Wir fordern hier die Landesregierung auf – Entschuldigung, wir wollen es auch formal diskutieren, wenn wir über die Geschäftsordnung reden –, einen Antrag zurückzuziehen, den sie gar nicht gestellt hat. Das hat die Landesregierung eben gerade hier erklärt. Wir missbilligen eine Haltung der Landesregierung, die sie gar nicht eingenommen hat. Das wurde eben auch von der Landesregierung erklärt. Deswegen habe ich – sozusagen das Gentleman’s Agreement weiter verfolgend – die Brücke gebaut, der SPD zu empfehlen, ihren Antrag zurückzuziehen. Dann würden wir zur ganz normalen Tagesordnung übergehen und könnten in die Mittagspause gehen.
Herr Kollege Kaufmann, ansonsten müsste ich den Antrag auf Erledigterklärung aufrechterhalten, denn ich – und meine Fraktion ebenfalls – sehe mich außerstande, über ein Nullum, sprich: über etwas, was gar nicht da gewesen ist, meine Hand zu heben und eine Missbilligung abzulehnen, die gar nicht notwendig ist, weil die Regierung gar nicht so gehandelt hat. Das werden Sie doch sicherlich verstehen.
Erstens ist der Antrag für uns nicht erledigt. Denn wenn Sie in unserem Antrag einmal nachsehen, werden Sie feststellen,dass in seinem zweiten Absatz ganz klar steht,dass wir die Landesregierung auffordern, im Bundesrat dem zuzustimmen, was die Große Koalition in Berlin beschlossen hat.
Meine Damen und Herren, manch muntere Debatte kurz vor der Mittagspause erfordert einen Blick in die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags. In § 85 Abs. 4 heißt es:
Wird im Rahmen einer Abstimmung der Erledigterklärung von einer Fraktion widersprochen, muss über den Antrag abgestimmt werden.Dies gilt nicht für Anträge, bei denen die Landesregierung aufgefordert wird,im Landtag zu einem Thema einen Bericht abzugeben bzw. zu einem bestimmten Gegenstand Fragen zu beantworten.
Das ist hier nicht der Fall. Also lasse ich nun, wenn dem nicht widersprochen wird,über diesen Antrag abstimmen.
Meine Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung. Die getrennte Abstimmung nach beiden Ziffern ist gefordert. Wer dem Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Landesregierung blockiert tarifliche Löhne für Briefdienstleistungen – Zustimmung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes im Bundesrat gefordert, Drucks. 16/7866, Ziffer 1 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – CDU und FDP.
Wer der Ziffer 2 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – CDU und FDP.
Wir sind am Ende der für die Zeit vor der Mittagspause vereinbarten Tagesordnungspunkte angelangt. Ich schließe die Sitzung für die Mittagspause und möchte noch einmal auf die Einweihung unserer Innenhöfe hinweisen. Ich freue mich darauf, Sie um 14.15 Uhr hier wiederzusehen. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, das Präsidium ist vollzählig, damit kann ich jetzt die Fortsetzung der Plenarsitzung aufrufen.
Vierter Bericht des Petitionsausschusses betreffend Tätigkeit in der 16. Wahlperiode – Drucks. 16/7764 –
Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Behandlung von Petitionen am Ende der Wahlperiode – Drucks. 16/7742 –
Zunächst hat die langjährige Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Ilona Dörr, die zum letzten Mal hier einen Bericht erstatten wird, das Wort. Wir freuen uns darauf.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frau Präsidentin Wagner hat es ja gesagt,es wird heute mein letzter Bericht in der Funktion als Vorsitzende des Petitionsausschusses und der Härtefallkommission sein. Es wird aber wohl auch der letzte Bericht in meiner Funktion als Landtagsabgeordnete sein.
Es ist schade, dass so Wenige pünktlich zur Sitzung gekommen sind. Das, was ich Ihnen gerne sagen möchte, ist eigentlich für viele Ohren gedacht. Es ist auch ein Stück weit eine kleine Ermahnung an die Mitglieder des Parlaments, die Mitglieder des Petitionsausschusses und der Härtefallkommission viel stärker zu unterstützen und die Wertigkeit der Personen etwas mehr in der Öffentlichkeit herauszuheben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Einmal im Jahr können Sie die Stimme des Volks auch ohne Fahrt in den eigenen Wahlkreis vernehmen. Denn kaum ein Dokument spiegelt die Alltagssorgen der Bevölkerung so unverfälscht wieder wie der Bericht des Petitionsausschusses, in dem Anfragen der Bürgerinnen und Bürger aller Nationalitäten an Parlament und Regierung dargestellt werden.
Auch wenn nicht jeder Bitte und Beschwerde entsprochen werden konnte, so zeigt auch dieser Bericht wieder ein vielschichtiges Stimmungsbild und stellt uns Abgeordneten dar, wie Beschlüsse in der Lebenswirklichkeit ankommen und welche Defizite bestehen.
Aus einer Pressemeldung der „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 21.September zum Bericht meiner Kollegin,der Vorsitzenden des Petitionsausschusses auf Bundesebene, Frau Kersten Naumann, für das vergangene Jahr konnte ich ein gutes Zitat entnehmen.Sie sagte nämlich:„Der Petitionsausschuss ist der Seismograf des Volksempfindens.“
Ich glaube, dem können wir zustimmen, gerade wir Mitglieder des Petitionsausschusses. Wir spüren es immer wieder, wenn wir die Anliegen der Petenten beraten und eine Entscheidung herbeiführen müssen oder auch herbeiführen wollen.
Insgesamt wurde im Berichtszeitraum vom 05.04.2006 bis zum 05.04.2007 der Eingang von 1.372 Eingaben verzeichnet. 682 Petitionen wurden als offener Bestand übernommen. Im gleichen Zeitraum wurden 1.798 Petitionen entschieden.
Wir mussten leider 256 Petitionen in das laufende Jahr 2007 übernehmen und mit den Neueingängen vom jetzigen Tag haben wir einen Bestand von 611 Petitionen, die noch zur Entscheidung anstehen, und bis zum Ende der
Daher bitten wir die Kolleginnen und Kollegen, dem Antrag aller hier im Parlament vertretenen Fraktionen zuzustimmen. Dies ermöglicht den Mitgliedern des amtierenden Petitionsausschusses, über den Wahltag 27. Januar 2008 hinaus bis zum 4. April des kommenden Jahres weitere endgültige Entscheidungen im Namen des Landtags zu treffen, es sei denn, dass ein Mitglied des Ausschusses der Beschlussfassung widerspricht.
In Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen der Vorprüfungskommission habe ich auch schon für die Monate Februar und März 2008 vorsorglich Sitzungstermine anberaumt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, konnte eine große Anzahl an Überhängen abgearbeitet werden. Die nach wie vor ansehnliche Anzahl an Eingaben zeigt, dass der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags in der Bevölkerung einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt, und die Bürgerinnen und Bürger ein wachsendes Vertrauen in die Arbeit des Ausschusses haben. Der beste Beweis dafür stellte die Präsenz des Petitionsausschusses beim Hessentag in Hessisch Lichtenau im Jahre 2006 sowie in diesem Jahr in Butzbach dar. Die Mitglieder des Ausschusses, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsdienstes sowie der Geschäftsstelle der Härtefallkommission haben Flagge gezeigt und den Bürgerinnen und Bürgern erneut Rede und Antwort gestanden.
Die Einführung von Bürgersprechstunden sowie eine erhöhte Anzahl von Ortsterminen haben uns zwar zeitlich sehr in Anspruch genommen, aber sie haben uns auch geholfen, die Anliegen, die uns vorgetragen worden sind, besser beurteilen zu können. Diese Öffentlichkeit des Petitionsausschusses, die noch nicht lange praktiziert wird, ist meines Erachtens ein wesentlicher Faktor, um das teilweise vorhandene schlechte Meinungsbild von uns Parlamentariern ein Stück weit zu korrigieren und zu verbessern. Die Mitglieder des Petitionsausschusses können hier viel mehr als andere Abgeordnete überzeugend darlegen, dass sie als gewählte Volksvertreter für die Belange der Bürgerinnen und Bürger aktiv werden. Aber auch die stärkere Nutzung der elektronischen Medien hat unsere Arbeitsweise im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission sehr stark beeinflusst.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Meinungsumfrage während des Hessentags in Butzbach, die übrigens sehr positiv aufgenommen wurde, ergab, dass 92 % der Befragten die Durchführung der Bürgersprechstunde für sinnvoll halten; 85 % der Befragten hielten eine öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses zu bestimmten und vorher angekündigten Themen für wünschenswert. Damit diese Aktion keine Momentaufnahme bleibt, sollte die Umfrage auch bei den nächsten Hessentagen fortgeführt werden, erst dann können wir einen Vergleich und Veränderungen der Meinungen gegenüber den Vorjahren feststellen.
Darüber hinaus müssen im kommenden Jahr noch mehrere anstehende Fragen diskutiert werden, z. B. ob der Petitionsausschuss zukünftig auch ohne den Antrag eines Petenten Missstände aufgreifen soll. Die Einführung des sogenannten Selbstbefassungsrechts des Petitionsausschusses erscheint jedenfalls den Mitgliedern der Vorprüfungskommission erwägenswert. Andere Bundesländer haben damit offensichtlich schon gute Erfahrungen gemacht. Wir stehen in Hessen aber erst am Anfang dieses
Diskussionsprozesses und wollen beim Austausch über dieses Thema auch mit den Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene sprechen.
Wir werden uns auch darüber verständigen müssen, ob Petitionen online eingereicht werden können. In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass eine Stärkung des im Grundgesetz und in der hessischen Verfassung verankerten Petitionsrechts und damit einhergehend eine Stärkung des Petitionsausschusses erforderlich ist.Auch wenn die Beteiligung an den Wahlen auf allen Ebenen zurückgeht, ist nicht davon auszugehen, dass das politische Interesse der Bevölkerung nachlässt.Der Bürger möchte nach wie vor Einfluss auf die Gestaltung der Politik nehmen. Eine Möglichkeit stellt die Kontaktaufnahme mit dem Parlament dar, und zwar über die Einreichung einer Petition. Es ist unsere Pflicht, diesen Kontakt zum Bürger zu pflegen, Anregungen und Beschwerden ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen.
Bei einem kürzlich stattgefundenen Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen der Petitionsausschüsse aller Bundesländer haben wir festgestellt, dass der Petitionsausschuss eines Landes die Visitenkarte des Parlaments ist. Ich glaube, auch in Ihrem Namen, aber zumindest im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses sagen zu können, dass dies so ist.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren, 532 Petitionen konnten im Berichtszeitraum positiv oder teilweise positiv, also zugunsten der Petenten beschlossen, werden. 1.038 von – das habe ich bereits gesagt – 1.798 Petitionen wurden aus Sicht der Petenten negativ beschieden. Diese negativen Bescheide sind in diesem Falle positiv zu sehen, weil dadurch feststeht, dass die Verwaltungen auf den verschiedenen Ebenen nach Recht und Gesetz Entscheidungen treffen und umsetzen. Der Bürger beurteilt die Arbeit der öffentlichen Verwaltung durch das Einreichen einer Petition zwar kritisch, kann dann aber auch den Beweis in Händen halten, dass dieser Arbeit vertraut werden kann.
Wir alle wissen, dass Entscheidungen des Ausschusses nicht einem Gerichtsurteil gleichgesetzt werden können. Der Ausschuss kann nur Empfehlungen abgeben,die aber glücklicherweise oftmals dazu führen, dass Entscheidungen, Gesetze und Regeln überdacht werden, um gegenüber dem Allgemeinwohl verträglichere Lösungen zu finden. Wir, die Mitglieder des Petitionsausschusses, sehen darin die Aufgabe, alles nur erdenklich Mögliche für den oder die Petenten zu erreichen.
Die dem Bericht beigefügte Statistik zeigt,dass neben den Petitionen, die das Ausländerrecht oder sonstige Belange des Innenministeriums betreffen, mit einem Anteil von 53,09 % an den Eingaben auch Entscheidungen des Sozialministeriums mit 12,74 %, des Justizministeriums mit 11,30 % sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung mit 8,34 % mit Petitionen belegt werden.
Bleiberechtsregelungen, die sich an den Innenministerkonferenzbeschluss anlehnen, und weitergehende Altfallregelungen führten dazu, dass nahezu 200 Petitionen abgeschlossen werden konnten und dass in Kürze von den ca. 300 Petitionen, die noch anhängig sind, eine Vielzahl positiv erledigt werden können. Daher hat sich auch der Prozentsatz der Petitionen ausländischer Mitbürger von 53,79 % auf 46,19 % reduziert.
Ich danke heute noch unserem Innenminister, Herrn Staatsminister Volker Bouffier, dass er vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens einen Abschiebestopp für Personen, welchen nach dieser Regelung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden konnte, angeordnet hat.
So konnten – ich habe es bereits gesagt – bereits 200 Petitionen positiv beschieden werden; 300 Petitionen können noch beschieden werden, sodass diese Petenten oder Familien bei uns einen Aufenthaltsstatus erreichen konnten.
Im Bereich der Justiz war oft die Dauer von gerichtlichen Verfahren Inhalt von Petitionen.Die Petenten monierten, dass die Gerichtsverfahren zu lange dauern, sich oftmals über Jahre hinziehen würden. Im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung waren es Eingaben von Beschwerden über den öffentlichen Personennahverkehr, den Flughafenausbau sowie verkehrsrechtliche Probleme.
Im Bereich des Umweltministeriums waren es Beschwerden gegen die Errichtung von Windkraftanlagen. Im Bereich des Kultusministeriums ging es im Wesentlichen um die Ersatzschulfinanzierung; und im Bereich des Sozialministeriums ging es im Wesentlichen um Beschwerden in Bezug auf den Nichtraucherschutz sowie Verbot von Killerspielen. Es ging aber auch um Veränderungen in Bezug auf die Arbeitsmarktreform Hartz IV, die Übernahme von Kosten für die Sprachdienste von Gebärdendolmetschern sowie den für gehörlose Eltern von nicht hörbehinderten Kindern.
Sie sehen, das sind alles Themen, die wir als Parlamentarier in den vergangenen Monaten oder Jahren in dem einen oder anderen Antrag bzw. einer in der einen oder anderen Gesetzesvorlage im Parlament behandelt haben. Der Bürger beurteilt die Arbeit der öffentlichen Verwaltung kritisch – das habe ich bereits gesagt –,und er lässt sie immer öfter durch eine Petition überprüfen.