Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Meine Damen und Herren, es gibt einen vagen, anvisierten Haushaltsausgleich im Jahr 2011. Der Kollege Milde hat es wieder angesprochen.Aber schon im Finanzplan ist das keineswegs einzulösen. Das sprach Kollege Kahl an.

Ich fasse zusammen: 290 Millionen, fast 300 Millionen c globale Haushaltskorrekturen, das sind die Tricks. Es werden eine globale Minderausgabe und eine globale Mehreinnahme eingestellt, weil man rund 300 Millionen c mehr ausgeben will, als man wird einnehmen können. Genau das ist kein Kurs, um zu einer Nettoneuverschuldung von null zu kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Damit bleibt Herr Weimar seinem Image als Rekordschuldenmacher bis zu seinem letzten Arbeitstag treu. Jetzt kommt es: Das berühmte Zitat von Adolf Kühn aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bleibt leider richtig. Wir sollten es heute noch einmal genießen. Es macht zwar die Finanzwirtschaft des Herrn Weimar nicht besser. Aber es ist wie am ersten Tag zutreffend.

Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass Sie alle auf das Zitat gewartet haben.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zurufe)

Alle Jahre wieder. – Heute war es definitiv das letzte Mal, dass ich es zitieren musste. Denn ein anderer Finanzminister verdient ganz gewiss eine eigene Würdigung. Die kann nur deutlich schmeichelhafter ausfallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da wir gerade beim Thema Würdigung sind, möchte ich ganz ohne Schmeicheleien die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium und der hier im Haus würdigen. In den stets hektischen Haushaltsberatungen hatten sie viel zu tun. Sie haben es blendend gemeistert.Vielen Dank dafür. Denn für den miserablen Inhalt des Haushaltsplans können Sie nichts.

Ich möchte noch etwas anhängen. Ganz zum Schluss möchte ich auch Herrn Kollegen von Hunnius ganz direkt ansprechen, der, so nehme ich an, nach mir sprechen wird. Herr Kollege von Hunnius, da Sie sich für das Ausscheiden aus dem Landtag entschieden haben, wird das heute Ihre letzte Haushaltsdebatte sein.

Herr Kaufmann, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen. Sie wissen das.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Herr von Hunnius, mit Ihnen verliert die Runde der hessischen Haushaltspolitiker einen Kollegen, der Sachlichkeit mit Humor und Schärfe mit Freundlichkeit zu verbinden weiß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das hat Sie stets wohltuend von manch anderen Mitgliedern nicht nur Ihrer Fraktion unterschieden. Deswegen werden Sie gewiss nicht nur uns in Zukunft fehlen. Ich hätte gerne zusammen mit Ihnen in der nächsten Legislaturperiode die Finanzpolitik gestaltet. So bleibt mir nur, Ihnen ein herzliches Glückauf für Ihre Aktivitäten außerhalb des Landtags zuzurufen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, Herr von Hunnius, dann auf.

(Heiterkeit – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja, Herr Präsident! – Nicola Beer (FDP): Roland, gib es ihnen noch einmal!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann, ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Würdigung,die ich sehr zu schätzen weiß. Die Koalitionsangebote bitte ich beim Fraktionsvorsitzenden abzuliefern. Ich weiß nicht, ob sie auf fruchtbaren Boden fallen werden.Aber das muss er entscheiden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich bin mir sicher, dass das nicht der Fall ist!)

„Wer allen alles stets verspricht, ist nur auf unser Geld erpicht!“ Dieser Spruch stand auf einem Wahlplakat der FDP, das ich mit Duldung des Herrn Präsidenten hochhalten darf.

(Der Redner hält ein Wahlplakat hoch. – Frank-Pe- ter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat historischen Wert!)

Dieses Plakat stammt aus den Sechzigerjahren. Das ist nicht mehr ganz unsere Sprache. Das macht nichts.

Schlimmer ist, dass wir diese Erkenntnis nicht mehr in dem Maße verinnerlicht haben, wie es damals der Fall war.Ich erinnere an die Zeiten des Finanzministers Schäffer und des Finanzministers Etzel. Auch Finanzminister Möller nenne ich sehr gern. Wir würden uns wünschen, dass heute jemand aus dem Grund zurücktritt, aus dem er es tat.

Die Erkenntnis, die hier zum Ausdruck kommt, hat eigentlich eine ganz einfache Grundlage. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert. Hans Barbier hat sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitiert. Sie lautet: „You get nothing for nothing.”

Es gibt nichts für nichts. – Diese ganz einfache Weisheit müssen wir uns vergegenwärtigen, wenn wir Haushaltspolitik machen. Das heißt: Für jede einzelne Leistung, die der Staat gewährt, müssen die Bürger bezahlen. – Der Staat kann dabei lediglich Folgendes entscheiden.

Erstens. Soll er die Leistung überhaupt gewähren, oder soll er darauf vertrauen, dass die Bürger sie besser selbst erbringen? Das ist eine sehr ernsthafte Frage.

Zweitens.Wenn er die Leistung erbringt, soll er die Finanzierung der Leistung in dieser Periode verlangen? Das hieße, die Steuern müssten erhöht werden.

Drittens. Soll er die Finanzierung erst in der nächsten Periode vornehmen? Das heißt, er müsste Schulden aufnehmen. Dann würden die Steuern später steigen.

Das sind alle Entscheidungen, die der Staat zu treffen hat. Finanzpolitik ist also in weiten Teilen eine Frage der Generationengerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Die immer wiederholte Behauptung, mit den Schulden von heute würde nur finanziert, was langfristig Bestand habe und von künftigen Generationen genutzt werde – deshalb sei es gerechtfertigt, diese Generation dafür bezahlen zu lassen –, ist – ich müsste jetzt eigentlich einen unparlamentarischen Begriff verwenden – eine Lüge. Aber ich korrigiere mich und sage: Das ist eine Schutzbehauptung.

Dieser Schutzbehauptung haben wir 1,6 Billionen c Schulden aller staatlichen Haushalte in Deutschland zu „verdanken“. Allein das Land Hessen „verdankt“ ihr einen Schuldenstand von 33 Milliarden c.

Es handelt sich um eine Schutzbehauptung, die in Verbindung mit einer Charakterschwäche der Politik steht.Denn die Politik trifft nicht die Entscheidung, neue Prioritäten zu wählen. Damit müsste Altes abgebaut werden. Diese Auswahlentscheidung wird aber nicht getroffen. Der Einfachheit halber wird immer mehr draufgepackt. Das hat die Folge, dass das Geld nicht reicht und Verschuldung in Kauf genommen werden muss.

Damit werden die Handlungsmöglichkeiten künftiger Generationen in doppelter Weise eingeschränkt. Zum einen werden sie eingeschränkt, weil die Verschuldung insgesamt steigt.

Es kommt aber, zweitens, noch etwas anderes hinzu. Da wird mich Frau Kollegin Wagner lebhaft unterstützen.Ge

mäß der demografischen Entwicklung sinkt die Bevölkerungszahl.Wir haben es hier also mit einem doppelten Beschleunigungsfaktor zu tun, aufgrund dessen die Belastung pro Kopf der Bevölkerung steigt.

Es mag viele, darunter auch gute, Gründe geben, weshalb das alles so gekommen ist. Aber es gibt viel bessere Gründe, mit dieser Entwicklung Schluss zu machen. Das sollte so schnell wie möglich erfolgen.

Ich will gleich dazu sagen: Schuld sind wir im Grunde genommen alle. Es ist nicht sinnvoll, die Schuld zuzuordnen. Denn jeder, der in der Politik tätig ist, hat hier Fehler gemacht. In der Bibel steht: „Wir sind allzumal Sünder.“

Wir sind alle Sünder. Das einzusehen ist das eine. Daraus Konsequenzen zu ziehen ist das Zweite.

(Beifall bei der FDP)

Schuld ist zum einen die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger, die dem Motto folgt: Wenn ich schon so viele Steuern bezahle, dann will ich dafür auch etwas haben. – Diese Haltung haben wir alle gemeinsam geweckt. Die Tendenz ist da bedauerlicherweise steigend.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wir leben danach!)

Zweitens ist der Irrglaube der Politik schuld, der Staat könne und müsse jedes halbwegs identifizierbare Problem lösen.

(Beifall bei der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist der eigentliche Fehler!)

Drittens betrifft das die Unfähigkeit oder den Unwillen, politisch zu entscheiden. Der Einfachheit halber wird gesagt: Jawohl, ihr, die Mitglieder der Interessengruppe, habt recht, ihr bekommt 30.000 c. – Dann sind sie zufrieden. Eigentlich müsste aber eine Auswahlentscheidung getroffen werden.

Viertens ist das natürlich auch der Angst vor dem nächsten Wahltermin und der damit verbundenen Notwendigkeit geschuldet, Dinge erklären zu müssen. Der Erklärungsnotstand für gute Politik ist offenbar größer als der für schlechte Politik.

(Beifall bei der FDP)

Wenn das alles so ist, stellen sich zwei Fragen.

(Abg. Axel Wintermeyer und Abg. Michael Bod- denberg (CDU) befinden sich im Gespräch.)

Ich hoffe, diese beiden Fragen stellen sich auch Herr Kollege Wintermeyer und der Generalsekretär der CDU Hessen.