Protokoll der Sitzung vom 13.11.2007

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja!)

Was die Politik zurzeit fälschlicherweise macht und was wir kritisieren: Sie gibt keine Anstöße, sondern wirkt eher abstoßend. Wer sich in dieser Situation wie die Hessische Landesregierung für den Neubau des weltgrößten Kohlekraftwerksblocks mit 8 Millionen t CO2-Ausstoß jährlich einsetzt, der macht genau das Falsche. Das ist das Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen: nicht länger prüfen und schwadronieren, was es alles Schönes gibt, sondern endlich etwas tun. Deswegen diese Debatte, und deswegen müssen wir uns alle anstrengen, auch die, die immer noch viel zu zurückhaltend sind. Herr Milde, Sie haben auch Kinder. Sie gucken mich gerade so nett an.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sogar vier!)

Vier sogar. Spätestens für die wird es bitter notwendig, dass wir jetzt schnell damit anfangen, tatsächlich etwas umzusetzen, und nicht nur weiter darüber reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Heidel hat das Wort zur Erwiderung.

Herr Kollege Kaufmann, ich bin an einem Punkt bei Ihnen: Wir müssen etwas tun. Das habe ich in meinen Ausführungen deutlich gemacht. Ich habe aber nur wenige Punkte dazu vernommen, was getan werden muss. Wir können als Politiker nicht so tun, als könnten wir in den Feldern am Markt vorbei – auch da wird sich ein Markt entwickeln – etwas bewegen. Wir müssen zum einen den Markt beachten, und wir müssen zum anderen die Menschen mitnehmen.

Zweiter Punkt: Staudinger, Biblis. 90 % der hessischen Energie kommen aus diesen Kraftwerken.

(Norbert Schmitt (SPD): Zurzeit nicht!)

Ich wiederhole noch einmal, was die Kollegin Apel gesagt hat: eine Steigerung der Energieausbeute von 38 auf 46 %.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Was kann an Staudinger so schlecht sein, wenn das mit den Neubauten erreicht wird? Die Energieeffizienz wird gesteigert. Wir waren uns doch einig, dass Energieeffizienz an der Stelle ein wichtiger Faktor ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 3 Millionen t CO2 pro Jahr mehr, das ist schlecht! – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Dietzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kaufmann, ich will Ihnen ein bisschen Hoffnung machen. Zu Ihrer Aussage, das Jahr 2050 nicht mehr zu erreichen: Schauen Sie Herrn Kahl an, und schauen Sie mich an. Der Jahrgang 1948 ist zäh.Wir bemühen uns, das zu schaffen.

(Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klimaschutz ist in aller Munde, und das nicht erst seit dem Klimarat, und seitdem Al Gore den Friedensnobelpreis bekommen hat. Sie wissen auch, dass wir im Hessischen Landtag, zumindest seit ich dabei bin, achteinhalb Jahre, darüber diskutieren, zugegeben mit sich entwickelnden Meinungen. Ich würde das einmal so darstellen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja! Sie müssen nur schneller folgen!)

Herr Kaufmann, das war am Anfang ein bisschen anders. Ich denke, wenn man sich die Entwicklung ansieht, stellt man fest,dass die Einsichtigkeit in diesen achteinhalb Jahren durchaus gewachsen ist, und zwar in allen Fraktionen.

Meine Rede ist überschrieben mit: Klimaschutz – Herausforderung und Chance, Wettbewerb und Innovation. Das ist vielleicht eine etwas andere Sichtweise als das, was die GRÜNEN zumindest vom Grundsatz her mit ihren 53 Punkten beantragt haben,die sie im Antrag aufgelistet haben.Vor allem denke ich,dass die Industrieländer eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz haben und damit logischerweise auch Hessen. Sie müssen einerseits zur Vermeidung von Treibhausgasen beitragen, aber zum anderen auch den entwickelten Ländern oder den Entwicklungsländern beim Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung helfen und damit die Anpassung an den Klimawandel auf zweierlei Weise unterstützen.

Die Ziele des EU-Klimagipfels vom 8. und 9. März 2007 sind anspruchsvolle Ziele. Meine Damen und Herren, es hilft uns gar nicht weiter, wenn wir versuchen, uns gegenseitig zu überbieten, sondern wir sollten versuchen, diese Ziele zu erreichen. Ich nehme den Anstieg um 2º C als Beispiel. Einer der Vorredner hat schon gesagt, dass wir in Hessen bereits einen Anstieg um 0,9º C haben.Wir haben also nur noch einen Spielraum von 1,1º C. Ich denke, das sollte bei den Diskussionen und dem, was wir vorhaben, beachtet werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr richtig!)

Die Ziele sind: Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2020 um 20 % gegenüber 1990, Verringerung des Energieverbrauchs durch Effizienzsteigerung um 20 %, Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien auf 20 %

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wie wollen Sie das erreichen?)

und EU-weite Verdreifachung des Anteils von Bioenergie am Kraftstoffverbrauch. Ich glaube, dass das durchaus möglich ist. Auch die Kabinettsklausur der Bundesregierung in Meseberg hat mit ihren 29 Punkten grundsätzlich

die richtige Richtung vorgegeben. Denn auch da geht es um Energieeffizienz, es geht um Gebäudesanierung, es geht um erneuerbare Energien, um Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, und da vor allem auf technischem Gebiet. Ich denke dabei an Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, an die Abtrennung und Speicherung von CO2, was wohl noch einige Jahre dauern wird. All diese Dinge müssen verstärkt werden. Außerdem muss eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden:mit wie viel Geld dies am ehesten erreichbar ist.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns über Klimapolitik unterhalten, müssen wir auch unbequeme Wahrheiten ansprechen.

Erstens. Hessen ist keine Insel. Da möchte ich das aufgreifen, was Heinrich Heidel gesagt hat: Hessen hat etwa 0,2 % der gesamten Weltemissionen an CO2, Deutschland 3 %. – Wenn man all das sieht, meine ich, dass man das Klimaproblem nicht durch Nichtstun erledigen kann.

(Ursula Hammann und Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann tun Sie etwas!)

Wir wollen dabei sein.Wir haben in den letzten Jahren bewiesen und werden das in den nächsten Jahren weiter beweisen, dass wir dabei sein wollen, diese Dinge weiterzuentwickeln und das, was wir weiterentwickelt haben, Herr Kaufmann, auch anderen zur Verfügung stellen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann machen wir das! Die wenigen Wochen, die Sie noch haben, sollten Sie trotzdem nutzen!)

Meine Damen und Herren,bei der Diskussion über dieses Thema sollte nicht vergessen werden, dass 45 % der CO2Emissionen aus den USA,aus China und Indien kommen. Das bedeutet, dass wir uns mit denen über das Thema unterhalten müssen. Es sollte in diesem Bereich nicht nur Einzelkämpfer geben, sondern Mehrheiten in der Politik, um aktiv zu werden.

Zweitens. Wir müssen uns an den niedrigsten CO2-Vermeidungskosten orientieren. Ich denke, dass das eine der Voraussetzungen dafür ist, uns wirtschaftlich weiterentwickeln zu können.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir müssen uns an der maximalen CO2-Vermeidung orientieren und dann die Kosten minimieren!)

Das Klimaschutzkonzept Hessen 2012, das wir vorgestellt haben, gibt eine ganze Anzahl von Maßnahmen bekannt. Die Wirtschaft und die Verbraucher dürfen nicht in wirtschaftlich ruinöse Zwangssituationen getrieben werden. Auch dies muss beachtet werden. Deswegen meine ich, dass es sinnvoll ist, das nach vorne zu bringen, was am meisten hilft: Wärmedämmung, Brennwerttechnik, effizientere Motoren. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Gutachten, das McKinsey vor etwa zwei Jahren erstellt hat, das 300 Einzelmaßnahmen untersucht, vor allem Effizienzmaßnahmen, Kraftwerksmodernisierungen. Es kommt zu der Ansicht, dass, wenn der CO2-Handel mit eingespeist wird, bis zu 26 % CO2-Minderung erreicht werden können. Deswegen meine ich, dass wir uns unbedingt mit diesem Thema beschäftigen müssen. Das wollen wir auch.

Drittens. Meine Damen und Herren, wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass ein gleich

zeitiger Ausstieg aus der Kohle- und Kernenergieproduktion eine blanke Illusion ist, wenn wir die genannten CO2Werte erreichen wollen. Das sind 73 % der gesamten deutschen Stromerzeugung, davon 28 % aus Kernenergie und 45 % aus Stein- und Braunkohle. Ich weiß auch, wie die Diskussion gelaufen ist, wie sie heute Morgen an einem ähnlichen Tagesordnungspunkt gelaufen ist.Aber ich denke, dass wir in den nächsten Jahren weiterhin eine sichere Kernenergienutzung als eines unserer Ziele haben werden. Dies haben wir in den letzten Jahren bewiesen. Ich denke, dass wir die Begrenzung der Treibhausgase aus fossiler Kohle auch durch die Deckelung der Energieerzeugung auf 453 Millionen t CO2 für 2008 bis 2012 erreichen können. Ich denke auch, dass die Kernenergie den Zeitraum überbrückt, bis CO2-freie oder -schwache Techniken marktgängig geworden sind. Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung unterstützt auch das, was die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat: eine Aktivierung von Klimapotenzialen. Von 2006 bis 2009 sollen hier 15 Milliarden c in neue Technologien investiert werden. 17 Hightechsektoren werden in den Bereichen unterstützt.Ich glaube,dass das richtig und gut ist.

Meine Damen und Herren, sehen wir uns die hessischen Klimainitiativen der letzten Jahre an, die wir auch fortführen wollen: einen optimierten Energiemix, sichere und friedliche Nutzung der Kernenergie, rationelle Energieanwendung, Sicherung von regenerativen Energiequellen und vor allem auch marktwirtschaftliche Instrumente wie den internationalen Emissionshandel.

Das Klimaschutzkonzept, das wir im März dieses Jahres vorgestellt haben, ruht auf drei Säulen:Anpassung an den Klimawandel, CO2-Vermeidung durch Innovation und

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Grüne Energie!)

internationaler Emissionshandel. 55 auf Landesebene durchsetzbare Maßnahmen haben wir vorgeschlagen.Wir haben dort auch ein konkretes Ausbauziel genannt. Bis zum Jahr 2015 sollen 15 % der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Biblis steht seit über einem Jahr still!)

Außerdem sollen Gebäudeenergieeffizienz und moderne Technologien für einen verbesserten Klimaschutz angewandt werden.

Vor allem geht es aber auch um regionale Anpassungsmaßnahmen und regionale Wertschöpfung, die hier ein Thema sind.Wir werden dies noch weiter nach vorne treiben.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns über Klimaveränderungen unterhalten, so müssen wir feststellen: Hessen ist heute schon durch den Klimawandel betroffen. Ich denke nur an die Sturmschäden durch Kyrill oder die Hochwasserereignisse an Lahn und Dill vor etwa einem Jahr, die uns das bewiesen haben. Sicherlich müssen wir in diesem Bereich weitergehen. Wir haben das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie beauftragt, hier weiter aktiv zu sein,sodass insgesamt neun weitere Untersuchungen durchgeführt wurden zu Auswirkungen der Klimafolgen und entsprechenden Reaktionen auf Land-, Wasser- und Forstwirtschaft.

Meine Damen und Herren, wer einen zukunftsfähigen Klimaschutz betreiben will, muss es auch mit modernster Kohletechnologie tun. Man darf sich dieser modernen

Kohletechnologie nicht verweigern. Hier meine ich die Steigerung der Wirkungsgrade und die Möglichkeit, alte Anlagen abzuschalten. Ich denke, dass das einer der Erfolge des Emissionshandels ist; denn die Gesamtemissionen wurden gedeckelt.Von daher gehe ich davon aus,dass sich nur die wettbewerbsfähigsten Energieanlagen am Markt halten werden.

Sicher brauchen wir zur energetischen und stofflichen Biomasse eine Strategie.Wir haben sie veröffentlicht, vor allem zur regionalen Wertschöpfung, wie ich es gerade schon angedeutet habe: Feststoffe aus der Forstwirtschaft, vor allem zur Wärmenutzung, Biogas zur Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung, lokale Nahwärmenetze und biogene Kraftstoffe für Mobilitätszwecke.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir hier noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen sind und bei der Förderung von Biomassenutzung folgende Kriterien zugrunde legen müssen: Vorhandensein effizienter Technik und vor allem – das war vorhin ein Thema – ausreichende Rohstoffpotenziale, die vorhanden sein müssen. Ich gehe davon aus, dass die zweite Generation in wenigen Jahren so weit sein wird, dass von einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche wesentlich mehr heruntergeholt werden kann. Zu diesem Zweck gibt es seit vorigem Jahr einen Forschungsauftrag von VW Niedersachen, Brandenburg und Hessen. BtL, also Kraftstoff aus Biomasse, soll uns ermöglichen, 5.000 l Rapsöl pro Hektar zu ernten statt heute 1.500 l. Das ist die nächste Generation.