Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat die Aktuelle Stunde zu „Terrorbekämpfung – der Staat muss sich wehren können!“ beantragt. Der Staat muss sich in der Tat wehren. Ich glaube, es ist wichtig,dass wir angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen das hier miteinander debattieren.

Ich will vorwegschicken, es gibt keine absolute Sicherheit in unserem Land.Aber ohne Sicherheit gibt es auch keine Freiheit. Wir sind als Staat aufgerufen, die Freiheit und zweifellos die Freiheitsrechte, aber auch die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen. Der Rechtsstaat braucht dafür ein hinreichendes Handwerkszeug, einen hinreichend gefüllten Werkzeugkasten. Diesen zu gewährleisten ist unser Auftrag. Und das wollen wir mit den Vorschlägen, die Sie in unserem Antrag gelesen haben, auch erreichen.

Meine Damen und Herren,wenn wir den Rechtsstaat verteidigen wollen, dann sind Konsequenz und Geradlinigkeit gefragt. Zaghaftigkeit oder Schlingern und Strudeln sind das falsche Mittel. Da ist es ungeheuerlich und auch nicht nachvollziehbar, wenn, ich darf daran erinnern, die Kollegin Hofmann in der vergangenen Woche in der Frage der Strafbarkeit von Terrorcamps – eigentlich ist das Wort Camp eine unangemessene Verniedlichung –, also bei der Strafbarkeit von Terrorlagern, die unser Justizminister vorgeschlagen und hier eingebracht hat, von Gesinnungsstrafrecht gesprochen hat. Meine Damen und Herren, das ist ungeheuerlich und angesichts dessen, was dort geschieht, nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Menschen, die sich nach Pakistan oder anderswohin begeben und dort an Waffen und im Umgang mit Sprengstoff ausgebildet werden, dort eine Ausbildung zum Töten und zum Verüben von Anschlägen mit möglichst vielen Menschenopfern erhalten, werden Menschen zu Kampfmaschinen gegen die Freiheit, gegen unsere Demokratie ausgebildet. Das sind Terrorwerkzeuge. Darauf muss der Staat reagieren. Dafür müssen wir eine Strafbarkeit herstellen.

(Beifall bei der CDU)

Die Argumentation, die uns entgegenschlägt, ist gelegentlich schon ziemlich abenteuerlich. Es passiert doch nicht zufällig, dass sich jemand in diese Lager nach Pakistan begibt. Das ist doch keine Reise, die man in einem Reisebüro buchen kann, sondern das ist eine gezielte Anreise, um sich dabei mit Gesinnungsgenossen zum Töten ausbilden zu lassen. Und das muss bestraft werden. Es hilft auch nicht – deswegen sage ich:Schlingern und Trudeln ist nicht angemessen –, wenn zwei Tage später Frau Ypsilanti auch auf den Trichter kommt,dass vielleicht doch etwas dran ist an dem, was unser Justizminister vorschlägt, und sich dem dann anschließt.

(Dr.Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Aber sehr spät!)

Meine Damen und Herren, das ist sehr spät. Frau Ypsilanti, Sie scheinen auch nicht begriffen zu haben, welche Gefahr uns aus diesen Lagern insgesamt droht.

Die Vorschläge, die Frau Zypries gemacht hat, sind nur halbherzig. Dort wird die Strafbarkeit vorgeschlagen, wenn am Ende die Tat bereits klar ist, die bevorsteht. Das ist natürlich unsinnig. Es ist ja ausreichend, dass es, wenn sich Menschen in diese Ausbildungslager hineinbegeben, ein strafwürdiger Vorgang ist, der in unserem Land bestraft werden muss. Die Ausbildung zur Kampfmaschine muss in Deutschland bestraft werden. Deswegen ist es richtig, dass wir hierfür ein Gesetz vorschlagen.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist es auch richtig, wenn unser Bundesinnenminister hingeht und die Bedrohungslage in unserem Land richtig einordnet. Es hilft den Menschen doch nicht, wenn wir ihnen vorgaukeln, dass wir in unserem Land völlige Sicherheit haben. Die Anschläge in Madrid, in London, aber auch gerade bei uns in Koblenz und Hamm, wo die Kofferbomber zum Glück gescheitert sind, sind – wenn wir uns an die Festnahmen gerade in diesem Monat erinnern – dann nur ein Zeugnis davon, dass wir ganz unmittelbar in unserem Land bedroht sind und darauf reagieren müssen.

Dazu dienen auch Online-Durchsuchungen. Ich halte das schon für eine ziemlich abenteuerliche Argumentation, die von Sozialdemokraten vorgetragen wird. Sie dürfen die Augen doch nicht davor verschließen, dass der Computer ein Tätermittel ist.

(Beifall bei der CDU)

Er bleibt dem Staat verschlossen, wenn wir ihn zu einem Freiraum erklären.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, der Staat darf nicht tatenlos zusehen, wenn Terroristen unsere Sicherheit gefährden. Dafür braucht der Staat hinreichend Werkzeug und einen hinreichenden Werkzeugkasten. Darum bemühen sich unter anderem Dr. Jung und Dr. Schäuble.Wir werden sie

dabei unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, lieber Kollege Beuth. – Das Wort hat der liebe Kollege Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion führt jederzeit eine Debatte zur inneren Sicherheit, die wir für notwendig erachten. Wir brauchen insbesondere von der CDU keine Nachhilfe bei dem Thema innere Sicherheit. Es war unser Bundesinnenminister Otto Schily, der nach dem 11. September entschlossen gehandelt und entsprechende Gesetzgebungsvorhaben in der rot-grünen Koalition auf den Weg gebracht hat. Es war nicht einfach. Es war ein schwieriger Prozess. Aber wir haben bewiesen, wir sind handlungsfähig.

(Beifall bei der SPD)

Der entscheidende Unterschied zu der CDU in Berlin und der entscheidende Unterschied zu Ihnen ist:Wir wollen eine Debatte, die frei von Panikmache und Verunsicherung der Menschen in diesem Land ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen vor allem eine Debatte, die sich am Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Wir als Sozialdemokraten wollen auf gar keinen Fall, dass Vorschläge der Herren Bundesminister Schäuble und Jung, die zu Rechts- und Verfassungsbruch aufrufen, Wirklichkeit in diesem Land werden.

(Beifall bei der SPD)

Zunächst einmal geht es um staatsrechtliche Fragen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2006 in seiner Entscheidung die Regelung im rot-grünen Sicherheitsgesetz gekippt,womit der Abschuss einer von Terroristen als Waffe missbrauchten Passagiermaschine ermöglicht werden sollte. Das Grundgesetz verbietet es, hilflose und unschuldige Menschen, die in einem Flugzeug von Terroristen entführt werden, abzuschießen und damit vorsätzlich zu töten.

Das ist die Verfassungslage. Wer aber nun glaubt, den zweifellos vorhandenen Sorgen hinsichtlich möglicher Bedrohung durch Terrorismus zu begegnen, indem Herr Bundesverteidigungsminister Dr.Jung Kriegsdefinitionen einführt, der führt uns und dieses Land in die Irre.

(Beifall bei der SPD – Petra Fuhrmann (SPD): Allerdings!)

Seit Monaten liegt der Vorschlag der SPD in Berlin auf dem Tisch, dort, wo die polizeilichen Mittel enden, in der Luft oder auf See militärische Mittel einzusetzen – nach der Zwölfmeilenzone oder in der Luft. Das ist der entscheidende Unterschied zur Diskussion, wie sie Dr. Jung führt. Dies muss klar im Rahmen unserer Verfassung sein. Da hat uns Karlsruhe etwas ins Stammbuch geschrieben. Dies müssen wir regeln, wenn es dort Regelungsbedarf gibt. Und wir sagen: Den gibt es.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich tue es ungern. Aber wenn ich mir anschaue, was der Bundesvorsitzende der FDP letzte Woche im Bundestag zu dem Thema Abschießen von Flugzeugen zu Herrn Jung gesagt hat:

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass... das Abschießen von unschuldigen Menschen in Passagiermaschinen... nicht zulässig ist,... weil es gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben verstößt.

Und er sagt, Dr. Jung hat keine Mehrheit im Bundestag für seine Position.

(Beifall bei der SPD)

Herr Jung und teilweise auch Herr Schäuble rufen zum Verfassungsbruch auf. Diesen Verfassungsbruch werden wir ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Herr Beuth meint – wie eben –, mit immer neuen falschen Argumenten Horrorszenarien über die Zeitungen oder das Fernsehen verbreiten zu müssen, polarisiert er und drückt in Wirklichkeit ein Gefühl der Ohnmacht aus. Das ist für einen demokratischen Rechtsstaat genau das falsche Signal.

Die Herren Jung und Schäuble sind aufgefordert, konkrete Gesetzentwürfe vorzulegen,die den Anforderungen unseres Rechtsstaats, aber auch dem Auftreten möglicher Bedrohungen gerecht werden.

Deswegen begrüßt die SPD-Landtagsfraktion das Vorgehen unserer Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die in einem konkreten Gesetzentwurf vorgeschlagen hat, die Ausbildung in einem sogenannten Terrorcamp auf rechtsstaatliche Weise unter Strafe zu stellen. Das war und ist die Position der gesamten SPD-Landtagsfraktion.

Sie können meinetwegen rabulistisch versuchen, etwas hinzudrehen.Das sind konkrete Vorschläge,die weiter gehen als die Verfahrensvorschläge Ihres Herrn Banzer.Das sind verfahrensrechtliche Regelungen, die sich auch auf das Ausländerrecht beziehen. Ja, wir wollen, dass der Rechtsstaat vor möglichen terroristischen Anschlägen geschützt wird. Deswegen ist der Gesetzentwurf von Frau Zypries der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD)

Hinsichtlich der ebenfalls zur Diskussion stehenden heimlichen Online-Durchsuchungen – die Regierung braucht das nicht; Herr Rhiel hat eben bewiesen, dass es auch ohne Online-Durchsuchung geht –

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

habe ich schon vor Monaten in diesem Landtag darauf hingewiesen, dass diese Untersuchungen notwendig sind. Aber sie müssen praktikabel und vor allem verfassungskonform sein. Darüber müssen wir reden.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dafür gibt es Mindeststandards rechtsstaatlicher Art, z. B. den Richtervorbehalt sowie die Anwendungseinschränkung auf schwerwiegende Straftaten. Dann ist es eben die Sache des Bundesinnenministers, konkrete Gesetzgebungsvorhaben durchzuführen, statt über die Zeitungen etwas zu machen.

Meine Damen und Herren, damit wird deutlich: Die SPD stellt sich den Herausforderungen durch terroristische

Bedrohungen. Wir werden all diese Maßnahmen sorgfältig abwägen und überprüfen müssen, ob der Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten mit einem tatsächlichen Mehr an Sicherheit einhergeht. Herr Beuth, ich gebe zu, dieser Abwägungsprozess ist nicht einfach. Er eignet sich auch nicht für populistische Debatten à la Schäuble und Jung.

Wir wollen alles Menschenmögliche tun, um unsere Gesellschaft vor Terrorismus zu schützen. Wir müssen aber auch erkennen: Rechtsstaatliches Handeln und bestmögliches Handeln sind ein und dieselbe Sache. Nur darauf kommt es am Ende an.Wenn unsere Bundesjustizministerin Zypries sagt,wir müssten bei der Bekämpfung des Terrorismus die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wahren, erklären wir: Das ist der richtige Weg.

Herr Kollege Rudolph, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wer meint, dieses Thema in den Landtagswahlkampf einbringen zu müssen, dem geht es nicht um die Sache. Wir Sozialdemokraten sind für die Bekämpfung des Terrorismus auf rechtsstaatlicher Grundlage. – Vielen Dank.