Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Ich hoffe, diese beiden Fragen stellen sich auch Herr Kollege Wintermeyer und der Generalsekretär der CDU Hessen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr sollt einmal zuhören!)

Die erste Frage lautet: Sind mit dem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2008 – er ist Gegenstand der heutigen Debatte – die Weichen für eine Umkehr gestellt?

Die zweite Frage lautet: Was muss geschehen, damit die Politik nicht aus Angst und Ideenlosigkeit mit der Selbstbedienung aus den Taschen unserer Kinder und Enkel weitermacht? – Das sind die beiden Fragen, an denen wir den Haushaltsplanentwurf zu messen haben.

(Beifall bei der FDP)

Zunächst einmal: Es stimmt, die Nettoneuverschuldung wird im Jahre 2008 „nur noch“ 547,7 Millionen c betragen. – Das Dumme daran ist: Das sind 547,7 Millionen c zu viel.

(Beifall bei der FDP)

Unter dem Protest des Finanzministers habe ich das schon einmal gesagt. Bedauerlicherweise muss ich das aber heute wiederholen. Weder die Mitglieder der Fraktionen der CDU noch der SPD, noch der GRÜNEN haben die Zeichen der Zeit verstanden. Ich will das anhand einiger Änderungsanträge belegen, die zum Haushaltsplanentwurf eingereicht wurden.

Ich möchte das zunächst für die CDU-Fraktion belegen. Im Einzelplan 15 beantragt die CDU-Fraktion, die Leistungstransfers, also den Aufwand, um 30.000 c zu erhöhen. Als Begründung gibt es eine etwas gewundene Erklärung. Im Kern geht es wohl darum, dass das Projekt „Theater und Schule“ fortgeführt oder ausgebaut werden soll. Das ist sicherlich ein gutes Projekt. Das ist gar keine Frage. Das Geld ist gut angelegt. Nur frage ich mich, ob es nicht bei einer Gesamtsumme der Leistungstransfers in diesen Bereich von 41,3 Millionen c möglich sein müsste, eine Summe von 30.000 c umzuschichten.

(Beifall der Abg. Jörg-Uwe Hahn und Nicola Beer (FDP))

Das zweite Beispiel betrifft den Einzelplan 09. Das ist der Einzelplan des Umweltministeriums. Hier geht es darum, dass ein zusätzlicher Betrag von 20.000 c mit dem Argument eingeplant werden soll, die Verbraucher müssten verstärkt darüber aufgeklärt werden, wie sie ihren Stromanbieter auswählen sollen. Das ist sicherlich ein guter Zweck. Aber es sind bereits 86,2 Millionen c als Leistungstransfers vorgesehen. Da fragen wir uns: Ist es angesichts von 86,2 Millionen c nicht möglich, 20.000 c umzuwidmen? Das muss doch, verdammt noch einmal, gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Das ist es, was ich meine, wenn ich sage: Das ist die Angst des Politikers vor dem Wähler. Er hat einfach Angst, irgendeine Position infrage zu stellen,weil irgendein Wähler sagen könnte: Sorry, das hätte mir gutgetan.

Das macht mir Sorge.Wenn die Politik nicht den Mut besitzt, Mittel für eine Position in Höhe von 20.000 c umzuschichten, wie soll sie es dann schaffen, ein strukturelles Defizit in Höhe von 1 bis 1,5 Milliarden c im Haushalt zu beseitigen? Verglichen mit den 20.000 c ist diese Aufgabe unlösbar groß. Da muss ich mich dann schon fragen:Wird die Politik das schaffen können?

Herr Kollege Kaufmann, ich will aber auch gern auf die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen. Sie haben gesagt, Ihre Änderungsanträge würden dazu beitragen, die Einnahmen zu steigern. Diese Einnahmensteigerungen sind aber leider nur virtueller Natur. Ein Änderungsantrag Ihrer Fraktion sieht Steuermehreinnahmen von 175 Millionen c vor.

Erstens unterstellen Sie, dass der Umsatzsteuerbetrug wirksam bekämpft werden kann. Das soll dann auch zum 1. Januar 2008 losgehen. Zweitens müssen Steuerprüfer erstens vorhanden und zweitens ausgebildet sein.Drittens müssen sie zum 1. Januar 2008 bereits zur Verfügung stehen. Viertens muss das dazu führen, dass es zu Mehreinnahmen in Höhe von 35 Millionen c kommt.

Das ist keine seriöse Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP)

Wir hätten als FDP-Fraktion Dutzende solcher Änderungsanträge stellen können.Wir haben es Gott sei Dank nicht getan.

Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der die Einnahmen erhöhenden Maßnahme, die die GRÜNEN und die SPD unter dem Stichwort Grundwasserabgabe oder Gewässerschutzabgabe einplanen. Es ist ziemlich egal, wie man das nennt.

Wenn man schon keinen Mut hat, eine Prioritätenentscheidung zu treffen, obwohl man feststellt, das Geld reicht nicht aus, und auch keinen Mut hat, die Schulden zu vermehren, dann greift man zum Notnagel und sucht eine neue Einnahmequelle. Das ist der einfachste, aber auch der schlechteste Weg, weil man damit neue Begehrlichkeiten weckt und das Problem nicht löst.

Meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, wenn es zutrifft, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sind, dann kann die Lösung nicht darin bestehen, diese Steuern schon heute zu verlangen, sondern dann muss die Lösung darin bestehen, eine wirkliche Haushaltssanierung durchzuführen und die Ausgaben real – nicht virtuell und auch nicht nur prozentual – zu senken. Das ist die einzige Möglichkeit, die zu Nachhaltigkeit führen kann.

(Beifall bei der FDP)

Angesichts dieser Schwierigkeiten frage ich mich natürlich: Müssen wir uns als Realpolitiker damit zufriedengeben, dass ohnehin nichts zu ändern ist? – Es sieht ganz so aus. Dann könnten wir die ganze Politik und uns selbst aufgeben. Das sollten wir aber nicht tun.Wenn die Bürger nicht einsehen, dass ihnen mittelfristig mehr damit geholfen ist, weniger Steuern zu zahlen und weniger Schulden tilgen zu müssen, als kurzfristig eine Einnahme zu haben, dann ist es die Pflicht der Politik,ihnen das klarzumachen. Dann haben wir eine Kommunikationsaufgabe zu lösen und dürfen davor nicht kapitulieren.

(Beifall bei der FDP)

Die Bertelsmann-Stiftung hat ein Symposion unter dem Titel „Langfristige Nachhaltigkeit der Fiskalpolitik in Deutschland“ abgehalten. Der Titel ist eigentlich in englischer Sprache abgefasst, aber ich möchte ihn mit Rücksicht auf die Zuhörerinnen und Zuhörer auf Deutsch wiedergeben. In der Dokumentation über dieses Symposion wird dargestellt, mit welchen Mitteln Unternehmen saniert werden. Da die Sanierung eines Unternehmens der Sanierung des Konzerns Hessen nicht unvergleichbar ist, müssen wir uns einmal anschauen, wie ein Unternehmen saniert wird.

Hierfür gelten fünf Punkte. Erstens muss eine Transparenz der Realität hergestellt werden. Wir müssen wissen, worum es überhaupt geht, wie die Lage wirklich ist. Zweitens ist ein klares Ziel zu formulieren. Drittens müssen wenige Prioritäten gesetzt und konstant verfolgt werden. Viertens brauchen wir Fortschrittsindikatoren. Fünftens: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.

(Beifall bei der FDP)

Ich erspare es mir, das am Beispiel des hessischen Landeshaushalts und der Finanzpolitik durchzudeklinieren. Ich meine aber, dass alle diese Punkte wichtige Aufgaben wären, die die Landespolitik zu erledigen hätte.

Damit es nicht ganz so düster aussieht,müssen wir uns fragen, ob es ein Bundesland gibt, das uns als Vorbild dienen könnte. Ich zögere fast, ein Beispiel zu nennen, Herr Mi

nister Hoff, denn das Beispiel heißt Sachsen. Ich weiß, dass Sachsen im Länderfinanzausgleich ein Empfängerland ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Sachsen-LB? – Weitere Zurufe von der CDU und von der SPD)

Die Sachsen-LB ist ein anderes Kapitel, Herr Kollege Schmitt. Ich meine den sächsischen Landeshaushalt. – Sachsen hat die Weichen dafür gestellt, zu dem Zeitpunkt, zu dem das Geld des Bundes nicht mehr fließt, eine vernünftige Politik weiterführen zu können. Was wir von Sachsen lernen können, ist nicht, wie man eine Landesbank führt – da gebe ich Ihnen recht –, sondern wie Haushalte aufgestellt werden sollten, nämlich nicht mehr nach der Additionsmethode.

Die Additionsmethode bedeutet, jeder einzelne Bereich erstellt seinen Haushaltsvoranschlag,man addiert alles und schaut, was dabei herauskommt. Kommt zu viel heraus, dann wird gekürzt und der Rest über Schulden finanziert.

Anders ist es in Sachsen – zumindest vorgeblich –: Hier wird nach der Subtraktionsmethode gearbeitet.Das heißt, man definiert zunächst das Ergebnis, nämlich die Fremdfinanzierungsquote, und geht von diesem Ergebnis aus. Man sagt: „Das können wir uns leisten“, und stellt erst dann den Haushalt auf. Das ist, Sachsen hin, Sachsen her, Milbradt hin, Milbradt her, eine gute Methode, die sicherlich geeignet wäre, hier weiterzukommen. Wir habe doch gelernt, dass wir mit dem Überrollen von Haushaltsansätzen nicht erfolgreich sind. Das müssen wir konstatieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich fasse zusammen. Wir wissen, dass die Finanzpolitik nicht im alten Trott fortgeführt werden darf. Das ist keine Feststellung, die allein auf eine bestimmte Partei oder Regierung bezogen ist – auch nicht allein auf die jetzige –, und wir wissen, dass es anders geht. Wenn wir diese Feststellungen getroffen haben, dann müssen wir es künftig anders machen.Alles andere wäre unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben nicht das Recht, uns darauf zu verlassen, dass bessere Zeiten kommen werden. Das aber ist der Kern der gesamten Finanzplanung, die hier vorgelegt worden ist. Weil im Wesentlichen auf bessere Zeiten spekuliert wird und weil das Steuerungssystem in Hessen nicht umgestellt worden ist, ist dieser Haushaltsentwurf von der FDP-Fraktion abzulehnen.

Herr Präsident, ich bitte darum, eine Schlussbemerkung machen zu dürfen.Ich sage auch zu,künftig nie wieder die Redezeit zu überziehen.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Ich bin zwölf Jahre lang Mitglied des Hessischen Landtags gewesen. Ich möchte mich bei Ihnen für die Langmut bedanken, mit der Sie mich ertragen haben. Die Mahnungen eines Ökonomen sind nie bequem und steigern seine Beliebtheit nicht. Manche meinen, Ökonom zu sein sei kein Beruf, sondern ein Charakterfehler.

(Heiterkeit – Minister Stefan Grüttner: Ich bin es auch!)

Ich bekenne mich zu diesem Charakterfehler. – Herr Minister Grüttner, würden viel mehr Leute unter diesem Charakterfehler leiden, dann würde man es anders und besser ansehen.

(Große Heiterkeit)

Als Demokrat war ich stolz, für den ranghöchsten Arbeitgeber tätig zu sein, nämlich das hessische Volk. Ich war auch ein bisschen stolz,für eine Partei zu arbeiten,die sich zu Persönlichkeiten wie Friedrich August von Hayek,Karl Popper, Ludwig Erhard und Ralf Dahrendorf bekennt. Das waren bzw. sind Liberale, auch wenn sie, wie Erhard, nicht alle der FDP angehörten.

Wenn ich jemanden verletzt habe,dann war das keine Absicht. Ich habe zwar alles, was ich gesagt habe, ernst gemeint, aber nie persönlich.

Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute und überreiche zum Schluss dieses FDP-Plakat dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Hahn, mit der Bitte, es an meinen Nachfolger als ständige Mahnung weiterzureichen. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Dank, Herr von Hunnius. Das war Ihre letzte Plenarrede.Die neue Zeiteinheit ist gestern definiert worden, einen „von Hunnius“ erfinden wir nicht auch noch.

(Heiterkeit)