Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist wie auf dem SPD-Bundesparteitag!)

Zweiter Punkt. Die öffentliche Hand muss regulierend eingreifen, wenn Sozial- und Lohndumping betrieben wird und wenn öffentliche Aufträge dies erzeugen, fördern oder auch nur dulden. Das geht nicht.

Dritter Punkt. Die SPD will, dass guter Lohn für gute Arbeit gezahlt wird und dass diejenigen, die ganztägig arbeiten, so bezahlt werden, dass sie davon vernünftig und menschenwürdig leben können – Stichwort: Mindestlöhne.

(Beifall bei der SPD)

Es ist unglaublich, dass es, wie es von dem Vertreter des DGB in der Anhörung vorgetragen wurde, beim ÖPNV und bei der Abfallwirtschaft in der Tat Unternehmen gibt, bei denen den Menschen zum Zeitpunkt ihrer Einstellung von der Personalabteilung gesagt wird: Wir helfen euch, wenn ihr einen Antrag auf ALG II stellt. – Das sind Wildwestmethoden. Das ist schlicht ein Skandal.

Vierter Punkt. Ihr Gesetzentwurf kommt sehr minimalistisch daher – dazu sehr spät und auch kurz vor der Wahl. Das habe ich eben schon gesagt.Wir fordern Sie auf, mindestens dem Änderungsantrag von SPD und GRÜNEN zuzustimmen, damit nicht nur der Geltungsbereich des Gesetzes erweitert wird, sondern damit man es auch um Sanktionen ergänzt. Solche Zähne braucht ein Gesetz. Sonst kann man es nämlich beim üblichen Gang der Dinge gleich vergessen. Ein Gesetz ohne Kontrollen und ohne spürbare Sanktionen wird den Wildwestzustand, der teilweise herrscht, nicht beenden können.

Ich sage Ihnen: Das ist minimalistisch. Herr Boddenberg hat interessanterweise bei der Beratung des Gesetzentwurfs in der Ausschusssitzung relativ deutlich gemacht, dass es ein Wahlkampfgesetz ist. Er hat nämlich vorgetragen, man werde sehr streng prüfen und sehr genau darauf schauen, was dabei herauskommt. Falls diese Regierung im Amt bleiben sollte – was sie natürlich nicht wird –,wird dieses Gesetz das nächste oder übernächste Jahr nicht überleben.

Fünfter Punkt. Der Wildwestzustand muss im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im Interesse eines wirklich fairen Wettbewerbs beendet werden, und zwar schnell. Das leistet dieser Gesetzentwurf nicht. Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kaufmann hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Boddenberg, es ist in der Tat die Frage, ob die Aktivitäten der CDU wirklich in der Sache ernsthaft gemeint sind oder ob die CDU nur so tut, als ob sie plötzlich ihr Herz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für faire Wettbewerbsbedingungen entdeckt hätte.

(Axel Wintermeyer (CDU): Die CDU ist eine Partei der Mitte!)

Nach dem, was Sie gerade erklärt haben, ist ganz eindeutig festzustellen, dass Sie nur so tun. Das war Ihrer Rede während der letzten Runde der Beratungen über diesen Gesetzentwurf zu entnehmen, und das ist in Ihren Worten eben umso deutlicher herausgekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offensichtlich hat diese Landesregierung – und die CDU mit ihr – im Frühjahr dieses Jahres bemerkt, dass die Landtagswahl näher rückt. Man hat bereits so viel gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer getan,dass man jetzt irgendwie versuchen muss,ein Signal zu setzen.

Man ist dem DGB ein Stück weit entgegengekommen. Logischerweise werden die Gewerkschaften nicht Nein sagen, wenn sie etwas erreichen können. Das ist sozusagen klassisch; das entspricht ihrer Tradition.Wenn sich ihnen eine Möglichkeit bietet, werden sie die auch ergreifen bzw. ergreifen müssen. So kam dieser Gesetzentwurf zustande.

In der Anhörung haben wir alle gehört, wie unzureichend er ist. Diese Einschätzung kam aus den verschiedensten Beurteilungsperspektiven. Obwohl SPD und GRÜNE in ihrem Änderungsantrag nur versucht haben, Ihnen die Kernaussagen dieser Anhörung nahezubringen, sagen Sie Nein. Sie sagen Nein, weil Sie in Wahrheit nicht wirklich an der Problemlösung mitwirken wollen, sondern sich lediglich das Mäntelchen „Wir sind ja sozial eingestellt und wollen das auch“ – das sind so Ihre Sprüche – umhängen wollen, ohne das ernsthaft durchzusetzen.

Herr Kollege Boddenberg, ich will das an einem Beispiel, das auch Sie gerade genannt haben, deutlich machen, nämlich an der Abfallwirtschaft. Sie haben gesagt, man könne die Abfallwirtschaft nicht in das Gesetz aufnehmen, weil sie gebührenfinanziert sei.

Der erste Punkt ist – das haben Sie beim letzten Mal dazu vorgetragen –, dass der Verband im Wesentlichen aus einem Mitglied besteht bzw. aus einem, das hier vorträgt, und auch die Privatfirmen nur ihre Interessen vortragen. Insoweit müsste man das nicht ernst nehmen. Dass auch der kommunale Arbeitgeberverband das ähnlich sieht, haben Sie dabei unterschlagen. Heute tragen Sie das Gebührenproblem vor,mit der Begründung,es gehe um Ausgleichszahlungen.

Ich sage Ihnen: Genau dieses Argument beweist, dass es Ihnen eben darum nicht geht. Ihr Argument wird völlig falsch angewandt. Nur mit der gesetzlichen Bestimmung, dass diese Vergütungen einbezogen werden müssen, ist die Gebührenkalkulation sicher. In dem anderen Fall müssen Gebührenkalkulationen immer auf dem Kostendeckungsprinzip beruhen, und die nachweislich günstigsten Kosten kommen dann hinein. Wenn es keine gesetzlichen Absicherungen gibt, fördern Sie über die Gebührenhaushalte gerade die Dumpinglöhne.

Genau das will auch die Abfallwirtschaft aus guten Gründen nicht.Im Übrigen bitte ich Sie,mir das einmal von der Sache her zu erklären. Schließlich haben Sie das Gebäudereinigungshandwerk aufgenommen. Dass ein Gebäude gereinigt wird, ist also in Ordnung. Aber in dem Augenblick,wenn der Dreck in die Tonne kommt,ist es egal,welche Löhne gezahlt werden. Das ist Unfug. Das gehört doch zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Weil es ein Gebührenhaushalt ist!)

Herr Kollege Boddenberg, jetzt sagen Sie das wieder. Jetzt sagt er wieder: „weil es ein Gebührenhaushalt ist“. Ich habe Ihnen gerade erklärt – offensichtlich haben Sie nicht zugehört –, dass es, gerade weil es ein Gebührenhaushalt ist, in das Gesetz aufgenommen werden muss; denn sonst können Sie die Gebühren eben nicht auf der Basis von Mindestlöhnen festsetzen. So schreiben Sie sie aber fest. Genau andersherum ist es richtig und nicht so, wie Sie es immer behaupten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen das jetzt nicht unnütz vertiefen; denn Sie sind offensichtlich nicht nur beratungsresistent, sondern sogar -unwillig. Sie wollen nur so tun, als ob es Ihnen um die Interessen der Arbeitnehmer ginge. Das ist die Botschaft Ihres Verhaltens. Sie wollen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben und davor, dass ihre Arbeit nicht auskömmlich vergütet wird, nicht helfen. Das müssen wir feststellen.

Wir werden den Gesetzentwurf nicht ablehnen – das habe ich schon in der zweiten Runde gesagt –, weil wir Respekt davor haben, dass der DGB sagt, es sei ein Schrittchen. Aber wir signalisieren mit unserer Enthaltung sehr deutlich, dass das, was Sie angeblich vorhatten und was Sie immer noch propagieren, nicht in dem Gesetzentwurf steht. Sie hätten zumindest den Änderungsantrag annehmen müssen. Das tun Sie nicht. Sie tun nur so als ob.

Wir wollen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirklich helfen.In der nächsten Legislaturperiode werden wir sicherlich die Gelegenheit haben, das anständig zu regeln.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Herr Kollege Posch. Ich habe ihm gesagt, dass der Beifall nicht ihm galt. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die dritte Lesung, die gestern beantragt wurde, ändert an der Position der FDP-Fraktion nichts.

Frau Kollegin Fuhrmann, gleichwohl kann ich sagen, ich stimme Ihnen in einem zu: Dies ist ein Wahlkampfgesetz. Die CDU-Fraktion hat auf der Grundlage der Einsicht in die politische Notwendigkeit einen Minimalkonsens mit dem DGB geschlossen.Aber auch dieser Minimalkonsens ist nicht geeignet, die FDP von der Richtigkeit dieses Gesetzes zu überzeugen.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der Auffassung, die Kriterien, die in diesem Gesetz enthalten sind, sind vergabefremd und mit der grundsätzlichen Aufgabe der zu vergebenden Aufträge nicht in Einklang zu bringen.

Darüber hinaus gehen die vergabefremden Kriterien – wie das Thema Ausbildung – auch in der Sache fehl. Das führt dazu, dass dieser Weg effektiv nicht das angestrebte Ziel erreichen kann.

Wir haben den Änderungsanträgen von SPD und GRÜNEN im Ausschuss nicht zugestimmt, und wir werden auch dem Gesetzentwurf in der Ursprungsfassung, wie er jetzt zur Abstimmung steht, nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon gestern habe ich in einer Debatte deutlich gemacht, dass es hier nicht darum geht, dass irgendjemand behauptet, man könne oder solle von 3,50 c Stundenlohn leben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Diesen wichtigen Punkt muss man noch einmal voranstellen.

Jetzt reden wir darüber, welche Mechanismen die richtigen sind und wie wir damit umgehen – sowohl beim Entsendegesetz als auch bei der Diskussion zum Mindestlohn und eben hier der öffentlichen Vergabe.

Wir machen noch einmal sehr deutlich, dass wir genau schauen, wo heute Probleme vorhanden sind, und fragen, wie wir sittenwidrigen Löhnen entgegenwirken und Lohndumping verhindern können.Wie können wir es gestalten, damit das wirkungsvoll funktioniert?

Frau Kollegin Fuhrmann, wenn Sie dann versuchen, das wieder mit einer grundsätzlichen Mindestlohndebatte zu verknüpfen, dann will ich Ihnen sagen: Damit sind Sie auf dem falschen Dampfer.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Und Sie sitzen im falschen Boot!)

Denn Sie wissen genau, dass wir beim Baugewerbe einen solchen Lohn haben – heute aber trotzdem dort Probleme vorliegen. Deswegen nehmen wir auch genau diesen Bereich in unser Gesetz auf.

Für die Landesregierung sage ich ganz deutlich: Wir haben es uns nicht immer leicht gemacht, mit diesem Thema umzugehen. Deswegen sind wir auch sehr konstruktiv in Verhandlungen mit dem DGB hineingegangen. Wir wollten schauen, für welche Bereiche sich etwas definieren lässt und wie wir es so definieren können, dass es danach auch wirkt, und wir dann überprüfen können, welches die tatsächlichen Auswirkungen in diesem Bereich sind.

Wir sind davon überzeugt, dass der Bereich, den wir jetzt in dieses Vergabegesetz aufgenommen haben, solche Möglichkeiten schafft und sowohl Lohndumping entgegenwirkt, auf der anderen Seite aber auch einen Bereich nimmt, in dem wir heute Probleme haben, und zu

gleich die Möglichkeit schafft, an diesem Beispiel zu schauen, wie wirkungsvoll ein solches Gesetz ist.

Denn wir geben klar zu, wir haben damit immer auch unsere Probleme gehabt, ob das tatsächlich hilft. Das alte Gesetz in Hessen war ausgelaufen, weil wir dort keine vernünftigen Wirkungsmöglichkeiten gesehen haben.Wir haben jetzt ein Gesetz formuliert,bei dem wir,gemeinsam mit dem DGB, davon ausgehen, dass es wirkungsvoll angewandt werden kann.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Danach werden wir darüber reden, ob es sinnvoll ist, das für weitere Bereiche zu machen.