollen. Nochmals:Wir wollen, dass Menschen in diesem Lande ein ordentliches Einkommen haben,
oder aus den Sozialkassen. Aber wir wollen eben die Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor – wenn Sie den so nennen wollen – um alles in der Welt erhalten. Meine Damen und Herren, in einem Lande, in dem man 3,5 Millionen Arbeitslose hat, darf man nicht einen einzigen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen.
Mit dem Entsendegesetz und der Ausdehnung dort im Bereich des Bauhauptgewerbes und der -nebengewerbe haben wir in Berlin zunächst einmal einen wichtigen Schritt getan. Herr Posch winkt bei dem noch immer skeptisch, aber ich sage, er lässt zumindest die Differenzierung zu, und er generiert oder er erfordert zunächst einmal ein Einverständnis der beiden Tarifvertragsparteien.
Für den Fall, dass dies ins Leere läuft, weil die Allgemeinverbindlichkeit nicht hergestellt worden ist, gibt es, wie Sie wissen, die Idee, zu sagen, wir novellieren das Mindestarbeitsbedingungengesetz – sehr wohl ein altes Gesetz –, sodass wir dort für den Fall, dass es Verabredungen zwischen den Tarifpartnern gibt und es am Ende notwendig ist, einen Mindestlohn in der Branche festzustellen, diesen Ausweg haben. Ich finde, das ist der bessere Weg.
Es sind ja nicht nur CDU-Politiker,die davor warnen,dass wir dort einen großen,möglicherweise historischen Fehler begehen. Die IG Chemie muss zugegeben häufiger herhalten, wenn es um wirtschaftspolitische Fragen geht. Aber wir wissen, Frau Ypsilanti, dort gibt es Menschen, die eine durchaus objektive, neutrale Brille tragen.
Das ist eine derjenigen Gewerkschaften, die sagen: Vorsicht,lasst uns zunächst einmal alles andere versuchen,bevor wir mit einem solchen diktatorischen Instrument des Staates kommen.
Denn sie sieht durchaus die Gefahr damit verbunden,dass sich zukünftig ihre Tarifierungen am unteren Bereich der Branche dann im Bereich des Mindestlohnes bewegen. Herr Schmoldt und alle Beteiligten wissen natürlich, dass die IG Chemie und viele andere Branchen mittlerweile weit jenseits der in Rede stehenden Größenordnung von 7,50 c und 8 c tarifiert sind.
Insofern sind sie originär gar nicht betroffen. Trotzdem befürchtet man bei der IG Chemie am Ende diese Folgen für die jetzigen Tarifpartner.
Meine Damen und Herren, ich könnte auch die Post anführen – ein Thema, das sicherlich noch nicht ganz am Ende ist. Dort könnte man noch auf eine andere Idee kommen: dass nämlich der eine oder andere – erst recht, wenn er früher einmal oder in Teilen immer noch Monopolist ist – dieses Instrument sehr schnell nutzt, um den Wettbewerb völlig außer Kraft zu setzen.
Frau Ypsilanti, wenn Sie jetzt wieder rufen, das sei ein Wettbewerb, der mit Ungemach verbunden ist, dann sage ich, und dann sagen wir: Wir reden hier über Dienstleistungen,
die relativ schnell austauschbar sind bzw. die häufig durch internationalen Wettbewerb unter einen hohen Druck geraten sind. Insofern wollen wir diesen Wettbewerb, denn wir wollen, dass sich alle Beteiligten anstrengen. Aber nochmals und ausdrücklich: Wir wollen diesen Wettbewerb nicht auf dem Rücken derjenigen, die dort arbeiten, sondern dort wollen wir – das Stichwort Kombilohn haben Sie selbst schon genannt – dafür sorgen, dass staatlicher Transfer in die Lücke springt, die möglicherweise der Markt reißt.
Sie haben die Friseure und andere Branchen angesprochen. Sie und wir wissen doch alle, dass es Tarifvereinbarungen mit den Innungen in Ostdeutschland gibt, die sich beispielsweise im Bereich von 4 c oder 4,50 c bewegen. Sagen Sie einma: Was wollen Sie den Arbeitgebern dort, den Friseurmeisterinnen und -meistern eigentlich unterstellen? Wollen Sie denen unterstellen, dass die der Mitarbeiterin,die ihren Arbeitsplatz neben ihnen hat,die fünf oder sechs Tage in der Woche 1,5 m neben der Meisterin ihren Job versieht, kein ordentliches Einkommen gönnen? Das wollen Sie doch bitte nicht unterstellen.
Lesen Sie einmal solche Interviews in der „FAZ“ oder sonst wo. Ich habe eines in Erinnerung, das liegt ein halbes Jahr zurück. Darin hat die Innungsobermeisterin in Brandenburg gesagt, warum das so ist. Das liegt ziemlich klar auf der Hand. Sie sagt nämlich: Meine Kunden hier im Grenzgebiet Richtung Polen wandern mir ab, wenn ich höhere Löhne zahle – denn 80 % der Dienstleistung, die ich erbringe, sind Personalkosten.
Frau Ypsilanti, ich will doch nicht sagen, dass ich das toll finde. – Sie haben doch diese Branche angesprochen. Ich will Ihnen nur sehr deutlich sagen, dass ich glaube, es ist nicht ganz so einfach, wie Sie es hier versucht haben darzustellen.
Sie führen andere Länder an, unter anderem England. Nehmen wir einmal England oder die USA. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie einverstanden sind, dass wir nicht über Mindestlöhne in Größenordnungen von 4 c oder 4,30 c reden – denn das ist die Größenordnung, die wir zurzeit in Amerika haben. Ich glaube also, das können Sie wirklich nicht als Beispiel anführen.
Wir sollten auch aufhören, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie haben selbst Großbritannien genannt. Wollen wir an dieser Stelle einmal über die Flexibilität des Arbeitsmarktes, über den Kündigungsschutz reden? Liebe Frau Ypsilanti, den gibt es dort faktisch nicht. Das ist aber doch etwas, was Sie auch nicht wollen. Aber das gehört zum Vortrag dazu – wenn Sie ausgerechnet diese Länder als Beispiel in dieser Debatte anführen. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist unredlich.
Frau Kollegin,wenn wir schon bei unseren Nachbarn sind, dann schauen wir doch nach Frankreich. Wir wissen, dort bestehen im Niedriglohnsektor enorme Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Dort gibt es eine doppelt so hohe Jugendarbeitslosigkeit wie bei uns.
Kurzum,es wird Ihnen sehr,sehr schwer fallen,Vergleiche zu liefern, die am Ende authentisch mit den Strukturen auf dem Arbeitsmarkt vergleichbar sind, die wir hier in Deutschland haben – als Argument dafür, dass wir eine solche Regelung bei uns brauchen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und möchte nochmals sehr deutlich sagen: Ich finde, das allerwichtigste Ziel muss es in diesem Lande sein, Arbeits
plätze zu schaffen. Demnach muss es das wichtigste Ziel sein, alles zu tun, um welche zu schaffen, und bitte alles zu unterlassen, was sie gefährdet.