In der Brandenburg-Studie steht hierzu: „Eine sechsstreifige Autobahn könnte bei Tempo 130 km/h durch stetigen Verkehrsfluss pro Tag 14.400 Fahrzeuge mehr aufnehmen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau diesen Effekt machen sich im Rhein-Main-Gebiet die elektronischen Verkehrssteuerungsanlagen auf den Autobahnen zunutze.
Bei Staugefahr schalten sie auf 120 km/h um. Durch diese Maßnahme kommt es zu einem homogenen Verkehrsfluss. Das Auflaufen eines Staus soll verhindert werden.
Herr Minister Rhiel, wenn Sie von der Verkehrstelematik und ihrer Wirkungsweise überzeugt sind – ich bin das im Übrigen auch –, dann müssten Sie ebenfalls von der positiven Wirkung einer durchgehenden Homogenisierung des Verkehrsflusses für das gesamte hessische Autobahnnetz überzeugt sein, und zwar aufgrund eines Tempolimits von 130 km/h.Allein auf moderne Verkehrsleitsysteme zu setzen,die im Rhein-Main-Gebiet lediglich punktuell vorhanden sind, ist keine hinreichende Antwort darauf, wie mehr Sicherheit, weniger Staus sowie eine CO2-Reduzierung erreicht werden können.
Das ist vielmehr ein Grund dafür, Tempolimits einzuführen, statt den Menschen vorzugaukeln, Hessen wäre im Jahre 2015 staufrei. Sie nehmen lediglich über mehrere Jahre verteilt ein paar Millionen Euro in die Hand,um damit einige Tausend Autos mit Staumeldehandys auszustatten. Damit werden Sie Ihre vollmundige Ankündigung, Hessen werde im Jahr 2015 staufrei sein, nie und nimmer realisieren können. Ich muss allerdings einräumen, dass bereits durchaus ein kleiner Erfolg erzielt worden ist: Denn für Regierungsmitglieder gilt die Staufreiheit bereits, wie wir feststellen mussten.
Nun zum Thema Klimaschutz: Ein Tempolimit würde die Schadstoffemission reduzieren. Es würde den Kraftstoffverbrauch senken und somit Natur und Klima schonen; und es würde nicht zuletzt angesichts der explodierenden Kraftstoffpreise, die kaum noch zu verkraften sind, die Geldbörse vieler Autofahrer schonen.Diese Einsparungseffekte werden insbesondere von der Automobilindustrie bewusst heruntergespielt.
Nach den Untersuchungen des Umweltbundesamtes würde ein Tempolimit von 130 km/h zu einer Reduzierung von ca. 2,5 Millionen t CO2 pro Jahr führen. Das heißt, bis zum Jahre 2020 könnten allein durch dieses Tempolimit 30 Millionen t CO2 weniger ausgestoßen werden. Bei einer Einsparungsquote von 270 Millionen t, die Deutschland bis zum Jahre 2020 erbringen will, wäre das ein Anteil von immerhin 11 %. Die gesamte Emission aller Busse, die in Deutschland betrieben werden, könnte man damit beeinflussen. Der gesamte Busverkehr ließe sich rein rechnerisch mit der Menge CO2 abwickeln, die mit einem Tempolimit eingespart würde. In diesem Zusammenhang aber von einer CO2-Neutralität zu reden,ist eine bewusste Verniedlichung der Dinge. Zudem wurden diese Daten vor ca. 10 bis 15 Jahren ermittelt. Die Motorleistung sowie der Kraftstoffverbrauch sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, und daher ist eine neue Datenerfassung erforderlich.Alle Experten gehen von einem höheren Klimaeffekt aus, als bisher gedacht.
Ich bin Herrn Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sehr dankbar, dass er nun diese Erhebungen in Auftrag geben wird. Er hat im Übrigen auch kein Problem damit, ein Tempolimit von 130 km/h umzusetzen.
Meine Damen und Herren, neben dem Tempolimit will die SPD-Fraktion mit ihrem Gesamtpaket nachhaltig Mobilität gestalten, und sie will folgende Ziele erreichen: die Entwicklung neuer Antriebstechnologien, die stärkere Nutzung von Biokraftstoffen, die Umstellung der KfzSteuer auf Grundlage der Emissionen, die Weiterentwicklung der Lkw-Maut nach Emissionsklassen sowie nicht zuletzt den Einbezug des Flugverkehrs in den Emissionshandel.
Welche Auswirkungen hat das Tempolimit aber nun auf die deutsche Automobilindustrie? Herr Dr. Lübcke hat hierzu bereits seine Ausführungen gemacht. Es heißt immer wieder, die deutschen Autos der schnellen Premiumklasse könnten nicht mehr verkauft werden, und dies würde Tausende Arbeitsplätze kosten.
Ich halte diese Argumente geradezu für lächerlich. Der Absatz auf dem deutschen Automarkt stagniert seit Jahren. Dagegen gehen 60 % der hier hergestellten Pkw in den Export. Insbesondere die schnellen Oberklasse-Modelle sind Exportschlager. Diese Modelle werden ausschließlich an Länder verkauft, die ein Tempolimit haben. Demzufolge kann die Schnelligkeit eines Autos kein zentrales Verkaufsargument sein, da Geschwindigkeiten von 250 oder 280 km/h ohnehin nie ausgereizt werden können. Es sind also andere Gründe,die für deutsche Autos – übrigens auch im Inland – sprechen. Ihre Stärke sind nämlich vielmehr: Qualität, Stabilität, modernste Sicherheitstechnologie sowie Effizienz beim Verbrauch.
Meine Damen und Herren, wenn die deutsche Automobilindustrie auch zukünftig weltweit konkurrenzfähig sein will – wir wollen, dass sie das ist –, dann muss sie endlich die Zeichen der Zeit erkennen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einen abschließenden Satz:Wir stehen zur Automobilindustrie. Sie ist mit rund 150.000 Beschäftigten Hessens Schlüsselbranche. Wir fordern die Automobilindustrie auf: Nutzen Sie die Chance zu neuen,umweltverträglicheren Autos,die einen geringeren Schadstoffausstoß haben, denn dann werden sich diese Chancen auch auf die Beschäftigung auswirken können.Wir sind sehr zuversichtlich, dass dies mit der Anstrengung aller gelingen wird.Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit unserem Konzept auf dem richtigen Wege sind. Daher werden wir den Antrag der Fraktion der CDU ablehnen,und wir werden dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. – Vielen herzlichen Dank.
Es ist zwar selbstverständlich, dass jeder übertrieben schnelles Fahren missbilligt, doch sei das plumpe Mittel des Verbots entschieden zu missbilligen. Eine maximale Geschwindigkeit für die offene Straße festzusetzen, ist kaum zweckmäßig. Vielmehr müsste die Verkehrsdisziplin gesteigert werden und in die Gewohnheit der gesamten Bevölkerung übergehen.
Sie verhält sich wie immer:Wenn es mit dem Klimaschutz ernst wird,macht sich die CDU vom Acker und kneift – so auch heute beim Tempolimit.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Klimaschutz bedeutet eben nicht, dass Ihre Kanzlerin mit George W. Bush auf dessen Ranch bloß Jeep fährt. Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern Klimaschutz braucht konkrete Vereinbarungen, Ziele und Maßnahmen. Deshalb ist ein Tempolimit auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
Ich kann Ihrem Antrag aber auch etwas Positives abgewinnen, denn aufgrund dessen habe ich mir wieder – das habe ich seit Langem nicht mehr getan – einen schönen Titel der Neuen Deutschen Welle angehört. Das war der Titel von Markus, der aus Bad Camberg stammt, meinem Wahlkreis. Dieser lautet: „Ich will Spaß, ich geb Gas.“ Der Antrag der CDU-Fraktion hat mich an diesen Titel wirklich erinnert. Da heißt es für die hessische CDU-Fraktion richtungweisend: „Will nicht sparen, nicht vernünftig sein, es kommt nur das gute Super rein.“ Das ist in etwa das Niveau Ihrer klimapolitischen Vorschläge.
Was legt die CDU hier als Antrag vor? Ich lese den ersten Absatz vor. Ich finde, das muss einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden: „Der Landtag stellt fest, dass ein starres Tempolimit auf hessischen Autobahnen aus ökologischen, technologischen, gesamtwirtschaftlichen und sicherheitsrelevanten Gründen kontraproduktiv ist.“
Ich will Ihnen das begründen. Ich gehe auf den ökologischen Aspekt ein.Alle Schätzungen sind sich einig: Durch ein Tempolimit kann CO2 eingespart werden.
Die geringste Schätzung geht davon aus, dass mit einem solchen Tempolimit 2,5 Millionen t CO2 eingespart werden können.
Da sagen Sie, das sei vernachlässigbar. Ich weise Sie darauf hin: 2,5 Millionen t CO2 sind mehr, als wir in zwei Jahren mit dem energetischen Gebäudesanierungsprogramm der Bundesregierung erreicht haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): 170 Millionen t CO2 jedes Jahr! – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))
Da sagen Sie, das sei vernachlässigbar. Das energetische Gebäudesanierungsprogramm, so wichtig es ist, kostet Milliarden. Die Maßnahme mit dem Tempolimit würde so gut wie nichts kosten und hätte einen großen Effekt.
Was Sie hier vertreten – es gäbe keine ökologische Wirkung des Tempolimits –, das vertritt noch nicht einmal die deutsche Automobilindustrie,für die Sie hier glauben Partei ergreifen zu müssen. Man braucht nur auf volkswagen.de zu gehen und sich dort die Spritspartipps des Volkswagenkonzerns anzuschauen. Da lesen wir – für Sie erstaunlich, für alle anderen eine Binsenweisheit –: Auf Autobahnen an die Richtgeschwindigkeit halten. 130 km/h anstatt 150 km/h auf der Autobahn können durchschnittlich 2 l Spritersparnis auf 100 km bedeuten, bei 100 km/h sogar 4 l.
Kommen wir zu Ihrem Argument, dass das aus technologischer Sicht abzulehnen sei. Auch das ist völlig falsch, weil wir neben dem direkten Einspareffekt durch ein Tempolimit auch einen indirekten Effekt haben, und zwar auf technologischem Gebiet. Denn wenn wir in der Bundesrepublik wie alle anderen europäischen Länder auch endlich ein Tempolimit hätten, dann würden in unserem Land und von der deutschen Automobilindustrie andere Autos gebaut werden. Dann würden sparsamere Autos gebaut werden. Dann müsste ein Auto eben nicht mehr auf eine Höchstgeschwindigkeit von 220, 250 km/h ausgelegt sein, sondern auf andere Höchstgeschwindigkeiten.
Das hieße andere Autos.Das hieße bessere Autos,und vor allem hieße es Autos, die auf dem Weltmarkt nachgefragt würden, die der Weltmarkt haben will, weil es außer in der Bundesrepublik nahezu überall ein Tempolimit gibt, sodass wir mit solchen Autos einen technologischen Vorsprung hätten, zusätzliche Exportchancen und eine weitere CO2-Einsparung hätten. Ich weiß gar nicht, warum die Union gegen eine solche Maßnahme sein kann.