Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Wie der Justizminister angesichts dieser Zahlen darauf kommt, dass die hessische Justiz nach diesem personalen Raubbau gut aufgestellt sei, kann ebenso wenig nachvollzogen werden wie die Aussage des Ministers, dass die Sicherung und der Ausbau der Leistungsfähigkeit der Justiz ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung seien.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bereits vor etlichen Monaten ein Haus des Jugendrechts in Hessen beantragt. Dies hat meine Kollegin, die rechtspolitische Sprecherin Heike Hofmann, hier begründet. Die Koordination aller am Jugendstrafverfahren beteiligten Stellen – Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und das Jugendamt – unter einem Dach optimiert die Verfahrensabläufe und führt dazu, dass zügig und nachhaltig auf die jungen Straftäter eingewirkt werden kann. Das sehen Sie ebenso.

Das Haus des Jugendrechts ist ein wichtiger Baustein der Kriminalitätsprävention. Wir werden wohl einen gemeinsamen Antrag hier zustande bringen. Wir haben bereits gute Erfahrungen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Wir haben aber jetzt Butter bei die Fische gegeben und beantragen dafür eine zusätzliche Staatsanwaltsstelle und haben die Mietkosten für die entsprechenden Büroräume in den Haushalt eingestellt. Wir fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen, wenn Sie es mit dem Haus des Jugendrechts wirklich ernst meinen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die SPD spricht den Rechtspflegern in Hessen eine hohe Anerkennung für ihre Arbeit aus. Wir unterstützen die Landesregierung – das haben wir mit dem Antrag auch bewiesen – in dem Bestreben, weitere richterliche Aufgaben auf die Rechtspfleger zu übertragen.Allerdings wollen wir eine vernünftige personelle Ausstattung bei den Rechtspflegern und keine weitere Taskforce. Damit können keine langfristigen Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und die gerichtlichen Abläufe bekommen keine Kontinuität. Dies beeinträchtigt die Verlässlichkeit für den rechtsuchenden Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Sie können nicht mit der „Operation düstere Zukunft“ zunächst alles kürzen und den Bediensteten mit der neuen Verwaltungssteuerung mehr Belastungen und Aufgaben übertragen, Jahre später aber feststellen, dass dies alles nicht gehe.

Meine Damen und Herren,wir haben Ihnen gleich gesagt, dass es so nicht funktioniert. Die Justiz verwirklicht das Rechtsstaatprinzip und ist gänzlich ungeeignet, zum fiskalischen Spielball zu werden. Deshalb fordern wir Sie auf, eine verlässliche und zukunftsweisende Justizpolitik zu machen, indem Sie an hessischen Gerichten für eine ausreichende Personalausstattung sorgen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang lehnen wir auch eine Auslagerung der Grundbuchgerichte zu den Bodenmanagementbehörden ab. Das ist ein Modell, das die Hessische Landesregierung in den letzten Jahren immer wieder vorangetrieben hat; und sie hat dies bis heute nicht aufgegeben. Das hat die Rechtspfleger ebenso massiv bedroht wie Ihre Pläne, das Gerichtsvollzieherwesen zu privatisieren.

Jetzt aber in Ihrem Antrag plötzlich so zu tun, als wollten Sie die Rechtspfleger retten, das ist unredlich.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufgaben der gerichtlichen Rechtspflege dürfen weder an andere staatliche Institutionen übertragen noch privatisiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt für die Bewährungshilfe.Auch hier haben Sie im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ massiv gekürzt. Die Bewährungshelfer leisten eine wertvolle Arbeit, weil sie dafür sorgen, dass die Straftäter wieder in die Gesellschaft integriert werden. Das sorgt für einen effektiven Schutz der Bevölkerung. Dennoch haben Sie bereits im Haushaltsausschuss die von uns vorgeschlagene Aufstockung des Personals abgelehnt. Wir fordern Sie heute auf, dies anders zu entscheiden.

Wir haben beantragt, den Vermerk zur flächendeckenden Einführung der elektronischen Fußfessel zu streichen, weil wir zunächst eine Evaluierung durchführen wollen, die offenlegt, ob und wie erfolgreich dieses Projekt überhaupt gewesen ist. Dabei wird insbesondere die Kostenfrage zu stellen sein, die Sie uns bis heute nicht beantwortet haben, obwohl es dazu angeblich schon Zahlen gibt. Vor diesem Hintergrund wollen wir die zusätzliche Stelle in der Bewährungshilfe, die von Ihnen aufgeführt wurde, mit den ursprünglichen Aufgaben der Bewährungshilfe betrauen. Denn Bewährungshelfer leisten eine wertvolle Arbeit und sind personell unterbesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten vier Jahren in diesem Hause viel über den Strafvollzug gestritten. Der Strafvollzug gehört zu den weitestreichenden Eingriffen in die Grundrechte des Einzelnen. Deshalb darf der Staat diese Aufgabe auch keinem privaten Dritten übergeben und muss besondere Sorgfalt walten lassen.Wir benötigen einen nachhaltigen und konsequenten Strafvollzug. Nur der Straftäter, der wieder erfolgreich in die Gesellschaft integriert werden kann, gewährleistet den Schutz der Bevölkerung.

(Beifall bei der SPD)

Durch den massiven Personalabbau im Strafvollzug gefährden Sie aber die innere und äußere Sicherheit im Vollzug. Das merkt man zum einen an einer massiven Zunahme besonderer Vorkommnisse im Strafvollzug, aber auch an einer extrem hohen Rückfallquote. Um dem zu begegnen, bedarf es im Erwachsenenstrafvollzug einer angemessenen personellen Ausstattung sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst als auch in den Fachdiensten. Das haben wir in unseren Haushaltsanträgen berücksichtigt.

Auch im Jugendstrafvollzug bedarf es im allgemeinen Vollzugsdienst einer besseren personellen Ausstattung. Herr Justizminister, wir begrüßen die Stellenaufstockung bei den Sozialarbeitern ausdrücklich.Es sind 26 neue Stellen geschaffen worden. Dennoch leistet der allgemeine Vollzugsdienst gerade in den Abendstunden und an den Wochenenden eine wertvolle Betreuung. Zu diesen Zeiten müssen wir die Gefangenen besser betreuen, weil sie mit ihrer Freizeit nicht umgehen können und auf dumme Gedanken kommen. Deshalb bedarf es gerade während dieser Randstunden einer intensiven Betreuung der Gefangenen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Faeser, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die zehn Minuten Redezeit um sind.

Ich komme zum Schluss. – Angesichts einer Rückfallquote von 80 % und einer extrem hohen Gewaltbereitschaft im Jugendstrafvollzug muss es diese personelle Verstärkung geben, jedoch nicht mit repressiven Maßnahmen, so wie Sie dies tun wollen.

Sie haben in diesem Zusammenhang beantragt, Videoüberwachungskameras zu installieren. Herr Minister, jeder Experte in Sachen Strafvollzug sagt Ihnen, dass dies das falsche Mittel ist. Hören Sie damit auf. Streichen Sie die zusätzlichen Mittel, die Sie hierfür im Haushalt eingeplant haben. Folgen Sie unserem Weg, um diese hohe Rückfallquote zu senken. Wir werden dies im nächsten Jahr umsetzen. – Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat nun Herr Kollege Beuth für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Faeser, lassen Sie mich an dem letzten Punkt, den Sie hier vorgetragen haben, anknüpfen und damit den Strafvollzug kurz in den Fokus nehmen.

Sie haben uns soeben zugerufen: „Folgen Sie unserem Weg!“ Frau Kollegin Faeser, ich kann Ihnen ganz sicher sagen, dass wir Ihrem Weg nicht folgen werden. Wir werden Ihrem Weg nicht folgen. Denn das, was wir von Ihnen bzw. Ihren Vorgängern im Jahre 1999 übernommen haben, hat uns eindeutig einen großen Aufwand bereitet; und es hat uns auch sehr viel Geld gekostet,das wieder auf die Reihe zu bringen, was wir damals vorgefunden haben. Wir haben in den Strafvollzugsanstalten die Privilegien von Straftätern, beispielsweise Hafturlaube und Ausgänge, halbieren müssen. Wir haben eine Überbelegung vorgefunden, die Sie dort hinterlassen haben und die fast menschenrechtswidrig war.

(Zuruf von der SPD:Was für ein Unfug!)

Das haben wir in den vergangenen Jahren verändern müssen.Wir haben in Hünfeld eine teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt mit 502 Haftplätzen bauen müssen, damit wir in den Justizvollzugsanstalten in Hessen überhaupt wieder vernünftige Zustände haben herstellen können.

Lassen Sie mich auf die „besonderen Vorkommnisse“, die Sie gerade genannt haben und die sich ausgebreitet hätten, zu sprechen kommen: Das ist der Gipfel der Frechheit. – Ich möchte Ihnen an dieser Stelle vortragen, wie viele Fluchtversuche es durchschnittlich pro Jahr von 1991 bis 1994 gegeben hat. Frau Kollegin Faeser, das war die Regierungszeit Ihrer Fraktion, und es gab im Durchschnitt 66 Fluchtversuche pro Jahr.

In den Jahren von 1995 bis 1999 waren es im Durchschnitt fast 42 Fluchtversuche pro Jahr. Von 1999 bis zum Jahre 2003 – da haben wir die Verantwortung gehabt, wir haben dafür gesorgt, dass in den Justizvollzugsanstalten vernünftige Zustände erreicht worden sind – hatten wir lediglich Fluchtvorgänge in der Größenordnung von 11,6 Fluchtversuchen pro Jahr.

In dieser Wahlperiode, während derer wir die alleinige Verantwortung hatten, ist es uns mit Herrn Dr. Christean Wagner und Herrn Banzer gelungen, die Fluchtvorgänge auf zwei Vorgänge pro Jahr zu begrenzen. Das ist eine Bilanz, über die wir reden können.Aber lassen Sie uns nicht mehr zu dem zurückgehen, was Sie uns 1999 hinterlassen haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte weiterhin an den Redebeitrag von Frau Kollegin Faeser anknüpfen, die zwar frech im Vortrag, aber dann doch an der Sache vorbei geredet hat, indem ich etwas zu dem Verfahren sage, das sie hervorgehoben hat. Ich finde es ziemlich unerträglich, dass Sie ein Ermittlungsverfahren zitieren, während dessen nachgewiesenermaßen ein Staatsanwalt verstorben ist. Das finde ich wirklich unverschämt.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich aber, nachdem ich dies klargestellt habe, noch einmal den Haushalt insgesamt beleuchten.Wir wollen in unserem Land schnell und effizient Rechtsfrieden herstellen. Ich glaube, dass uns dies ganz gut gelungen ist, weil wir uns in Bezug auf die Verfahrenszeiten durchaus sehen lassen können. Die Stellenberechnungen, die Sie uns vorgehalten haben, bringen in der Sache nunmehr überhaupt nichts. Denn wir haben in den Jahren 2007 und 2008 mit anderen Arbeitszeiten umzugehen.

Wir haben vor allen Dingen das gemacht, was Sie bis zum Jahre 1999 völlig versäumt hatten.Wir haben nämlich die Justiz in Hessen völlig auf den Kopf gestellt.Wir haben sie modernisiert. Liebe Frau Kollegin, diese Effizienzgewinne müssen Sie in Ihre Berechnungen einbeziehen. Das haben Sie nicht gemacht, daher sage ich Ihnen: Schade, das war leider am Thema vorbei.

(Nancy Faeser (SPD): Na, na!)

Ich glaube, dass wir bei dem, was wir Ihnen im Rahmen dieses Haushalts vorschlagen, gut aufgestellt sind. Das ist im Besonderen bei der Opferhilfe der Fall, weil wir uns mit besonderer Zuwendung den Menschen widmen, die das besondere Leid einer Straftat haben ertragen müssen. Das ist in diesem Haushalt vorgesehen.

Wir sorgen uns nicht nur bei der Polizei und im Innern um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch beim Strafvollzug. Diesem Ziel dienen natürlich die 23 neuen Bewährungshelferstellen, die wir für das Sicherheitsmanagement und die konzentrierte Führungsaufsicht vorgesehen haben. Eine besondere Betreuung sowie Überwachung ermöglichen am Ende mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, sodass ich der Meinung bin, dass dies ein guter Weg ist,den Herr Justizminister Banzer einschlagen hat.

Der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dient am Ende natürlich auch die Erweiterung der psychiatrischen Betreuung in der JVA Weiterstadt.Wir können in diesem Zusammenhang feststellen, dass wir aufgrund der Klientel, die wir in den Justizvollzugsanstalten haben, einen Nachholbedarf haben, dem wir nunmehr nachkommen.

Wir sind aber auch für die flächendeckende Ausdehnung der elektronischen Fußfessel. Mit diesem Haushalt werden wir dies erreichen. Darüber hinaus – auch Sie haben das angesprochen – haben wir ein Jugendstrafvollzugsgesetz beschlossen – –

Herr Kollege Beuth, die fünf Minuten Redezeit sind um.

Ich komme sofort zum Schluss. – Wir haben ein Jugendstrafvollzugsgesetz beschlossen, dem wir, was die Inhalte angeht, folgen, indem wir weitere Stellen bereitstellen.

Frau Kollegin, lassen Sie mich noch in einem letzten Satz mit einer Mär aufräumen, die diesen Antrag betrifft und die besagt, dass wir erst jetzt die Rechtspfleger entdeckt hätten. Das ist natürlich nicht so.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können so viel reden, wie Sie wollen! Es hört sowieso keiner mehr zu!)

Wenn Sie beim Rechtspflegertag dabei gewesen wären, dann hätten Sie Herrn Fischer gehört, der gesagt hat, dass sich aufgrund des Modernisierungsprozesses die Wünsche der Rechtspfleger ein bisschen zurückhaltend gestalten würden, was die Übernahme weiterer Aufgaben angehe. Das wurde dort wortwörtlich gesagt, und daher wäre es klug, wenn Sie bei der Wahrheit blieben.

Wir sind mit Herrn Minister Banzer gut aufgestellt, was die Justizpolitik anbelangt.