Protokoll der Sitzung vom 19.03.2004

(Beifall bei der SPD)

Selbst die Handwerkskammern haben die Chance erkannt und schaffen neue Marketinginstrumente zur Aufwertung des Meisterbriefs.

(Unruhe)

Meine verehrten Herren von der CDU, Ihnen war das Thema einmal sehr wichtig.Ich bitte doch,dass Sie mir zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Nun ist die Landesregierung am Zug, eine alte Forderung der Meisterinnen und Meister umzusetzen und den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung für ein Hochschulstudium zu ermöglichen.

(Anhaltende Unruhe – Gerhard Bökel (SPD):Herr Präsident, geben Sie ihr doch einmal die Chance, zu reden!)

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Wir haben 2002 erstmals diese Forderung aufgestellt. Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, haben gestern erst um 17 Uhr einen handschriftlich geänderten Dringlichen Antrag eingebracht, was wieder einmal beweist, dass Sie überall aus der Hüfte schießen – und, wie so oft, zu spät und mit alten Waffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte mir eine Initiative des Wirtschaftsministers gewünscht. Der ist leider auch nicht zugegen. Aber er hätte sich mit Herrn Corts abstimmen müssen. Mein Eindruck ist, dass zwischen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium die Themen gern hin- und hergeschoben werden und somit keine Entscheidungen möglich sind, siehe Nanotechnologie.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Dieser neue Bildungsweg eröffnet Menschen neue Möglichkeiten und erweitert die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems.Wer die Praxis kennt, weiß, dass viele Meisterinnen und Meister in dem Betrieb, in dem sie arbeiten, oft jahrelang, meist vergeblich, auf eine frei werdende Meisterstelle warten. Ein Studium kann ihnen neue Möglichkeiten eröffnen und auch den Weg in eine qualifizierte Selbstständigkeit erleichtern.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Attraktivität erhöht wird, einen Handwerksberuf zu erlernen. Wenn ich weiß, dass ich in späteren Jahren die Qualifikation für ein Studium erlangen kann,muss ich mich nicht so früh festlegen, auch ein Durchhänger wird mir verziehen, ich verbaue mir durch einen mittleren Bildungsabschluss nicht meine Zukunft, wie es heute ist. Dies wäre gerade eine weitere Wertschätzung und Anerkennung unserer Jugendlichen. Wir erwarten, dass junge Menschen flexibel sind. Dann sollten wir auch unnötige Stolpersteine aus dem Weg räumen.

(Beifall bei der SPD)

Ich selbst habe Meisterkurse besucht. Wer die hohe Hürde der Meisterprüfung erklommen und viel Zeit und Geld investiert hat, wird keine Schwierigkeiten mit einem Hochschulstudium haben. Die Erfahrungen zeigen, dass die Studienzeiten kürzer und die Abschlüsse durchweg besser sind. Das Handwerk in die Hochschulen zu holen wird eine Erweiterung des Horizonts für diese sein.

(Anhaltende Unruhe)

Ich muss schon sagen, meine Herren, dass es sehr schwierig ist, hier zu reden, wenn ständig am rechten Rand dieses Plenarsaals Dialoge geführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Junge Menschen, die ihr Handwerk seit Jahren ausüben, leisten mit ihrem fundierten Wissen einen qualifizierten Beitrag und bereichern die Hochschulen. Diese Erkennt

nis, Herr Jung, finden wir bei all denjenigen, die den zweiten Bildungsweg beschreiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren der Landesregierung, hier können Sie erstmals in diesem Jahr zeigen, dass Sie es ernst meinen mit Ihrem Slogan „Bildungsland Hessen“.

(Beifall bei der SPD)

Das Niedersächsische Hochschulgesetz berechtigt Meisterinnen und Meister zur Aufnahme eines Studiums an Fachhochschulen und an allen wissenschaftlichen und künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschulen. Einer besonderen Bescheinigung hierfür bedarf es nicht. Ich persönlich bin für die Übernahme des niedersächsischen Gesetzes,um bundesweit eine möglichst hohe Einheitlichkeit herzustellen.Auch ist es wichtig, dass hessische Meisterinnen und Meister in Niedersachsen studieren können und umgekehrt.

(Beifall bei der SPD)

Wer eine Einschränkung will, der eröffnet die Debatte einer Wertung. Dies ist an dieser Stelle nicht angebracht und disqualifiziert Menschen, die den zweiten Bildungsweg gegangen sind, von der Werkbank bis zum Hörsaal, vom Hauptschüler zum Professor. Warum eigentlich nicht?

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass Bildung noch immer vom Einkommen der Eltern abhängig ist. Die Annahme unseres Antrags wäre ein großer Beitrag zur Chancengleichheit im Bildungssystem. Zeigen Sie in Ihrer Praxis, wie wichtig Ihnen das Handwerk wirklich ist, und handeln Sie schnell. Dann können zum Wintersemester die ersten Meisterinnen und Meister die Hochschulen bereichern. – Für die Aufmerksamkeit danke ich heute nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Klein von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst freue ich mich sehr, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, mit Ihrem heute vorgelegten Antrag dem Meisterbrief einen hohen Stellenwert einräumen und damit der Meisterausbildung Ihre Wertschätzung bekunden.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Auf Bundesebene war das anders!)

Auch wir sehen in dem großen Befähigungsnachweis Meisterbrief eine herausragende berufliche Qualifikation, die es entsprechend zu würdigen und anzuerkennen gilt. Allerdings, verehrte Frau Tesch, erlauben Sie mir an dieser Stelle schon einen Seitenhieb.Ich hätte mir sehr gewünscht, dass auch die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen von SPD und GRÜNEN in Berlin bei der Debatte um die Novellierung der Handwerksordnung dem Meisterbrief eine größere Wertschätzung und eine höhere Anerkennung eingeräumt hätten.

(Beifall bei der CDU – Michael Boddenberg (CDU): Da war doch was!)

In diesen Diskussionen war leider nichts, aber auch gar nichts von einer Aufwertung des Meisterbriefs und einer damit verbundenen Aufwertung der Attraktivität des Handwerks zu erkennen. Im Gegenteil, Frau Tesch, der Meisterbrief wurde sträflich und fahrlässig abgewertet.

(Beifall bei der CDU)

Die qualitativ hochwertige Meisterausbildung wurde regelrecht abgemeiert. Frau Tesch, das war Handlung der SPD und der GRÜNEN in Berlin.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Klein, Sie wissen doch selber, dass dies nicht stimmt!)

Herr Kaufmann, das stimmt.

Nun zurück zum vorliegenden SPD-Antrag, Meisterinnen und Meistern den Zugang zum fachbezogenen Hochschulstudium ohne die derzeitigen Zusatzanforderungen in Form eines Prüfungsgesprächs zu ermöglichen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, inhaltlich gibt es bei der Bewertung des angesprochenen Sachverhalts keine nennenswerten Differenzen zwischen Ihrer und unserer Auffassung zu diesem Thema. Die geforderten Erleichterungen beim Zugang zum fachbezogenen Hochschulstudium sind für uns als CDU-Fraktion nur ein erster Schritt, aber immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Im Regierungsprogramm 2003 bis 2008 finden Sie im Abschnitt „Lebensbegleitendes Lernen“ unter dem Punkt „Solide berufliche Erstausbildung“ die Aussage: „Der Meisterbrief soll zum allgemeinen Hochschulzugang berechtigen.“

(Silke Tesch (SPD):Aber wann?)

Ministerpräsident Roland Koch hat in seiner Regierungserklärung am 23.April 2003 wörtlich erklärt – ich zitiere –:

Zugleich wollen wir die Durchlässigkeit zwischen den...Ausbildungsgängen erhöhen.Deshalb wird... der Meisterbrief in der Regel auch die Berechtigung zum allgemeinen Hochschulzugang umfassen.

In einem Antrag der CDU-Fraktion – Drucks.16/56 – vom 29.April 2003 betreffend Gütesiegel Meisterprüfung können Sie im letzten Absatz nachlesen: „Weitere Erleichterungen sehen wir im Bereich des uneingeschränkten Hochschulzugangs für Meister...“

Gestatten Sie Zwischenfragen, Herr Kollege Klein?

Am Ende dann.

Diese Zitate belegen, dass wir als CDU-Fraktion nicht nur die geforderte Erleichterung für Meisterinnen und Meister beim Zugang zum fachbezogenen Hochschulstudium anstreben, sondern dass wir in einem weiteren Schritt den Meisterbrief noch einmal enorm aufwerten wollen, indem Meisterinnen und Meister die Zugangsberechtigung zum allgemeinen Hochschulstudium erhalten sollen.Aus diesem Grund hat die CDU-Fraktion auch den von Frau Tesch angesprochenen Dringlichen Entschließungsantrag vorgelegt, der zwei Punkte enthält. Nach den mir erteilten Auskünften aus dem Ministerium, verehrte Frau Tesch, ist derzeit bereits eine Änderung der Verord

nung über den Zugang besonders Befähigter zu den Hochschulen im Land Hessen vom 13. Juni 2002 in Arbeit und soll in Kürze in die Anhörung gehen.

Mit dieser Änderung entfällt für die Meisterinnen und Meister die bisherige Hochschulzugangsprüfung, und ein Handlungsauftrag, wie im SPD-Antrag vorgesehen, ist nach unserer Auffassung daher nicht mehr notwendig.

Lassen Sie mich an dieser Stelle erwähnen: Sie erklären, wir würden zu spät handeln. Ich erkläre an dieser Stelle, dass Sie zu spät handeln.Bis Sie dazu auffordern,etwas zu tun, hat diese Landesregierung ihre Aufgabe bereits erfüllt. Die Vorlage ist in Vorbereitung.