Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

Diese Evaluation wurde nicht durchgeführt. Dass man, wenn man diese Evaluation durchgeführt hätte, zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, zeigt sich unserer Meinung nach sehr deutlich beim Bannmeilengesetz. Denn, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist in der juristischen Fachliteratur, sogar in der polizeirechtlichen Fachliteratur unumstritten, dass eine konsequente Anwendung der einschlägigen Vorschriften im Strafrecht, im Versammlungsrecht und im Polizeirecht völlig ausreicht, um den geordneten Ablauf der Parlamentssitzungen zu gewährleisten. Ich glaube, es hätte kein plastische

res Beispiel für die praktische Umsetzung dieser Tatsache geben können als die Demonstrationen, die wir gestern und heute in absoluter Nähe des heutigen Tagungsortes erlebt haben. Das Dernsche Gelände, auf dem man die Demonstranten durch das Fenster im Vorraum schön hat beobachten können, liegt in unmittelbarer Nähe zum hiesigen Gebäude. Ich glaube, es ist keiner in irgendeiner Form gehindert gewesen, hier einen ordnungsgemäßen Sitzungsverlauf durchzuführen.

Wo kommt der eigentliche Druck der Straße her? 1848 war der Schutz der Nationalversammlung in der Paulskirche der Anlass, diese Bannmeilengesetzgebung in Deutschland überhaupt einzuführen. Woher kommt der Druck der Straße? Er kommt in unseren heutigen Zeiten nicht mehr durch körperlich vorhandene Demonstranten zustande, sondern es ist letztlich ein Druck, der weit mehr über die Medien, über Lobbyisten und entsprechend interessierte Berichte in Presse, Funk und Fernsehen verbreitet wird.Das heißt,der Druck kommt mittlerweile aus einer ganz anderen Richtung.

Wir als FDP-Fraktion sind der Meinung, dass man, wenn man ein bisschen über den Tellerrand der hessischen Landesgrenzen hinausschaut,sehen kann,dass in anderen Teilen unserer Welt, auch in anderen Teilen dieses Landes, sehr erfolgreich Parlamentarismus, Demokratie ohne ein Bannmeilengesetz praktiziert wird, Frau Kollegin Hofmann.

(Beifall bei der FDP)

Die meisten neuen Bundesländer haben kein Bannmeilengesetz, Frau Kollegin Hofmann. Der Deutsche Bundestag hat kein Bannmeilengesetz, sondern praktiziert seit 1999 sehr erfolgreich eine Gesetzgebung mit einem befriedeten Bezirk, der ein Anrecht auf Demonstrationsmöglichkeiten unter bestimmten Auflagen auch in der Nähe des Reichstags und der sonstigen Verfassungsorgane gewährleistet. Die Geltungsdauer dieses Gesetzes ist 2003 nach entsprechender Evaluierung um fünf Jahre verlängert worden.

Von daher kann man nicht sagen, nur das Bannmeilengesetz sichere den ordnungsgemäßen Ablauf des Parlamentarismus, und nur, weil wir das Bannmeilengesetz haben, kämen wir hier überhaupt dazu, gemeinsam diese Plenarwoche durchzuführen.

(Heike Hofmann (SPD):Das habe ich auch so nicht gesagt!)

Auch international, in England, in Frankreich und den USA gibt es keine Bannmeilengesetzgebung. Vor dem Hintergrund kann man sich nicht wirklich ernsthaft zu der Aussage versteigen, dass es ein Ausdruck der wehrhaften Demokratie sei, ein Bannmeilengesetz zu haben. Ich habe die Demokratien in Frankreich, England und den USA bislang nicht als weniger wehrhaft empfunden als die deutsche Demokratie.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Auch die Demokratien in den neuen Bundesländern sind nicht weniger wehrhaft als die in Hessen. Von daher glaube ich, dass eine wirkliche Evaluation zu diesem Thema zeigt,dass wir eine Bannmeilengesetzgebung nicht mehr brauchen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Hofmann, es war mitnichten so, dass die Anhörung ergeben hätte, dass wir solch ein Bannmeilengesetz bräuchten. Vielmehr waren es gerade CDU und

SPD, die eine zusätzliche Beratung dieses Gesetzes im Ältestenrat beantragt hatten,weil sie sich unsicher waren,ob Erweiterungen des Bannmeilengesetzes wegen des bevorstehenden Umzugs vom Rathaus in den Neubau nötig sind. Sie haben sich entgegen der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Westhessen dazu entschlossen, keine Erweiterung vorzunehmen. Alleine die Haltung von CDU und SPD im Ältestenrat zeigt, dass Sie dem Polizeipräsidium und seinen Bedenken in diesem Punkt nicht gefolgt sind, dass also auch hier diese Sache völlig überflüssig ist.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Beer, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich kann zum Schluss kommen; denn ich glaube, es ist deutlich geworden: Das Bannmeilengesetz ist ein überholtes Relikt aus vergangenen Zeiten. Die FDP sieht sich weiterhin als wehrhafte Parlamentarier, mit oder ohne Bannmeile.Aber ohne Bannmeile wäre es kein Eingriff in die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Beer, vielen Dank. – Nun erhält Justizminister Banzer für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rechtsausschuss hat diesen Gesetzentwurf in insgesamt fünf Sitzungen beraten. Er hat dazu eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Es gab dazu die Regierungsanhörung.

Natürlich kann man sagen, eine Evaluierung sei nicht erfolgt, weil sie nicht das erwartete oder erwünschte Ergebnis erbringt. Aber gerade die jetzt geführte Diskussion zeigt die Sinnhaftigkeit dieser Vorschrift mit der Geltungsdauer von fünf Jahren. Denn das gibt uns tatsächlich Gelegenheit, in die einzelnen Gesetze hineinzuschauen und über deren weitere Notwendigkeit nachzudenken.

Natürlich geschieht die Beratung dieser Gesetze in kursorischer Art und Weise und damit anders, als wenn es zu einem unmittelbaren Gesetzgebungsverfahren kommt. Das können wir gar nicht anders machen. Denn ich glaube, der Landtag würde sich ansonsten selbst überfordern.

Man muss also einen Kompromiss zwischen der ursprünglichen Beratung eines Gesetzentwurfs und der Überlegung finden, ob ein Gesetz noch für die nächsten fünf Jahre wirksam sein soll. Ich finde, das ist gerade bei den Gesetzen, um die es hier geht, gelungen. Auch beim Verfolgen der Beratungen hatte ich den Eindruck, dass dies der Fall ist.

Aufgrund der Entscheidung der FDP-Fraktion ist das Thema Bannmeile zu einem der spannenderen Punkte dieser Diskussion geworden. Dafür ein Kompliment. Das ist Ihnen gelungen. Dadurch ist die Diskussion insgesamt interessanter geworden.

Wir sollten gerade die Demonstrationen bedenken, die heute und gestern hier stattfanden. Ich kann nicht sagen, dass es nicht die Möglichkeit gegeben hat, dem Recht auf Demonstration ausreichend Ausdruck zu verleihen.Trotzdem war hier die ordnungsgemäße Tagung möglich.Wenn Sie so wollen, hat die heute vollzogene Evaluierung gerade die Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes gezeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, insoweit sagen zu können: Das ist gar nicht so falsch.

Eines ist mir wichtig. Da bitte ich, noch einmal die Einlassungen während der ersten Lesung zu überprüfen. Wir können nicht aus der Frequenz der Nutzung bzw. der Anwendung eines Gesetzes auf dessen Sinnhaftigkeit schließen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn es nie angewendet wird, kann man das schon!)

Ich brauche Ihnen das nicht zu sagen. Im Strafgesetzbuch stehen viele Paragrafen gerade in der Hoffnung, dass die Existenz dieser Paragrafen die Menschen davon abhält, dass man sie jemals vor Gericht einsetzen muss.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht hier aber nicht um das Strafgesetzbuch!)

Ich halte es für einen Erfolg, dass es bisher nicht notwendig war, das gesamte Verfahren zum Thema Konnexität in Gang zu setzen.Wir werden das schon noch einmal zu sehen bekommen. Ich bin mir sicher, dass das einmal geschehen wird. Dann werden wir sehen, ob das System so, wie es vorgesehen ist, funktioniert.

Ich bin mir auch sicher, dass wir in überschaubarer Zeit über die Frage der privaten Finanzierung der Straßen und Brücken zu beraten haben werden. Dann können wir auch anhand praktischer Erfahrungen überprüfen, ob das Gesetz in dieser Form zeitgemäß ist.

Ich glaube, gerade die Diskussion über den Entwurf dieses Artikelgesetzes hat ergeben,dass das Verfahren,wie es im Hessischen Landtag ausgeübt wird, erfolgreich und sinnvoll ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Justizminister, vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften, Drucks. 16/7782 zu Drucks. 16/6942, angelangt.

Wir kommen damit zur Abstimmung.Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Dagegen gestimmt haben die Mitglieder der FDP-Fraktion. Enthaltungen? – Die Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen und wird zum Gesetz erhoben.

(Axel Wintermeyer (CDU): Bravo!)

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 49:

Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu Petitionen – Drucks. 16/7738 –

Hierzu wurde beantragt, drei Petitionen gesondert abzustimmen. Das sind die Petitionen Nr. 5951/16, Nr. 6219/16 sowie Nr. 6157/16. Zu der Letztgenannten wurde eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Die erste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Dr. Jürgens von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Meine Fraktion kann der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zu der Petition Nr. 6157/16 nicht folgen und wird dagegenstimmen. Es geht bei dieser Petition um eine behinderte Schülerin mit Downsyndrom.

Die Siebenjährige ging bisher, wie es in Hessen inzwischen zum Glück üblich ist, zusammen mit nicht behinderten Kindern in den Kindergarten. Sie ist im Sportverein und in der Freizeit mit nicht behinderten Kindern zusammen. Die Eltern wollten, was ich gut nachvollziehen kann, ihr daher auch den Besuch der Regelschule zusammen mit nicht behinderten Kindern ermöglichen.

Nach dem Ergebnis des Förderausschusses wurde dies auch als möglich und sinnvoll erachtet. Ich muss jetzt notwendigerweise den Sachverhalt etwas verkürzen. Gleichwohl wurde sie vom Staatlichen Schulamt auf die Förderschule verwiesen.

Im Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz wurde dann vom Verwaltungsgericht vorgeschlagen,ihr zunächst vergleichsweise bis zu der Entscheidung in der Hauptsache den Besuch der Regelschule zu ermöglichen.Auf Betreiben des Staatlichen Schulamts wurde in diesen Vergleich ausdrücklich aufgenommen, dass während dieser Zeit keine sonderpädagogische Förderung stattfindet.

Das Verfahren hat im Augenblick folgenden Stand. Über den Widerspruch der Eltern gegen die Entscheidung des Staatlichen Schulamts hat dieses noch nicht entschieden. Diese Entscheidung steht also noch aus. Die Entscheidung in der Hauptsache, so hätten wir uns das gewünscht, hätte in dem Petitionsverfahren das Ergebnis haben sollen, dass dem Widerspruch abgeholfen wird.

Die Mehrheit will das aber nicht. Ich komme damit zum Kern der Angelegenheit. Die Kultusministerin sah sich während der Sitzung des Petitionsausschusses nicht in der Lage, die vom Förderausschuss als sinnvoll erachteten zehn Stunden sonderpädagogische Förderung zur Verfügung zu stellen. Dies war so, obwohl ein Sprecher des Kultusministeriums in der Sendung „hessen aktuell“ vom 3. August dieses Jahres mit Blick auf den gemeinsamen Unterricht Folgendes ausgeführt hat: Sollten es noch mehr Schüler werden,was kein Problem wäre,würde auch die Zahl der Stunden bzw. die Zahl der Lehrer entsprechend nach oben angepasst werden.

Nun wissen wir aufgrund der Antwort der Kultusministerin auf eine mündliche Frage aus der letzten Plenarsitzungsrunde, dass in Hessen zum neuen Schuljahr 203 behinderten Kindern der von den Eltern erwünschte Zugang zur Regelschule verwehrt wurde. Es gab keine Anpassung nach oben, nicht um eine Stunde. Ebenso wurde die Zahl der Lehrer auch nicht nach oben angepasst. Das Kultusministerium hat die Öffentlichkeit also getäuscht. Frau Kultusministerin, dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kultusministerin, behaupten Sie auch bitte nicht mehr, wie es noch in der Sitzung des Petitionsausschusses geschah, die Zuweisung des Kindes zur Förderschule sei aus pädagogischen Gründen erfolgt. Damit würden Sie uns nämlich die nächste Unwahrheit zumuten.

Sie wollen doch wohl nicht ernsthaft behaupten, das Staatliche Schulamt halte zwar aus pädagogischen Gründen den Besuch einer Förderschule für notwendig und damit den Besuch der Regelschule für nicht ausreichend, stimme dann aber auf der anderen Seite gleichwohl dem Vergleich zu, der den Besuch der Regelschule ohne eine sonderpädagogische Förderung vorsieht. Wenn dem so wäre, dann wäre die Zustimmung des Staatlichen Schulamts ein eklatanter Verstoß gegen seine Pflichten gewesen.