Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus dem Munde des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion Frank Gotthardt hat eben das schlechte Gewissen gesprochen. Denn die Freunde der Union haben offensichtlich kein Interesse daran, hier eine Entscheidung zu debattieren, die kein Mensch außerhalb der CDU nachvollziehen kann.
Das ist ein unglaublicher Vorgang.Vorgestern beantragte die FDP den Austausch eines aktuellen Tagesordnungspunktes gegen einen anderen Punkt der FDP. Nichts anderes beantragen heute die GRÜNEN. Es geht hier nicht um die Verzögerung der Sitzung, es geht um den Austausch eines Antrags der GRÜNEN, der nun unbestreitbar einen extrem aktuellen Anlass hat, gegen einen anderen Antrag der GRÜNEN.
Deshalb gibt es nur eine Antwort darauf, warum Sie diesem Antrag widersprechen: Sie wollen nicht, dass in diesem Hause über die Schließung des Fliedner-Hauses debattiert wird.
Ich komme ursprünglich aus dieser Region. Das FliednerHaus unterscheidet eines von allen anderen Einrichtungen in unserem Bundesland Hessen und – ohne andere Kenntnis – wahrscheinlich sogar in der Bundesrepublik. Dieses Fliedner-Haus ist nämlich bei der Bevölkerung, bei den umliegenden Anwohnern absolut anerkannt. Als die letzte Landesregierung versucht hat, das FliednerHaus zu schließen, gab es Unterschriftensammlungen der Anwohner des Fliedner-Hauses, dass dieses erhalten bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,den großen Erfolg des Fliedner-Hauses in der Vermittlung junger Men
schen in Arbeitsplätze,die hervorragende Ausstattung des Fliedner-Hauses, die hervorragenden Erfolge des Fliedner-Hauses – dies wollen Sie mit einem Federstrich zunichte machen. Sie haben nicht einmal die Größe, dass Sie dies hier debattieren. Geben Sie sich einen Ruck. Schließen Sie das Fliedner-Haus nicht ohne eine Debatte. Geben Sie uns die Chance, hier für den Erhalt des FliednerHauses einzutreten.
Herr Gotthardt, ansonsten bleibt nur Ihr schlechtes Gewissen über eine Entscheidung, die Sie nicht einmal begründen können, offensichtlich auch nicht in diesem Parlament begründen wollen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Es ist per Geschäftsordnungsantrag begehrt worden, den Tagesordnungspunkt 14 mit Tagesordnungspunkt 36 zu tauschen. Wer dem Begehren der GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit stelle ich fest, dass für den Geschäftsordnungsantrag die GRÜNEN, die SPD-Fraktion und die FDP und dagegen die CDU-Fraktion gestimmt haben. Letzteres war die Mehrheit. Deswegen ist dieser Antrag abgelehnt.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Maulkorberlass für hessische Förster – Drucks. 16/2202 –
Redezeit ist vereinbart mit zehn Minuten pro Fraktion. Als erster Redner hat Abg. Häusling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu Beginn eine kurze Beschreibung des Zustandes der hessischen Wälder.Ich habe vor kurzem eine Rundreise gemacht.Sie konnten das letzte Woche in der Presse verfolgen. Die Trockenheit des letzten Jahres hat erhebliche Spuren in den hessischen Forsten hinterlassen. Bei den Buchen gibt es erhebliche Trockenschäden. Da können sich teilweise nicht mehr Tauben verstecken. Da können sich nur noch Buchfinken hinter den Blättern verstecken. Die Fichtenbestände werden vom Borkenkäfer heimgesucht. Die Eichen leiden überall an Kronentrockenheit.
Besonders schlimm – davon konnte ich mich vor Ort überzeugen – ist die Lage rund um Frankfurt und Darmstadt. Hier gibt es ganz erhebliche Trockenschäden. Man kann teilweise sagen, es gibt richtige Versteppungstendenzen – natürlich auch durch Grundwasserabsenkung bedingt. Diese Trockenheit will ich nicht dem hessischen Forstminister anlasten. Es hat aber eine Bedeutung hin
sichtlich der Ausrichtung der hessischen Forstpolitik der nächsten Jahre. Das wird zurzeit anscheinend ignoriert.
Ich hatte viel Gelegenheit, mit Forstbeschäftigten zu sprechen. Man muss sagen, die Stimmung bei den hessischen Förstern und Forstbeschäftigten ist am Nullpunkt. Die hessischen Förster wissen bis zum heutigen Tage nicht, wo sie morgen arbeiten,
und zwar aufgrund des großen Stühlerückens, das das Ministerium veranstaltet hat. Die Waldarbeiter bangen wirklich um ihren Job und stehen im Zweifelsfall sogar auf der Straße. Sehr geehrter Herr Dietzel, Sie haben anlässlich einer Versammlung in Alsfeld den Beschäftigten von Hessen-Forst einen Dialog angeboten. Bis jetzt können wir nicht feststellen, dass Sie diesen Dialog aufgenommen haben. Ich vermisse auch, dass Sie sich vor Ort ein Bild über die Lage der hessischen Forste machen. Da sind Sie im Wesentlichen abgetaucht. Anders kann man nicht verstehen, warum sich Ihre Stellungnahmen zur Situation in hessischen Forsten immer so positiv darstellen, denn Sie müssen tatsächlich den Überblick verloren haben. Das setze ich einmal voraus. Denn wenn man einmal Ihr Presseprogramm sieht, was Sie veranstalten, dann sind Sie überall, aber natürlich nicht in den hessischen Forsten, für die Sie zuständig sind.
Nehmen wir nur ein Beispiel:ein Pressetermin mit Freund Grieneisen in Bad Wildungen. Demnächst wird er wahrscheinlich von Viehmarkt zu Viehmarkt ziehen und jeder Kuh, die 10.000 l Milch gibt, ein Schleifchen umhängen. Das hat wenig mit der Situation und dem zu tun, was sich im Forst abspielt.
Man muss sagen, das liebe Vieh ist dem Minister wahrscheinlich dankbarer, als wir es sind. Es stellt keine dummen Fragen. Man hat den Eindruck, das operative Geschäft im Ministerium hat der Herr Staatssekretär übernommen. Dass im hessischen Forst die Hütte brennt, lässt den Minister anscheinend völlig kalt.
Nehmen wir einmal Ihre Stellungnahme zur Borkenkäferproblematik. Nach Ihren Presseveröffentlichungen ist das alles kein Problem. Hessen-Forst hat die Lage im Griff.Wenn nicht, dann haben wir Freunde bei der chemischen Industrie. Dann können wir das chemisch in den Griff bekommen. Genau das ist das Problem. Sie versuchen, dieses Problem kleinzureden. Bis jetzt – so muss man sagen – haben Sie relativ viel Glück gehabt. Es gibt dieses Jahr keine dritte Käfergeneration.Aber warten Sie einmal ab, wenn es jetzt einmal drei Wochen heiß wird. Dann kann die Lage sofort ganz anders aussehen.Von einer normalen Forstwirtschaft kann unter diesen Bedingungen schon längst nicht mehr ausgegangen werden.Allein der Anfall des Schadholzes wird so viel sein wie der normale Einschlag. Das heißt, den normalen Einschlag hat im Prinzip der Borkenkäfer übernommen.
Meine Damen und Herren, aber der Leiter von HessenForst hatte vor kurzem andere Probleme.Statt sich um die Lage im Forst und um die Borkenkäfer zu kümmern, haben der Minister und Hessen-Forst einen so genannten Maulkorberlass herausgegeben. Darin wird den Förstern gesagt, sie sollen sich bitte schön bei ihren Presseveröffentlichungen erst einmal mit ihrer Leitung abstimmen und dann marktstrategisch verhalten. Was heißt „marktstrategisch verhalten“? Im Grunde kann man es anders übersetzen: Wenn die Förster nicht das Maul halten, dür
fen sie demnächst Proben von der Lebensmittelkontrolle durch das Land fahren. Genau das ist die Situation.
Herr Minister, was wäre gewesen, wenn die Forstreform schon umgesetzt wäre, wenn wir nur noch die Hälfte des Personals im hessischen Forst und dazu einen Sommer wie letztes Jahr gehabt hätten? Dann hätten wir die Katastrophe hoch drei. Dass Ihr Ministerium den Bezug zur Realität völlig verloren hat, merkt man an Ihrem Borkenkäferprogramm. Sie haben es öffentlichwirksam sehr gut verkauft und haben gesagt: Das Land Hessen gibt 600.000 c, um den Borkenkäfer zu bekämpfen. – Dann wundern Sie sich – wir haben im letzten Plenum nachgefragt –, warum es kaum in Anspruch genommen wird. Das ist ganz einfach. Das Ministerium hat sich nicht besonders viel Mühe gemacht. Die haben einfach das Bayernprogramm übernommen, auf Hessen übertragen und gesagt: Jetzt kommt es einmal hin.
Es nimmt keiner an, weil völlig unrealistische Vorgaben gemacht werden. In Hessen wird keiner mehr für 2 c Fichten entrinden. Das hat es vielleicht 1970 gegeben, aber mittlerweile macht das keiner mehr. Das Holz soll aus dem Wald gefahren werden.Wenn ich mir unsere Lagen in Nordhessen angucke, dann wird man 20 km fahren müssen, um das Holz aus dem Wald zu bringen – völlig an der Realität vorbei. Genauso sinnvoll wäre es gewesen, das Ministerium hätte Überflugverbotszonen für Borkenkäfer gemacht. Das wäre ein Programm gewesen, das genauso viel geholfen hätte. Genau das ist der Punkt. Sie können das nicht leisten.
Zu Ihrem Umgang mit dem Personal in den hessischen Forsten. 441 Forststellen sind ausgeschrieben worden, zwei Wochen Bewerbungsfrist, das Ganze auf immerhin satten fünf DIN-A4-Seiten für die Beschäftigten im hessischen Forst.Was hat den hessischen Förster zu interessieren? – Erst einmal: Wie viel Holzboden gibt es? Ist das Staats- oder Privatwald? Wie groß ist der Hiebsatz? Und welche Baumarten gibt es dort?
Damit sollen sich die Förster in Hessen auf 441 Forststellen bewerben.Dass diese Förster vielleicht auch noch eine Familie haben und dass sie sich orientieren müssen, wo sie hin wollen, wird völlig außer Acht gelassen. Das ist wirklich unglaublich.
Dass die Förster draußen wirklich noch ihre Arbeit machen, ist schon ein Wunder. Die Landesregierung organisiert hier wirklich das Chaos. Wir hatten heute Morgen schon das Besetzungschaos beim Nationalpark. Das war sozusagen das Vorspiel. Was jetzt folgt, ist das Besetzungschaos für jede einzelne Stelle bei Hessen-Forst. Dann können wir uns streiten, ob es 20 % oder 40 % Konkurrentenklagen gibt. Aber bis mal wieder Ruhe in den Laden gebracht wird, werden noch Jahre vergehen.
Dann ist da noch die Abservierung der hessischen Waldarbeiter. Diejenigen, die noch nach Leistung, nach Akkord, bezahlt worden sind, werden jetzt in die Wüste geschickt und sozusagen als Eingreiftruppe für den Herrn Ministerpräsidenten für jede Gelegenheit parat gehalten. Auch Herr Seif präsentiert in jeder Ausschusssitzung eine neue Geschichte, wo die hessischen Waldarbeiter hin sollen. So hat z. B. der Hessische Ministerpräsident in Kassel unter großem Applaus gesagt: Wir werden mal sieben
Leute schicken, um den Park Wilhelmshöhe aufzuräumen. – Das ist wichtig und gut, auch im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt. Aber wo werden die Leute abgezogen? Genau bei uns im Forstamt Jesberg werden jetzt zwei Leute abgezogen.Sie stehen dort nicht mehr zur Verfügung,um wirklich etwas im Wald zu tun.Die beiden dürfen sich jetzt in Kassel zu Ehren des Herrn Ministerpräsidenten abplagen.
Ein Waldarbeiter sagte mir in dem Zusammenhang neulich, dass man von den sieben neuen Plagen für den Wald spricht. Das sind Emissionen, Dürre, Borkenkäfer und Blattläuse.Das alles sind noch natürliche Plagen.Aber die anderen drei Plagen sind Gerst, Seif und Dietzel. Diese drei Plagen seien noch viel schlimmer.
Herr Dietzel, man muss fragen, wo die Reise bei HessenForst hingeht. Wo ist das Konzept für eine nachhaltige Forstpolitik zusammen mit den Menschen, die dort ihr Brot verdienen? Man muss auch konstatieren, dass das ganze Thema Waldpädagogik nur noch ein Thema für die Geschichtsbücher sein wird. Denn das wird – und da können sie noch so viel dementieren – demnächst flachfallen. In den Wäldern rund um Frankfurt und Darmstadt ist doch eine normale Forstwirtschaft, wie Sie sie betrachten, gar nicht mehr machbar.Angesichts der Versteppungstendenzen geht es hier wirklich nur noch um den Erhalt des Waldes und bestenfalls um eine Sanierung.Das muss auch sein,denn die Erholungsfunktion gerade dieser Wälder ist von enormer Wichtigkeit für die Region. Aber was bedeutet denn die Forstreform im Endeffekt? Sie hatten doch nur ein Ziel vor Augen, nämlich gegen nachhaltige Forstwirtschaft und gegen die Interessen der Beschäftigten zulasten zukünftiger Generationen die Bilanzen aufzufrischen. Das wird schief gehen, Herr Minister.
Ich prophezeie hier, dass am Ende dieses ganzen Umstrukturierungsprozesses die Privatisierung hessischer Wälder stehen wird.Das können Sie jetzt auch noch zehnmal dementieren. Aber genau das wird der Prozess sein. Dann stehen wir vor einer Situation, wie wir sie vielleicht in anderen Bereichen auch haben, sodass die Devise lautet: Kasse machen statt nachhaltiger Forstpolitik.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir fordern eine Rückkehr zu einer Forstpolitik, die ökonomischen Aspekten genauso Rechnung trägt wie ökologischen Aspekten. Wir fordern einen Bürgerwald, vor allem rund um Frankfurt und Darmstadt, der die Erholungsfunktion und eine Nachhaltigkeitsstrategie bei der Nutzung statt kurzfristiger Gewinnorientierung in den Vordergrund stellt. Und wir brauchen regionale Wertschöpfung, z. B. durch den Einsatz von Holz als regenerativem Energieträger. Das alles muss zusammen mit den Beschäftigten durchgeführt werden und nicht gegen sie. – Vielen Dank.
Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor. – Herr Bender, wollen Sie sich zu diesem Tagesordnungspunkt melden? – Bitte, dann hat der Abg. Bender für die SPD-Fraktion das Wort.