Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

Sie sind in Hessen vielleicht mit Pflastersteinen groß geworden, aber nicht mit intellektueller Arbeit.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch und Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämt- heit! – Widerspruch bei der SPD)

Die Liberalen in Hessen – wir sind schon immer mit intellektueller Arbeit verbunden gewesen.

(Fortgesetzte Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was soll das heißen?)

Frau Sorge, das soll heißen, dass einer Ihrer Vorkämpfer sich früher auch einmal bemüht hat, mit Pflastersteinen gegen diesen Staat zu kämpfen – wenn Sie es genau wissen wollen. Ich finde, das ist keine intellektuelle Arbeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das stimmt!)

Ich finde, das ist keine intellektuelle Arbeit. Aber KarlHermann Flach hat intellektuell gearbeitet, und zwar auf zwei Gebieten.Er war der stellvertretende Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“, und er war Generalsekretär der FDP. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Erfurth, ich glaube, Sie müssen schon alles lesen, was Karl-Hermann Flach gesagt hat.

(Reinhard Kahl (SPD): Das stimmt!)

Der zentrale Satz, die Botschaft des Liberalismus, so, wie er ihn verstanden hat, lautet nämlich: so wenig Staat wie möglich und nur so viel Staat wie nötig. Das ist die Philosophie von Karl-Hermann Flach von vor 35 Jahren, und das ist auch heute die Philosophie der hessischen FDP.

(Beifall bei der FDP)

Sie können uns nicht mit entsprechenden Äußerungen aus den Freiburger Thesen vorführen – das schaffen Sie auch nicht. Es gibt Menschen hier im Raum, die daran mitgearbeitet haben und die um die Entwicklung wissen. Jawohl, wir Liberale sind weiterhin dafür, dass es eine Altersversorgung über eine betriebliche Einrichtung gibt – aber nicht nach dem Deutschlandfondsmodell, wie es die Sozialdemokraten wollen, damit sie auch weiterhin eine sozialistische Möglichkeit haben, Eingriffe in die Wirtschaft vorzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Hahn, Sie müssen dringend zum Schluss kommen.

Ich möchte deshalb auf Folgendes hinweisen. Gerade in den letzten Tagen ist darüber berichtet worden,dass wir in Deutschland derzeit die höchste steuerliche Belastung haben, die es je gab.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch des Abg. Nor- bert Schmitt (SPD))

Über 50 % des Einkommens werden versteuert. Das hat zur Folge, dass wir hier in Deutschland eine vergessene Mitte haben. Und das hat zur Folge, dass Vermögende, die es können,nach Österreich gehen und andere hier bleiben müssen. Wir müssen ein vernünftiges Steuersystem machen, und dazu gehört unter anderem auch die Abschaffung der Erbschaftsteuer. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das mit der Steuerquote ist falsch!)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Das Wort hat Herr Kollege Williges für die CDU-Fraktion. – Entschuldigung, Frau Kollegin Erfurth. Sicherlich können Sie antworten. Das haben wir hier nicht wahrgenommen. Bitte sehr.

Herr Hahn, ich möchte mich zunächst einmal dagegen verwehren, dass Sie uns unterstellen, keine Tradition zu haben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich habe Ihnen doch eine Tradition unterstellt!)

Ich habe eine ganz andere Tradition für mich zu reklamieren. Aber das möchte ich nicht mit Ihnen von diesem Pult aus ausfechten.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Ich finde, die Tradition der Aufklärung, auf die Sie sich zum Teil beziehen, ist auch ein Stück der gesamten Geschichte dieser Republik. Die Gedanken, die die FDP sich in den Freiburger Thesen gemacht hat, haben mich insofern beeindruckt – das will ich ganz unumwunden zugeben –, als man davon ausgegangen ist, dass zur Umverteilung des Einkommens in den Betrieben eine Vermögensabgabe von 75 % erhoben werden soll. Das fand ich eine mutige Ansage für Vermögen von damals über 6 Millionen DM oder heute 3 Millionen c.Ich fand es eine mutige Ansage, da wirklich Umverteilungen vorzunehmen und Vermögensbildung in der breiten Masse der Bevölkerung vorzunehmen. Das ist der Ansatz, den wir immer noch nicht gelöst haben. Wir haben es nicht geschafft, eine breite Masse mitzunehmen, damit sie an der Gesellschaft insgesamt beteiligt wird.Wenn Sie sich jetzt davon verabschieden, verabschieden Sie sich auch von der Beteiligung der breiten Masse an der Gesellschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Märchen, dass wir in Deutschland über 50 % Steuerlast tragen – –

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, Sie wissen ganz genau, dass das die Gesamtsumme für die Soziallasten und die Steuern ist.Dann müssen Sie das auch in anderen Ländern zusammenrechnen und nicht dort abzuziehen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja! Deutschland ist auf Platz 2 weltweit!)

Dann kommen wir nämlich zu ganz anderen Ergebnissen. Das wissen Sie auch. Dann sollten Sie noch genauer nacharbeiten, wie wir die Sozialabgaben finanzieren wollen.

Da sind Sie uns die Antworten schuldig geblieben. Ich bin darauf gespannt, wie Sie, wenn Sie wirklich auf die Vermögen- und Erbschaftsteuer verzichten wollen, diese Einkommenslücke schließen wollen.Die Antwort darauf sind Sie uns immer noch schuldig geblieben. Diese Antwort möchte ich gerne noch einmal von Ihnen hören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich habe leider keine Redezeit mehr!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Das Wort hat der Abg.Williges für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beobachte mit einer gewissen Überraschung und einem gewissen Interesse, wie sich hier die beiden Parteien für Besserverdienende in einer Art und Weise beharken, wie ich es bei diesem Tagesordnungspunkt so nicht vermutet hätte.

(Allgemeine Heiterkeit – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was für ein Auto fahren Sie?)

Herr Präsident,ich will mit Ihrer Erlaubnis wieder zu dem eigentlichen Thema zurückkommen,nämlich zu der Frage der Neuregelung der Erbschaftsteuer, die wohl in einigen Wochen auf Bundesebene abschließend geklärt wird, und vor allen Dingen auch zum Antragstext der FDP.Aber gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Herr von Hunnius, als dieser Tagesordnungspunkt zum Setzpunkt erhoben wurde, haben wir uns schon die Frage gestellt, ob das vielleicht der Tatsache geschuldet ist, dass Ihr Fraktionsvorsitzender Mitglied der Föderalismuskommission ist, aber bei diesem Thema in Berlin nicht mitmischen darf, und man deshalb bei diesem Thema einen Nebenkriegsschauplatz auf Länderebene aufmachen will.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oh Mann!)

Oder wollen Sie das, was Sie beantragen, tatsächlich haben? Offenbar ist Letzteres nicht der Fall. Denn Sie machen hier heute eine Grundsatzdiskussion über die Frage auf, wie hoch die Steuerquote in unserem Land ist. Sie beziehen viele andere Steuerarten mit ein und kommen dann zu dem Ergebnis, Herr von Hunnius, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft werden muss.

Wenn Sie das wollen, wäre es fair und korrekt gewesen, das auch so zu beantragen. Das, was Sie beantragt haben, ist die Forderung, die Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaftsteuer auf die Länder zu übertragen. Deshalb meine Frage: Meinen Sie das ernst?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja!)

Ich will Folgendes vorausschicken: Wir als Christdemokraten haben natürlich eine grundsätzliche Sympathie dafür, Gesetzgebungskompetenzen für Steuererhebungen auf die Länder zu übertragen. Das ist gar keine Frage. Aber die Erbschaftsteuer ist das denkbar schlechteste Beispiel für eine solche Übertragung, weil wir nämlich einen föderalen Flickenteppich bekommen würden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Den haben wir dann immer!)

Schauen Sie sich doch einmal an, welche Situation dort entstehen würde.Wir hätten Bundesländer, die dann vielleicht mit FDP-Beteiligung die Steuer komplett abschaffen würden. Wir hätten andere mit niedrigen Steuersätzen, und wir hätten welche, die vielleicht mit höheren Steuersätzen arbeiten würden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Haben Sie das bei der Gewerbesteuer schon einmal gesehen?)

Dann hätten wir genau die Steuerfluchten, die wir derzeit in andere europäische Steueroasen haben, in nationale Steueroasen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Jetzt gehen sie nach Tirol!)

Ein solches Durcheinander kann nicht ernsthaft gewollt sein. Deshalb sage ich: Wenn die FDP Klarheit will, dann soll sie es sagen. Dann soll sie beantragen, die Erbschaftsteuer abzuschaffen. Aber ein solches Durcheinander auf nationaler Ebene ist mit uns nicht zu machen und wird es mit uns auch nicht geben.

Sie wissen doch, dass die Interessenlagen der Länder völlig unterschiedlich sind. Wir haben heute Morgen in der Haushaltsdebatte ausführlich über den Länderfinanzausgleich gesprochen. Das gegenwärtige Erbschaftsteueraufkommen ist sehr unterschiedlich verteilt. Insgesamt sind es auf nationaler Ebene 0,8 %. In den alten Bundesländern sind es 2,6 % – jeweils bezogen auf das Gesamtsteueraufkommen –, und in den Ostländern sind es 0,25 %. Das heißt, dass es Länder gibt, die überhaupt kein Interesse daran haben, Steuern zu generieren. Das haben wir auch jetzt schon bei anderen Steuerarten, und das würden wir bei einer Steuergesetzgebungskompetenz für die Erbschaftsteuer dann noch verstärken. Das kann also nicht der Weg sein.Es kann allenfalls sein,dass die FDP auf diesem Wege die Abschaffung erreichen will.

Herr von Hunnius, Herr Hahn, zur Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sage ich: Natürlich gibt es auch in unseren Reihen gewisse Sympathien dafür. Es ist doch gar keine Frage, dass man darüber diskutieren kann, diese Steuer komplett abzuschaffen.

(Roland von Hunnius (FDP): Immerhin!)

Einer besonderen Attraktivität hat sie sich zeit ihres Lebens nicht erfreut. Herr von Hunnius hat sie zu Recht als Oldtimer bezeichnet. Sie geht nämlich auf den Erbschaftszehnten zurück, den die fränkischen Könige schon im neunten Jahrhundert erhoben haben. Das ist also eine Steuer mit einer viel längeren Geschichte als beispielsweise die Mehrwertsteuer. Die Geschichte hat eben bei den GRÜNEN und der FDP eine große Rolle gespielt. Sicherlich kann man über eine komplette Abschaffung nachdenken. Das hat der Kollege Meister getan, und das muss auch möglich sein.

Aber man muss dann doch auch über die Konsequenzen nachdenken. Das hat meiner Ansicht nach Frau Erfurth zu Recht angesprochen. Dann muss auch über Kompensation gesprochen werden. Oder Sie als Freie Demokraten sind so, wie Sie das bei der Mehrwertsteuererhöhung und bei vielen anderen Steuern machen wollten, bereit, ersatzlos darauf zu verzichten. Dass das aber in unseren Staatswesen so nicht funktioniert, müsste Ihnen klar sein.