Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

Aber man muss dann doch auch über die Konsequenzen nachdenken. Das hat meiner Ansicht nach Frau Erfurth zu Recht angesprochen. Dann muss auch über Kompensation gesprochen werden. Oder Sie als Freie Demokraten sind so, wie Sie das bei der Mehrwertsteuererhöhung und bei vielen anderen Steuern machen wollten, bereit, ersatzlos darauf zu verzichten. Dass das aber in unseren Staatswesen so nicht funktioniert, müsste Ihnen klar sein.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): So wenig Staat wie möglich!)

Von daher müssen Sie Vorschläge zur Kompensation machen. Dann sind Sie doch wieder bei anderer Substanzbesteuerung, beispielsweise bei der Grundsteuer, auf die Sie

das dann aufschlagen und bei der die Verteilung meiner Ansicht nach ungerechter ist. Oder Sie müssen die Ertragssteuern erhöhen.Andere Wege gibt es doch nicht,um diesen Betrag zu erzielen. Das sind nicht ganz 4 Milliarden c, sondern im Jahr 2006 waren es 3,762 Milliarden c.

Deshalb will ich noch einmal zu dem zurückkommen, was tatsächlich beantragt wurde und was tatsächlich auch auf Bundesebene diskutiert wird. Nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass Immobilienbesitz im Erbschaftsteuerfall im Vergleich zu anderen Vermögensarten privilegiert ist,gibt es seit zwei Jahren Bemühungen, eine Reform herbeizuführen. Die Grundpfeiler haben die Koalitionäre in Berlin eingerammt. Ich will zwei davon nennen. Der eine betrifft den Bereich der privaten Vermögen.

Aber ich will zunächst mit dem anderen Grundpfeiler beginnen, der da lautet, dass das Steueraufkommen insgesamt nicht verändert werden soll. Das heißt, es soll keine Verringerung und keine Erhöhung des Steueraufkommens geben. Und das erhöhte Aufkommen, das aus der geänderten Bewertung von Immobilien resultiert, soll insbesondere den Steuerpflichtigen der Steuerklasse I zukommen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Ich komme gleich noch einmal dazu.

Der zweite Punkt ist, dass die Betriebsübergaben nicht zu Existenzbedrohungen und zu Betriebsschließungen führen dürfen. Auch das ist ein weiterer Eckpfeiler, der eingerammt wurde. Wir stellen fest, dass die Unternehmen eine verlässliche und eine dauerhafte Lösung brauchen,in deren Bestandskraft sie auch Vertrauen haben können. Das ist eine der wichtigen Botschaften, die die Unternehmen auch an die Politik richten.

Es gab in der Diskussion verschiedene Modelle. Herr von Hunnius hat einige davon angesprochen. Wir haben über ein Niedrigsatzmodell gesprochen, über ein Diskursmodell, über ein Schedulenmodell, über ein Abzinsmodell, und wir haben in der Diskussion natürlich auch über die Frage gesprochen, ob man aus der jetzigen Erbanfallsteuer eine Nachlasssteuer macht. Es sind beispielsweise Berechnungen von der Universität Hannover durchgeführt worden, die belegen, dass dies noch viel problematischer wäre und dass man bei einer vergleichbaren Belastung bei kleineren Vermögen nur 18 % des heutigen Aufkommens hätte.

Es kristallisiert sich jetzt heraus, dass im privaten Bereich – also der Steuerklasse I, das sind die Kinder und Enkel, die direkten Abkömmlinge – durch eine Erhöhung der Freibeträge die höhere Steuerbelastung, die aufgrund der Immobilienbewertung entstehen wird, vielleicht sogar etwas überkompensiert wird. Das ist ganz im Sinne der Christlich Demokratischen Union. Wir wollen Ehe und Familie stärken. Wir geben mit höheren Freibeträgen die Möglichkeit, dass das übliche hessische Einfamilienhaus steuerfrei an die nächste Generation übergeben werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Was wir jedoch nicht wollen – offenbar ist Frau Erfurth in der Hitze des Gefechts mit den Liberalen gar nicht mehr dazu gekommen, ihren Antrag hier fertig zu begründen – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sagt ein Kollege der CDU!)

Da springe ich doch gerne bei und setze ein bisschen Redezeit ein, um den GRÜNEN unter die Arme zu greifen.

Die eingetragenen Lebenspartnerschaften, die Sie in Punkt 4 Ihres Antrags auch in der Steuerklasse I verankert sehen wollen und damit der Ehe gleichstellen wollen, wollen wir ausdrücklich nicht gleichstellen.Wir wollen der Ehe und Familie den Vorrang einräumen.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt für uns nicht nur für das Ehegattensplitting, sondern auch für die Erbschaftsteuer.

Ich komme jetzt zu den Betriebsübergaben. Als die aussichtsreichste Variante kristallisiert sich meiner Einschätzung nach das Abschmelzmodell heraus. Einige Eckdaten sind genannt worden, ich will versuchen, das noch etwas zu konkretisieren. Herr von Hunnius war meines Erachtens nicht ganz auf Ballhöhe.

Es wird zunächst ein Abschlag von 70 % vorgenommen. Das ersetzt die bisher in anderen Modellen vorgesehene Differenzierung zwischen produktivem und unproduktivem Vermögen.Von den verbleibenden 30 % wird es dann einen Freibetrag, vermutlich in Höhe von 500.000 c, geben. Herr von Hunnius, die Steuerschuld wird dann – so ist zumindest meine Information – nicht auf sieben, sondern auf zehn Jahre verteilt werden. Kriterium für den Nachweis der Weiterführung des Betriebs ist, dass 70 % der Lohnsumme in den Folgejahren erreicht werden. Dabei wird Leiharbeit ausdrücklich mit eingerechnet, um auch dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.

Herr von Hunnius, ich halte es schon für eine gerechte und faire Lösung, wenn man angesichts dieses Nachlasses, den man beim Übergang von Betriebsvermögen gewährt, auch wieder eine Kontrolle hat, damit es nicht zu Spekulationsgewinnen kommen kann, sondern tatsächlich das Unternehmen und mit dem Unternehmen die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das ist in unserem Sinne. Wahrscheinlich wird das auch der Kompromiss,der auf Bundesebene herauskommen wird, beinhalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch auf zwei Punkte eingehen. Das eine ist die Frage des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Dort stellt sich die Situation etwas anders dar. Es sieht hier schwieriger aus, weil der Ertragswert des Vermögens deutlich geringer ist, als es üblicherweise bei Betriebsvermögen der Fall ist. Nach unserer Auffassung muss hier noch eine etwas großräumigere Sonderregelung gefunden werden, um die Land- und Forstwirtschaft zu entlasten.

Wir gehen fest davon aus, es wird zwischen den Koalitionären ein Kompromiss gefunden werden,der tragfähig ist. Damit ein solcher Kompromiss gefunden werden kann, darf es in den nächsten Wochen kein Störfeuer geben. Störfeuer sehe ich weniger bei der FDP, sie ist ausnahmsweise einmal nicht an einer Bundesregierung beteiligt.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich meine eher das Störfeuer beispielsweise von der Kollegin Nahles, die diese gefundene Kompromisslösung fundamentalsozialistisch – wie sie nun immer argumentiert – infrage stellt.

Deshalb werde ich jetzt mit einiger Spannung dem Redebeitrag der SPD entgegensehen.Wir werden am Ende des Redebeitrags feststellen, ob wir in der hessischen SPDFraktion eher das Steinbrück-Lager oder das Nahles-Lager verorten können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien Sie mit mir gespannt auf den Redebeitrag. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bin sehr zu

versichtlich, dass wir eine tragfähige Lösung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer finden. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Williges. – Das Wort hat Herr Kollege Kahl, SPD-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt kommt bestimmt gleich der Eichenlaub wieder vor!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Herr Kollege Hahn, warten Sie es doch ab.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Um es vorweg zu sagen: Die Position der FDP ist klar und eindeutig. Erstens haben Sie gesagt, Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen. Dann stellen Sie Ihren Antrag, der im Grunde nichts weiter beinhaltet als eine Übertragung des Erbschaftsteuerrechts auf die Länder, um es dann abzuschaffen. – Meine Damen und Herren, damit hat sich Ihre Position nicht geändert. Das ist die klare Position der FDP. Bleiben Sie doch bei Ihrer klaren Linie: Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen, sonst gar nichts.

(Beifall bei der SPD)

Kommen wir doch einmal zur Sache. Im Steuersystem der Bundesrepublik ist die Erbschaftsteuer eher von geringem fiskalischen Gewicht.Allerdings steigen ihr absolutes Aufkommen und ihre Bedeutung seit Mitte der Neunzigerjahre. Das Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer betrug im Jahr 1996 rund 2 Milliarden c. Dies entsprach 0,5 % des gesamten Steueraufkommens. Im Jahr 2006 liegen wir bei 3,7 Milliarden c, also rund 0,9 % des Gesamtsteueraufkommens. Das bedeutet knapp 18 % aller Ländersteuern.

Auch im kommenden Haushalt hat Finanzminister Weimar 380 Millionen c Erbschaftsteuer eingeplant,dies entspricht rund 20 % der reinen Landessteuern. Wir reden also nicht über Peanuts, sondern wir reden über einen wichtigen Beitrag zum Etat des Landes Hessen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer meint, auf 380 Millionen c verzichten zu können, verstößt gegen das Gerechtigkeitspostulat. Außerdem kann ich nur sagen:Wer wie die FDP einmal für 2 Milliarden c Nettoneuverschuldung verantwortlich war, für den sind 380 Millionen c natürlich keine Größenordnung.

(Beifall bei der SPD)

Die Erbschaftsteuer zählt der Art nach zu den Vermögensteuern. Es stehen das Leistungsprinzip, das Umverteilungsprinzip und speziell der Aspekt der Startchancengleichheit im Vordergrund.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer steht im Aufkommen den Ländern zu, was wir wissen. Der Bezug der Erbschaftsteuer auf das Leistungsfähigkeitsprinzip wird von manchen, ganz speziell der FDP, als problematisch angesehen, da das gesamte Nettovermögen des Erblassers bereits aus versteuertem Einkommen gebildet wurde, wie Sie so schön sagen. Demzufolge wäre der erbschaftsteuer

liche Zugriff eine Doppelbesteuerung des Vermögens. Das wird so in die Welt gesetzt.

Mit der Realität hat dies schlicht nichts zu tun. Wer nämlich erstens kein Vermögen bildet und sein Vermögen ausgibt, bezahlt in diesem Lande Mehrwertsteuer. Das wird immer vergessen.Diesem Aspekt der Doppelbesteuerung steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass das Vermögen zum Zeitpunkt der Erbschaft den Besitzer wechselt und für den Erben ein neues Vermögen, einen Vermögenszugang,also streng genommen Einkommen,darstellt. Das ist die Realität. Wenn Sie darauf Einkommensteuer bezahlen wollen, dann wünsche ich gute Verrichtung. Bei den Steuersätzen führt dies zu einem Ergebnis, das wir alle gemeinsam nicht wollen.

(Zurufe von der FDP)

Die Erbschaftsteuer ist im ursprünglichen Sinne – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sind Sie Lehrer?)

Herr Kollege Hahn, Sie müssen in dem Zusammenhang festhalten – in Zwischenrufen sind Sie ja gut –: Jede Veränderung von Vermögen, jede Weitergabe von Vermögen usw. usf. kann hier nicht steuerfrei gestellt werden. Deswegen geht es in dieser Frage auch um den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Erbschaftsteuer im ursprünglichen Sinne wird als Erbanfallsteuer beim Erben nach Maßgabe des erhaltenen Erbes erhoben. Der Steuersatz ist zum einen nach dem Verwandtschaftsgrad und zum anderen nach Höhe des Erbes progressiv gestaffelt. Er beträgt beispielsweise in der Steuerklasse I zwischen 7 und 50 %.Allerdings greifen die Höchstsätze immer erst bei Erbanfällen von über 25 Millionen c. Daneben gibt es die sogenannten Freibeträge, die will ich in diesem Zusammenhang nicht alle nennen.

Für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gibt es einen Freibetrag in Höhe von 250.000 c. Der übersteigende Teil wird nur zu 60 % in die Bemessungsgrundlage einbezogen und die Belastung generell auf die Steuerklasse I beschränkt. Dies ist genau das Einfallstor für diese Modelle von Sale-and-leaseback. In diesem Zusammenhang kann ich Eichenlaub nennen.

(Beifall und Zurufe von der FDP:Ah!)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. November 2006 das Erbschaftsteuergesetz in seiner bisherigen Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schafft Rechtssicherheit insbesondere dahin gehend, dass auch künftig Differenzierungen, z. B. bei den Steuersätzen, möglich bleiben, sie aber nicht mehr in Bewertungsvorschriften versteckt werden dürfen. Das ist eine ganz klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts.

Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2008 weiter anwendbar. Das Gericht stellt fest, dass die Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes und des Bewertungsgesetzes den Verkehrswert nur unzureichend abbilden. Die Bestimmungen des Gesetzes orientieren sich jedoch an dem Ziel der Bestimmung des gemeinen Wertes, da nur dieser die durch den Substanzerwerb gestiegene steuerliche Leistungsfähigkeit zutreffend abbildet.