Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

Die Bemessungsgrundlage ist, bevor sie von der Erbschaftsteuer erfasst wird, schon x-mal als Einkommen oder Ertrag steuerlich belastet worden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber nicht von den Erben!)

Es gibt überhaupt keinen fiskalischen Grund,die Tatsache des Erbübergangs zum neuen Anlass von Besteuerung zu nehmen, der staatlichen Habgier.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist ein schwaches Argument!)

Deshalb stellt Straubhaar fest: Wer Erbschaften besteuert, enteignet Eigentum.

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Blödsinn! – Axel Wintermeyer (CDU): Jede Steuer ist eine Enteignung!)

Besser kann man es gar nicht formulieren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, es ist ein Unterschied, ob ich Einkommen besteuere. Wenn Sie der Quellentheorie folgen, dann heißt es, dass Einkommen fließen muss. Aber die Tatsache, dass ein Erbe anfällt, ist kein Einkommen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Warum? Aber Eigentum!)

Insofern ist das eine völlige Verzerrung, dies zum Gegenstand der Besteuerung zu nehmen.

(Zurufe von der SPD und der FDP)

Er darf es nicht sagen. Das führt vielleicht auch zu weit.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Es gibt keinen Grund und es hat keinen Sinn, die Vererbung bzw. Schenkung als Grund zur Vermögensbildung vom Staat ausdrücklich zu bestrafen und denjenigen zu belohnen, der sein Einkommen komplett verfrühstückt.

(Reinhard Kahl (SPD): Dann muss er Mehrwertsteuer bezahlen!)

Belohnt wird also, wer nichts vererbt. Belohnt wird, wer kein Vermögen bildet. Bestraft wird, wer das Vermögen bildet und es anderen hinterlässt.

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch!)

Wir wissen alle, dass die Bildung von Vermögen ein ganz wichtiger Impuls ist, gerade mittelständische Unternehmen aufrechtzuerhalten und erfolgreich zu wirtschaften, weil sie wissen,eines Tages geht es an die Erben über.Nun versucht die Große Koalition, Betriebsvermögen und das landwirtschaftliche Grundvermögen weitgehend von der Besteuerung freizuhalten.

Aber das Problem ist, dass diese löbliche Absicht von einigen Punkten konterkariert wird. Die Trennung zwischen produktivem und unproduktivem Vermögen ist willkürlich. Auch Vermögen, das in Aktien oder GmbHAnteilen angelegt ist, ist Vermögen. Dieses Vermögen fließt auch in die Finanzierung von Betriebsvermögen ein. Wenn man sagt, das Vermögen, das einem persönlich gehört, werde bevorzugt – das ist produktiv, das andere nicht –, so ist das willkürlich.

Die bedingte Freistellung von Unternehmen von der Erbschaft- und Schenkungssteuer und der Erlass der Steuer nach siebenjähriger Fortführung führen dazu, dass zwar die Liquiditätsbelastung der Unternehmen geringer wird, keineswegs aber die Ertragsbelastung. Das Unternehmen muss Rückstellungen in der Höhe bilden.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es die Bilanzen schönt und keine Rückstellung in der Höhe bildet, wird es zum Tage X, wenn die Steuerzahlung fällig sein sollte, umso härter getroffen. Dann kann dies das Ende des Unternehmens bedeuten.

Man fragt sich: Wie kann der Staat in einer Zeit rasanten wirtschaftlichen Wandels, die unter dem Zeichen der Globalisierung steht, erwarten, dass ein Unternehmen sieben Jahre fortgeführt wird und dass der Unternehmer keinerlei Möglichkeit hat, Produktivitätsfortschritte – Ersatz von Personen durch Kapital – im Sinne der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auszuspielen? Er muss so bleiben, wie er ist, um die Erbschaftsteuer zu sparen.

Das wird er nicht. Also wird er die Erbschaftsteuer im Zweifelsfall zahlen, und das ist auch der Zweck der ganzen Veranstaltung. Die Bedingung, 70 % der Lohnsumme aufrechtzuerhalten, heißt nämlich, dass er im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit keine Rationalisierungsmaßnahmen ergreifen darf.

Das Ziel ist klar: Das Steuersubstrat in Höhe von 4 Milliarden c soll aufrechterhalten werden. Aber die tatsächlichen Auswirkungen der beabsichtigten Erbschaftsteuerreform sind kaum kalkulierbar; denn sie bedeuten eine Reduzierung des Wachstums. Diese Reduzierung trifft alle, auch diejenigen, die andernfalls nicht erben würden.

Der bereits zitierte baden-württembergische Finanzminister Stratthaus von der CDU soll gesagt haben: So ein Zirkus wegen 4 Milliarden c; es wäre am besten, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dieser Ansicht von Herrn Stratthaus können wir uns voll und ganz anschließen. Bei diesem Projekt unterstützen wir ihn ganz und gar.

(Reinhard Kahl (SPD): Warum stellen Sie jetzt solch einen Antrag? Das verstehe ich ganz und gar nicht!)

Da das Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer ohnehin zu 100 % den Ländern zusteht, ist es nur konsequent, dass die Länder darüber entscheiden dürfen, was mit dieser Steuer passiert.

(Beifall bei der FDP)

Das heißt, sie sollen erstens entscheiden dürfen, ob sie sie überhaupt erheben wollen, zweitens, in welcher Form sie – wenn sie sie denn erheben – ausgestaltet werden soll, drittens, welche Steuersätze sie festlegen, und viertens, welche Freibeträge sie einräumen. All das sollen Länderentscheidungen sein. Das ist eine Konsequenz aus der Fi

nanzautonomie, die wir alle fordern und für die wir alle kämpfen.

Hier haben wir die Gelegenheit, sie zum zweiten Mal – nach der Grunderwerbsteuer – wirksam werden zu lassen. Berlin ist das einzige Bundesland, das inzwischen einen abweichenden Tarif für die Grunderwerbsteuer festgelegt hat. Die anderen haben alle den gleichen Tarif. Hier können wir sagen:Eine Landessteuer soll eine Steuer sein,die das Land selbst beschließt.

(Beifall bei der FDP)

Dafür müssten auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sein; denn das gäbe ihnen die Möglichkeit, die Steuer unabhängig von bundespolitischen Lösungen so festzusetzen,wie sie es eigentlich wollen.Die SPD kann ganz hohe Steuern festsetzen, die CDU kann das bürokratisch machen – das ist wiederum eine Präferenz der CDU –, und wir würden sie bei der Gelegenheit ganz und gar abschaffen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist mir klar!)

Das alles geht nur, wenn unserem Antrag gefolgt und die Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Landesebene verlagert wird. Das ist der Anlass für den Antrag, den wir heute eingereicht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte geben Sie Hessen ein Stück steuerlichen Spielraum, und stärken Sie die finanzpolitische Autonomie unseres Landes.Das kommt allen zugute, unabhängig davon, welche Ansicht Sie zu dieser speziellen Steuer haben. Aber ich glaube, wenn das Land darüber entscheiden kann, wie diese Steuer gestaltet wird,ist uns allen geholfen.Wir sind nicht mehr nur der Spielball externer Steuerpolitik und brauchen das Aufkommen nicht lediglich zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege von Hunnius. – Das Wort hat Frau Kollegin Erfurth, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es jetzt mit zwei Anträgen zu tun, die unterschiedlicher nicht sein könnten: mit dem Antrag der FDP, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, und mit unserem Antrag,eine konsequente,zukunftsfähige Weiterentwicklung der Erbschaftsteuer vorzunehmen.

Als Einstieg möchte ich einige Gedanken voranstellen. Das habe ich in drei Abschnitte gegliedert.

Erstens. Die bisherige Erbschaftsteuer schleppt ein veraltetes System fort, das unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung vor allem dadurch beeinträchtigt, dass es die angestrebte Vermögensbildung bei breiten Schichten der Bevölkerung behindert. Das System begünstigt eine gesellschaftlich schädliche Akkumulation größter Vermögen und der damit verbundenen Verfügungsrechte.

Zweitens. Die Erbschaftsteuertarife und die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Minderung und Umgehung der Steuer sind in höchstem Maße unsozial und be

günstigen einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis und die Erwerber großer Vermögen.

Drittens. Der Lösungsansatz ist: Die verstärkte Heranziehung großer und größter Vermögen trägt der Tatsache Rechnung, dass große Vermögen regelmäßig nicht ohne eine wesentliche Zusatzleistung der Gesellschaft gebildet werden können. Sie – nämlich die verstärkte Heranziehung – dient damit dem Ziel größtmöglicher Chancengleichheit.

Diese Sätze habe ich nahezu wörtlich zitiert. Sie stammen nicht von mir. Ich stimme ihnen zwar in einigen Punkten zu; aber sie sind nicht aus meiner Feder geflossen. Möglicherweise kommen sie einigen von Ihnen bekannt vor.Ich denke besonders an die Damen und Herren von der FDP. Ich habe sie nämlich aus diesem Büchlein abgeschrieben.

(Die Rednerin hält eine Broschüre hoch.)

Das sind die „Freiburger Thesen“ der FDP aus dem Jahre 1971, an deren Zustandekommen der ehemalige Generalsekretär der FDP, Hans-Hermann Flach, maßgeblich mitgewirkt hat.