Protokoll der Sitzung vom 19.03.2004

Schaffung neuer Berufsbilder und Ausbildungsberufe, ebenfalls im nächsten Plenum zu beraten.

Vereinbarungsgemäß rufe ich nun Tagesordnungspunkt 30 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend zügige Sanierung der Winterdeiche an Rhein und Main – Drucks. 16/1896 –

sowie Tagesordnungspunkt 56:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend fehlendes Hochwasserschutzkonzept in Hessen – Drucks. 16/1939 –

Der Entschließungsantrag und der Dringliche Antrag werden ohne Aussprache zur abschließenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz überwiesen. Widerspricht dem jemand? – Dann ist das so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 31, der Antrag der Fraktion der SPD betreffend mehr Rechte für Opfer, wird vereinbarungsgemäß im nächsten Plenum aufgerufen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 34 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP betreffend Stärkung des Luftverkehrsstandortes Hessen durch Einrichtung eines europäischen Luftverkehrskompetenzzentrums EACC (European Aviation Competence Center) – Drucks. 16/1901 –

In der in dem Antrag aufgeführten Reihenfolge der Fraktionen werde ich das Wort erteilen. Ich erteile somit zunächst Herrn Abg. Reif für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen ist ein privilegierter Standort hinsichtlich der globalen Luftverkehrsindustrie. Der Luftverkehr ist eine der wenigen Industrien, die in Zukunft noch globale Zuwächse haben werden. Gutachten und Prognosen, deren Aussagen sich in den letzten Jahren verstetigt haben, zeigen uns, dass es bei der Luftverkehrsindustrie in den nächsten zehn bis zwölf Jahren zumindest zu einer Verdoppelung kommen wird. Das bedeutet, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft zumindest um die 200 bis 240 Millionen Flugpassagiere haben werden. Sie werden auf den verschiedenen Flughäfen Deutschlands abfliegen und landen.

Ähnliche Prognosen sagen uns voraus, dass sich die Luftfracht in den nächsten zehn bis zwölf Jahren zumindest verdreifachen wird.

Ich will das zur Verdeutlichung sagen. Die einzelnen Zentren des Luftverkehrs in der Welt werden näher zusammenrücken. Dabei werden sich wenige globale Zentren entwickeln.

Wir wollen in Hessen von diesem Zuwachs wirtschaftlich profitieren. Denn aus diesem Zuwachs ergibt sich ein gewaltiges Momentum für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir, ich meine damit die Mitglieder der CDU, der SPD und der FDP, haben in diesem Zusammenhang überwiegend gemeinsam allesamt wegweisende Entscheidungen für den Ausbau des Flughafens getroffen. Es ist dann sinnvoll, dass Firmen und Institutionen aus der Luftfahrtindustrie an uns mit dem Wunsch herangetreten sind, ein Zentrum für den Luftverkehr, ein Kompetenzzentrum etablieren zu wollen. Sinnvollerweise wollen sie dies in

der Rhein-Main-Region oder deren näherer Umgebung ansiedeln, damit die Anbindung an den Flughafen RheinMain vorhanden ist.

Dieses Zentrum läuft unter dem Arbeitstitel European Aviation Competence Center. Dort sollen Aufgaben interdisziplinär gebündelt werden. Beispielsweise geht es da um die Frage, wie sich die Luftfahrt in Zukunft entwickeln wird. Es geht um die Frage, welche Fluggeräte es geben wird und auf welchen Feldern solche Entwicklungen stattfinden werden. Es geht auch um die Fragen, welcher Art die Kooperationen der Fluglinien untereinander, aber auch mit anderen Verkehrsträgern sein können. Letzteres betrifft etwa die Bahn, also die Schiene, aber auch schnellere Verkehrsmittel. Es geht dabei beispielsweise auch um die Frage, wie Großräume miteinander verbunden werden können. Dabei geht es auch darum, den Luftverkehr verschiedener Räume untereinander zu optimieren. Es geht beispielsweise auch um die Frage, wie sich das Luftverkehrsrecht entwickeln wird. Luftfahrt und Gesundheit ist eines der wichtigsten Themen. Denn durch den Luftverkehr können neu aufgetretene Viruserkrankungen global verbreitet werden. Dementsprechend müssen sie auch global bekämpft werden.

Ähnliches gilt hinsichtlich der Ökologie, des Wetters, des Customer-Relation-Managements, der Informationssysteme, der Sicherheit, der Flughafenkonzepte und vielem anderen mehr.

In diesem Zusammenhang sind natürlich die Fluglinien die privilegierten Kooperationspartner. In erster Linie ist das also die Lufthansa. Das betrifft aber auch andere deutsche und europäische Fluglinien. Das betrifft beispielsweise auch die Flughafenbetreiber und damit natürlich auch Fraport. Das betrifft aber auch andere deutsche und internationale Flughafenbetreiber. Das betrifft die Flugsicherungen auf nationaler und internationaler Ebene, die Wetterdienste und die Wissenschaften, die sich um diese Industrie herum angesiedelt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter Beteiligung, Moderation und Mediation der Landesregierung und mit Beteiligung der Fraktionen sollten wir diese Chance ergreifen, die dem Standort gut tut und neue Chancen aufzeigt. Das wäre eine großartige Sache für den Standort Hessen. Ich würde mich freuen, wenn wir zu diesem Antrag eine überwiegende und breite Mehrheit finden könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Nächster Redner ist Herr Abg. Klemm für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Luftverkehr ist in unserer Zeit die Wachstumsbranche in der Weltwirtschaft. Er ist eine Wachstumsbranche für die deutsche Wirtschaft. In besonderer Weise ist dies natürlich für die wirtschaftliche Zukunft unseres Standorts hier in Hessen entscheidend.Denn das Wachstum dieser Branche bestimmt wie wenig andere Faktoren das Ausmaß der wirtschaftlichen Prosperität dieses Standorts. Ich möchte an die Diskussionen erinnern, die wir in dieser Plenarwoche und in der vorhergehenden Plenarwoche geführt haben. Es ist wichtig, dass wir uns Gedanken darüber ma

chen, wie wir uns für diese Branche so positionieren, dass auch morgen an dem heute so wichtigen Standort Hessen keiner vorbeigehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Luftverkehrsbranche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark auf die Technik fokussiert. Es ging dabei um die Schnelligkeit der Flugzeuge, die Größe der Flugzeuge und die Lärm- und Umweltbelastung.Das alles hat eine große Rolle gespielt.Von daher gibt es viele Einrichtungen, die sich mit den technischen Fragen des Luftverkehrs befassen.

Unter den Bedingungen der globalen Wirtschaft richtet sich der Fokus des heutigen Luftverkehrs sehr viel stärker auf andere Fragen. Dabei geht es darum: Wie kann ich kundengerechte attraktive Dienstleistungsangebote organisieren? Wie bin ich in der Lage, unter den globalen Wettbewerbsbedingungen eine Fluglinie betriebswirtschaftlich erfolgreich zu betreiben? Wie optimiere ich das Geschäft am Flughafen? Wie optimiere ich das Geschäft in der Luft? Der Fokus im Luftverkehr wendet sich also von der Technik ab. Fragen der Technik bleiben natürlich wichtig. Fragen der Organisation werden aber zunehmend wichtiger.

Das war der Hintergrund, weshalb sich die deutsche Luftverkehrswirtschaft zu einer Initiative für den Luftverkehr in Deutschland zusammengeschlossen hat. Sie haben zusammen mit dem Bundesverkehrsminister vor einigen Monaten ein Positionspapier vorgelegt. Dort ist eine Reihe von Aufgabenstellungen aufgeführt, denen man sich gemeinsam zuwenden will. Ein Punkt in diesem Papier lautet: Ein europäisches Luftverkehrskompetenzzentrum soll in Deutschland gegründet werden. – Dieses soll den qualitativ hochwertigen Standort Deutschland über die Vernetzung über die im Luftverkehr tätigen deutschen Unternehmen hinaus weltweit sichtbar repräsentieren und wissenschaftliche Forschung antreiben.

Jetzt stehen wir vor der Frage:Wo soll das in Deutschland entstehen? – Hinsichtlich des Standorts gibt es durchaus denkbare Alternativen.Wir haben diesen Antrag gemeinsam eingebracht, weil wir heute folgende Signale geben wollen.

Erstens. Hessen ist für dieses Kompetenzzentrum der richtige Standort.

Zweitens. Die hessische Politik will über die Parteigrenzen hinweg erreichen, dass Hessen Standort dieser europäischen Einrichtung wird.

Das ist der Hintergrund, weshalb wir diesen Antrag gestellt haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Ich will mich jetzt in wenigen Bemerkungen nur noch darauf konzentrieren, was dieses Zentrum für den Luftverkehr und für den Standort bedeuten kann. Dann will ich noch ein paar Sätze darauf verwenden, zu unterstreichen, warum ich glaube, dass es eine vernünftige Entscheidung wäre, Hessen als Standort zu wählen.

Das, was das Zentrum werden soll, verbindet sich am ehesten mit der Idee von Silicon Valley. Man kann es auch vergleichen mit dem, was hinsichtlich der Softwarezentren in Bangalore stattgefunden hat. Wenn wir Vergleiche in unserer Nähe suchen wollen, dann kann man es vielleicht am ehesten mit dem vergleichen, was sich in der Schweiz hinsichtlich der Finanzdienstleistungszentren

und der Einrichtungen, die dazu gehören, entwickelt hat. Dies sind Einrichtungen wissenschaftlicher Art, aber auch Dienstleistungszentren. Solche Einrichtungen führen zu neuen Ideen und zusätzlichen Initiativen.

Man sollte sich einmal anschauen, was den Erfolg solcher Initiativen, die immer auch politisch gestützt wurden, bestimmt hat. Der Erfolg hatte etwas damit zu tun, dass es dort anwendungsorientierte Forschung gab. Er hat aber auch etwas damit zu tun, dass es dort Aus- und Weiterbildungsangebote für die Branche gab. Das hat dann dazu geführt, dass sich die Branche auf einen solchen Standort fokussiert hat.Es muss dann aber auch Angebote über die gesamte Wertschöpfungskette des industriellen Prozesses geben. Das heißt: Angebote hinsichtlich der technischen Einrichtung und Angebote für Dienstleister für die Fluglinien und Dienstleister für die Flughäfen.

Darüber hinaus muss man die kritische Masse erreichen. Denn man muss eine Größenordnung erreichen, mit der man dann wirklich wahrgenommen wird.Man muss in der Lage sein, entsprechende Dienstleistungsangebote an solchen Standorten bereitzustellen. Zum Schluss möchte ich sagen, dass das Ganze aber auch in einem Umfeld geschehen muss,das so gestaltet ist,dass sich diejenigen,die dorthin gehen, sicher sein können, dass sie dort von der Politik gewollt sind. Sie dürfen dort nicht nur geduldet werden. Vielmehr müssen sie auf eine Szene stoßen, die die Bereitschaft hat, den Weg gemeinsam mitzugehen.

Es gibt solche Zentren des Luftverkehrs in der Welt. Es gibt sie in den USA, es gibt sie in England, es gibt sie in Frankreich.Alle diese Zentren sind aber technisch ausgerichtet. Es gibt kein Zentrum, das sich auf Dienstleistungen und Operationen ausrichtet. Darin liegt aus meiner Sicht die Chance.

Das Zentrum mit den attraktivsten Clusterbildungen ist im Übrigen in Toulouse. Dieses Zentrum in Toulouse zeichnet sich aus durch die Airbus-Industrie auf der einen Seite, durch entsprechende Raumfahrtunternehmen auf der anderen Seite. Das sind um die 35.000 Arbeitsplätze, die in dieser Region vorhanden sind, 500 Zulieferbetriebe, die auf diese Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie ausgerichtet sind, und die bisher führende europäische Hochschule für die zivile Luftfahrt, bei der 25 % der Studenten aus dem Ausland kommen.

Herr Kollege, ich muss Sie auf die Redezeit hinweisen.

Ich komme ganz schnell zum Ende.– Wenn Sie dieses Beispiel auf die deutschen Standorte fokussieren, dann kommen Sie auf die Standorte Hamburg, Frankfurt und München.Die kritische Masse ist in Frankfurt am deutlichsten, ohne dass man die anderen Standorte schlechtreden muss. Am Standort Frankfurt haben Lufthansa 30.000, Fraport über 20.000, die Deutsche Flugsicherung 5.000 Arbeitsplätze. Das heißt, hier habe ich ein kreatives Umfeld zu bilden, und ich habe 18 Professoren an der Technischen Universität Darmstadt und weitere an der Universität Frankfurt, die dazu in der Lage sind.

Wenn wir heute diese Initiative sinnvoll aufgreifen und verstärken, dann ist das eine Chance für den Standort Hessen, um im Bereich von Dienstleistung und Operation eine Einrichtung zu schaffen, die sich im internationalen

Vergleich sehen lassen kann. Da die Initiative selbst davon ausgegangen ist, dass das nicht eine Forderung ist, die heißt: „Die Politik soll einmal für uns...“, sondern da man davon ausgeht, dass man das als eine Public Private Partnership entwickelt, glaube ich, ist das die Grundlage für eine gute Perspektive, am Standort Hessen deutlich zu machen: Wir sind heute ein wichtiger Standort für internationale Verkehrsdienstleistungen und wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch morgen bleiben.

(Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Das Wort hat Herr Abg. Denzin für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Klemm sehr dankbar für seine Initiative. Er hat in der Begründung alles dargelegt. Ich muss dem nichts weiter anschließen, als dass ich froh bin, dass wir das gemeinsam machen. Vielleicht schließt sich die vierte Fraktion auch noch an.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Jetzt stimmt die Redezeit wieder. – Das Wort hat Herr Abg. Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Florian Rentsch (FDP): Bitte noch kürzer!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag von nicht allen Fraktionen in diesem Hause vor, sondern von drei Fraktionen dieses Hauses: CDU, SPD und FDP.

(Frank Gotthardt (CDU): Sauber recherchiert!)