Protokoll der Sitzung vom 16.12.2003

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Stärkung Nordhessens und des Regierungsbezirks Kassel. Wir haben neben der Konzentration der Beihilfebearbeitung – so ist das geplant – an zwei Standorten im Regierungsbezirk Kassel, nämlich in Kassel selbst und in Hünfeld, weitere deutliche Signale in Richtung Nordhessen gegeben.Wir werden das Kompetenzzentrum für Biorohstoffe nach Witzenhausen verlegen.Das Nationalparkamt wird natürlich nach Nordhessen kommen, und wir sind auf dem Weg, alles, was mit Versorgung, dem Zahlen von Bezügen und der Beihilfe zu tun hat, in Nordhessen zu konzentrieren.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, ich freue mich, dass Sie erkennen, dass es Sinn macht, das Nationalparkamt auch dort anzusiedeln, wo der Nationalpark ist.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dass das eine Regierung erkannt hat, freut mich noch mehr!)

Aber der Entscheidung, ein Nationalparkamt einzurichten, ist erst einmal der Entschluss vorausgegangen, einen Nationalpark auszuweisen. Das war die wegweisende Entscheidung dieser Landesregierung. Sie wird zu den entsprechenden Impulsen führen.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister, die Fraktionsredezeit ist erschöpft.

Herr Präsident, ich bin der festen Überzeugung, dass die Mitglieder der Fraktionen begierig darauf sind, das Konzept in vollem Umfang vorgetragen zu bekommen. Dann können die entsprechenden Entgegnungen gemacht werden.

Das war ein formaler Hinweis. – Gestatten Sie Zwischenfragen, Herr Minister?

Ich gestatte keine Zwischenfragen, denn das dauert sonst zu lange.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir klatschen auch ein paarmal, denn Ihre eigenen Leute klatschen nicht!)

Da wir gerade beim Nationalparkamt sind: Wir haben auch die Forstbetriebe im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit, ihre Schlankheit und ihre Serviceleistungsmöglichkeiten überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, die 85 Forstämter in Hessen in Zukunft auf 42 plus 1 zu reduzieren. „Plus 1“ ist das Nationalparkamt, das ich eben schon angesprochen habe.Von den übrigen 85 Forstämtern sollen nach dem Vorschlag der Landesregierung 42 bestehen bleiben.

Aufzulösende Standorte werden sein: Babenhausen, Bad Karlshafen, Bad Sooden-Allendorf, Biebergemünd-Gelnhausen, Braunfels, Büdingen, Butzbach, Driedorf, Edertal, Eltville, Fritzlar, Gießen, Gladenbach, Grebenhain, Grünberg, Hadamar, Haiger, Hatzfeld, Heppenheim, Hilders, Höchst, Hofheim, Homberg (Efze), Homberg (Ohm) , Idstein, Kassel, Kaufungen, Marburg, MörfeldenWalldorf, Nentershausen, Neuhof, Niederaula – –

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entschuldigen Sie bitte, Sie haben einen Antrag gestellt, in dem Sie wissen wollen, worum es geht. Deswegen müssen Sie auch die Geduld aufbringen, zuzuhören.

(Beifall bei der CDU)

Weitere aufzulösende Standorte sind: Rauschenberg, Rodgau, Schlitz, Seeheim-Jugenheim, Sinntal, Spangenberg, Usingen, Wald-Michelbach, Wetter, Willingen und Witzenhausen.

Bestehen bleiben die Standorte Dieburg, Langen, Reinhardshagen – ich erspare Ihnen jetzt die komplette Aufzählung – bis hin zu Hessisch-Lichtenau. Hier ist unter dem Gesichtspunkt der Größe der zur beförsternden Fläche eine Strukturentscheidung getroffen worden, die die Fähigkeit, die Leistungen sachgerecht wahrnehmen zu lassen, ohne dass es zu einer Zersplitterung führt, berücksichtigt.

In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, dass bei der Frage der Standortkonzentration auch die Gerichtsstandorte eine entsprechende Rolle gespielt haben. Hierzu gibt es eine Voruntersuchung des Hessischen Landesrechnungshofes, in der unter Effizienz- und Kostengesichtspunkten ein Vorschlag unterbreitet worden ist, wie die Struktur der Amtsgerichte in Zukunft aussehen soll. Dieser Empfehlung hat sich die Landesregierung in ihrem Vorschlag weitestgehend angeschlossen. Dies bedeutet, dass in Hessen acht Amtsgerichte aufgelöst werden. An vier Standorten wird aus einer Hauptstelle die Außenstelle eines bestehenden Amtsgerichts.

Alle Finanzämter vor Ort werden bestehen bleiben. Bei elf Finanzämtern wird aus einer Hauptstelle die Außenstelle eines bestehenden Finanzamts werden.

Entscheidend ist auch die Frage der Standorte der Regierungspräsidien. Wir wollen, dass die Regierungspräsidien als Bündelungsbehörden ihre Aufgaben zielgerichtet,kostenbewusst und effektiv wahrnehmen. Dazu ist es notwendig, auch Standortfragen zu entscheiden. Deswegen soll in Zukunft das Regierungspräsidium in Kassel mit einer Außenstelle in Bad Hersfeld und das Regierungspräsidium in Gießen mit einer Außenstelle in Wetzlar und mit der bereits zentralisierten Bußgeldstelle im Bereich des Arbeitsschutzes in Hadamar auskommen. Das Regie

rungspräsidium in Darmstadt wird Außenstellen in Wiesbaden und in Frankfurt haben. Die Außenstelle des Regierungspräsidiums Darmstadt in Hanau wird aufgelöst und in die Hauptstelle integriert. Das Weinbauamt in Eltville bleibt bestehen, weil es sachlogisch und sinnvoll ist, diese Einheit dort zu lassen, wo der meiste Wein in Hessen angebaut wird.

Insofern werden die Regierungspräsidien unter diesem Gesichtspunkt in die Lage versetzt werden, im Rahmen ihrer Organisationsstruktur und ihrer Ablauforganisation entsprechende Synergieeffekte zu erzielen.

Im Hinblick auf die Beihilfeverwaltung habe ich Ihnen die Grundentscheidungen schon dargestellt.

Im Zuge dieses Standortkonzepts sind darüber hinaus 26 Standorte der Veterinärverwaltung mit dem Ergebnis untersucht worden, dass zehn Standorte mit anderen Standorten zusammengeführt werden sollen, sodass in Zukunft 16 Veterinärverwaltungen in Hessen ihre Arbeit in den Landkreisen verrichten.

Daneben ist eine Reihe von Entscheidungen bereits vollzogen worden, die Sie kennen. Ich nenne die Versorgungsverwaltung in Bensheim. Über ihre Verlagerung nach Darmstadt wurde schon diskutiert. Ihnen ist außerdem bekannt, dass Außenstellen Staatlicher Schulämter geschlossen werden. Das betrifft Haupt- und Außenstellen an fünf Standorten in Hessen. Ihnen ist überdies bekannt, dass es für die Staatsbauverwaltung eine neue Organisationsstruktur ohne Aufgabe von Standorten gibt, sodass Sie an dieser Stelle sicherlich kein weiteres Informationsbedürfnis haben.

Insgesamt will ich festhalten, dass der Vorschlag der Landesregierung für ein Standortstrukturkonzept regionale Besonderheiten, die Frage der Bürgernähe,

(Reinhard Kahl (SPD): Was hat das mit Bürgernähe zu tun?)

Fragen einer effizienten Aufgabenerledigung und – unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Rahmenbedingungen – auch die Möglichkeit einer all diese Kriterien bedenkenden sparsamen Verwaltung berücksichtigt. Deswegen glauben wir, dass dieses Konzept ausgewogen ist und in der Kommunikation mit den Personalräten, den Landräten, den Oberbürgermeistern und den Bürgermeistern in Hessen eine hohe Akzeptanz finden wird.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Darf ich eine abschließende Frage stellen?)

Vielen Dank Herr Staatsminister. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Bender für die SPDFraktion. Sie haben 13 Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Besser hätten wir nicht dokumentiert bekommen können, wie die Landesregierung das hessische Parlament missachtet.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Ich halte es geradezu für einen Affront, dass Minister Grüttner an dieses Pult tritt und eine Presseerklärung vorträgt, aber vorher keine Regierungserklärung abgege

ben hat, wie das eigentlich sein müsste. Ich verstehe dieses Handeln nicht. Ich verstehe es nur so: Hierin kommt zum Ausdruck, dass die absolute Mehrheit, wie es die Presse heute geschrieben hat, offenbar tatsächlich besoffen macht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, was Sie hier vorgetragen haben, kann in dieser Form nicht unwidersprochen bleiben. Wenn wir von Staatsmodernisierung gesprochen haben – wir haben dieses Thema in den letzten Jahren mehrfach sehr sachlich behandelt –, dann waren wir immer der Meinung, dass wir die wissenschaftlichen Vorgaben beachten müssen. Die wissenschaftlichen Vorgaben sind nun einmal, dass man die Aufgaben festlegt,die man erfüllen will,bevor man die Struktur einer Organisation ändert.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Man muss zunächst die Aufgaben beschreiben, die man fach- und sachgerecht erfüllen will.Wenn man das festgelegt hat, leitet man her, wie viel Personal man dafür braucht und was dieses Personal können muss.Wenn man außerdem den Anspruch erhebt, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen, dann muss man im Lande Hessen eine Analyse dieser regionalen Besonderheiten durchführen.

(Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Was haben wir heute gehört? Wir haben heute gehört, dass dies alles mit den Menschen in unserem Lande abgestimmt sei. Das ist eine glatte Lüge.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es dürfte Ihnen möglicherweise nicht bekannt sein, dass die hessische SPD-Landtagsfraktion mehrfach intensiv versucht hat, zu Einzelfragen, die zu Ihrer Presseerklärung geführt haben,Auskunft zu bekommen.Unsere Kleinen Anfragen sind aber nach wie vor unbeantwortet, obwohl die Frist schon längst abgelaufen ist. Außerdem haben wir in den Fachausschüssen immer wieder darauf hingewiesen, dass wir unsere Detailfragen beantwortet haben wollen, auch wenn wir uns im Hauptausschuss, Herr Hoff, immer wieder darüber gestritten haben, ob dieser Ausschuss für die Verwaltungsmodernisierung überhaupt zuständig ist. Auch an dieser Stelle haben wir keine Antwort bekommen, noch nicht einmal eine grundsätzliche.

Was heißt das, was hier vorgetragen wird? Das heißt, dass man mit den Bürgern und mit den Menschen in diesem Lande mehr als leichtfertig, ja verachtend umgeht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen fest, um es einmal ganz konkret an einem Beispiel deutlich zu machen, dass das Bodenmanagement in die Diskussion gebracht worden ist, obwohl überhaupt nicht klar ist, wie die bundesgesetzlichen Vorgaben eingearbeitet werden können. Sie sprechen von einer Öffnungsklausel. Wir wissen, dass man mit dieser Öffnungsklausel überhaupt nicht weitergekommen ist.Warum machen Sie einen Ausfallschritt nach vorne, ohne vorher den Landkreistag zu beteiligen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie können Sie denn hierher treten und sagen, Sie hätten mit allen gesprochen? Das ist doch einfach unglaublich. Glauben Sie denn, uns für dumm verkaufen zu können? Ich halte das für einen unmöglichen Umgang mit dem Parlament. Ich bitte Sie inständig: Wenn diese Dinge weiterhin so gehandhabt werden, dann werden Sie von uns keinerlei Entgegenkommen und auch keine sachgerechte Auseinandersetzung mit Ihnen mehr erwarten können. Sie verhöhnen jeden einzelnen Abgeordneten. Wir alle werden in unseren Wahlkreisen Antwort auf die Fragen geben müssen, die die Landesregierung in dieser Presseerklärung angesprochen hat. Es ist einfach unglaublich, dass hier noch nicht einmal der Anstand gezeigt wird, das Parlament zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie tragen hier gebetsmühlenartig vor: „Wir sind pleite, wir haben kein Geld, wir müssen das machen, weil wir das Geld, das wir noch haben, effektiv einsetzen müssen.“ Wenn ich dann sehe, dass gerade die SAP-Einführung als ein Beleg dafür genannt wird, warum diese Standortdiskussion vom Zaun gebrochen wird, dann kann ich nur sagen: Das war mit Sicherheit das falscheste Beispiel.

(Beifall bei der SPD)