Protokoll der Sitzung vom 15.07.2004

Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor. – Herr Bender, wollen Sie sich zu diesem Tagesordnungspunkt melden? – Bitte, dann hat der Abg. Bender für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns jetzt mit einem der wesentlichsten Teile unserer Umwelt, nämlich mit dem Wald. Der Wald in seiner langfristigen Lebenssystematik als dynamischer Teil unserer Landschaft ist nicht das richtige Objekt, um damit kurzfristig irgendeinen Klamauk zu veranstalten.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grunde empfehle ich all denjenigen, die jetzt glauben, dass der Wald nur noch ein Teil der Profitoptimierung sei, einen Blick in unsere gemeinsame parlamentarische Historie. Die Resolution Drucks. 13/6171 – ich darf sie zitieren – gibt den gemeinsamen Willen aller Fraktionen in diesem Hause wieder. In ihr wird unter anderem ausgeführt:

Politisch Verantwortliche (Einbeziehung der Man- datsträger bis hinunter in die Gemeindevertretun- gen) müssen auf die forstwirtschaftlich extrem schwierige Situation aufmerksam gemacht werden.

Jetzt kommt das Wichtigste:

Der Hessische Landtag fordert eine vermehrte Aufklärung der Bevölkerung. Nur bei einer zunehmenden Sensibilisierung weiter Bevölkerungskreise kann das Verständnis um die Probleme des Waldes gesteigert werden.

(Gerhard Bökel (SPD): Ich glaube, das war einstimmig!)

Das war einstimmig.

Ich bedauere es sehr, wenn wir jetzt feststellen müssen, dass diejenigen, die eigentlich die Aufklärung der Bevölkerung durchführen sollen, nämlich die Forstfachkräfte, durch einen Erlass oder durch eine Geschäftsanweisung, wie es heute heißt, mit dem Satz eingeschränkt werden: „Ich bitte Sie, ab sofort nur noch in absoluten Ausnahmesituationen Presseberichte zu verfassen, und um eine äußerst zurückhaltende, marktstrategisch kluge Öffentlichkeitsarbeit.“

Wie verbindet sich dies mit dem nach wie vor gültigen Auftrag des Landes zur umfassenden Aufklärung der Bevölkerung?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen hier einen Wertewechsel innerhalb der Behandlung des Waldes durch die Einrichtung von HessenForst fest. Mit der einseitigen Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit nach marktstrategischen, sprich: ökonomischen, Gesichtspunkten offenbart sich dieser Wertewandel in der Behandlung des hessischen Waldes.

Die IG BAU hat in ihrer Mitgliederinformation die Situation in der hessischen Forstverwaltung sehr drastisch formuliert: „Verraten und verkauft“. Oder noch drastischer: „Belogen, betrogen, verraten und verkauft“.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie soll man denn noch deutlicher den Missmut innerhalb der Mitarbeiterschaft formulieren, um diejenigen, die politische Verantwortung haben, aufzurütteln?

Ich sage nach wie vor: Das ganze Elend fing mit der Bildung des Landesbetriebes Hessen-Forst an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unseren Warnungen vor der einseitigen Ausrichtung der Waldbehandlung in Richtung auf einen Holzhackerbetrieb wurde mit scheinheiligen Lippenbekenntnissen begegnet. Alle Abgeordneten im Hessischen Landtag wurden bewusst hinters Licht geführt. Hochtrabende Versprechungen bei der Einrichtung von Hessen-Forst sind wie Seifenblasen zersprungen. Eine gut funktionierende, hoch motivierte und weltweit als Vorbild anerkannte Forstverwaltung wurde als Regiebetrieb zerschlagen. Das mühsam über Jahrzehnte aufgebaute Vertrauensverhältnis aller Waldbesitzarten untereinander wurde nachhaltig gestört.

Die Zerschlagung der Forstorganisation schadet dem Wald und der hessischen Bevölkerung.

(Beifall des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Nachdem die versprochenen Erfolge des Landesbetriebs ausgeblieben sind, wurden alle Vorgaben der neuen Verwaltungsteuerung und der Schulungen missachtet. Eine Umstrukturierung der Forstverwaltung nach Gutsherrenart verärgerte alle Beteiligten derart, dass das Vertrauen in die Führung gänzlich verloren ging.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Bei der Schließung von 50 % der Forstämter, einem Drittel aller Revierförstereien und dem Abbau von 600 Waldarbeitern wurde nicht der umfassende Auftrag berücksichtigt, den eine multifunktionale Forstwirtschaft hat. Notwendig wäre es, Ihre völlig verfehlte Organisationsmaßnahme zurückzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will es deutlich sagen: Die naturgemäße Waldwirtschaft wurde von einer profitmaximierenden Forstwirtschaft abgelöst.

Wer glaubt, dabei bestehen zu können, möge sich einige Rahmenbedingungen anhören. Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie der Raubbau in den Ländern der ehemaligen UdSSR oder der illegale Holzeinschlag in Indonesien,verhindern einen fairen Wettbewerb.Wer sich bewusst unter diesen Rahmenbedingungen auf einen Wettbewerb mit den marktbeherrschenden Global Players einlässt, handelt grob fahrlässig. Die dringende Unterstützung, die der ländliche Raum bräuchte, der zu den strukturschwachen Gebieten zählt, wird durch den Abbau der dort notwendigen Arbeitsplätze vordergründig unterlaufen. Der Personalabbau gefährdet massiv die optimale Erfüllung der Aufgaben, die zur Sicherung der sozialen Funktionen des Waldes notwendig sind. Die Veröffentlichungen der Naturschutzverbände und des Spitzenverbands der Wanderer belegen diese Befürchtungen eindringlich.

Ich frage Sie:Wann wird die Führung der Hessischen Landesregierung endlich aus der Zuschauerrolle heraustreten und im Sinne des hessischen Waldes tätig werden? Mit den sachfremden Vorgaben zur Umorganisation wurden die Rahmenbedingungen zur Zertifizierung des Forstes

infrage gestellt.Anstatt den Forstfachleuten den Mund zu verbieten, wären verstärkt Aufklärungsaktionen über den gefährdeten Zustand des Waldes notwendig. Die Frage der Waldpädagogik wurde hier schon einmal angesprochen. Ich kann das nur deutlich unterstreichen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion hält an ihrer Forderung fest, dass möglichst schnell ein Waldsanierungsprogramm insbesondere für den südhessischen Raum vorgelegt werden muss. Wenn man insbesondere die hessischen Kleinbesitzer des Privatwaldes wirkungsvoll unterstützen und eine fachgerechte Behandlung des Waldes sichern will, halten wir die Umsetzung der begonnenen und dann abgebrochenen Aufnahme, welchen Wald es in kleinflächigem Privatbesitz gibt, für dringend erforderlich. Herr Minister, anstatt die Aus- und Fortbildungsstätte von Hessen-Forst in Schotten infrage zu stellen, sollte die Landesregierung schnellstens ein Konzept zur Weiterbildung und zur Intensivierung der Waldpädagogik vorlegen.

Nehmen Sie trotz Ihrer absoluten Mehrheit endlich die Verantwortung ernst, die Sie für den hessischen Wald haben. Denn eines steht fest: Der in öffentlicher Hand befindliche hessische Wald gehört nicht der Hessischen Landesregierung. Er gehört schon gar nicht der Landesbetriebsleitung. Vielmehr gehört er allen hessischen Bürgerinnen und Bürgern. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Otto für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Hitzesommer des Jahres 2003 hat nicht nur die Sonnenanbeter verwöhnt.Vielmehr verwöhnte er auch den BuchdruckerBorkenkäfer und den Kleinen Kupferstecher. Dank der anhaltenden Trockenheit konnten sie sich ungewöhnlich gut vermehren. Sie produzieren deshalb zwei, manchmal sogar drei Generationen. Deshalb müssen die Waldbesitzer in den nächsten Wochen und Monaten ihre Nadelholzbestände sehr aufmerksam kontrollieren und von Borkenkäfer befallene Nadelbäume – meist sind dies die Fichten – sofort fällen und aus dem Wald schaffen.

Bis jetzt sind die hessischen Waldbesitzer mit einem blauen Auge davongekommen. Wegen des wechselhaften und feuchten Wetters haben sich die Borkenkäfer im Frühjahr dieses Jahres weniger vermehrt, als befürchtet wurde. Trotzdem kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Erhöhte Wachsamkeit ist weiterhin notwendig. Die Experten rechnen mit einem zweiten Schwärmflug der Schädlinge.

Nach dem Auftreten des Borkenkäferbefalls ist schnelles Handeln notwendig. Die Waldbesitzer werden von den Forstämtern durch Beratung und Betreuung hinsichtlich der Frage unterstützt, wie man die Borkenkäfer bekämpft. Die wirkungsvollste Maßnahme zur Vorbeugung bzw. zur Einschränkung der Schäden durch Borkenkäferbefall ist die umfassende Beseitigung des bruttauglichen Materials aus dem Wald.

Mir scheint, dass manchem aus diesem Haus die Borkenkäferplage sehr willkommen ist. Das haben wir vorhin vernommen. Das steht im Gegensatz zu den Waldbauern. Die haben deswegen nämlich echt große Sorgen.

Eines sollte uns aber auch bewusst sein: Es hat schon immer Schäden in der Natur durch Borkenkäferplagen oder Ähnliches gegeben. Diesen Schäden in der Natur muss man entschlossen entgegentreten, so wie es die Landesregierung mit der Auflegung eines Förderprogramms zur Unterstützung unserer hessischen Waldbauern auch gemacht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zur Vorbeugung und zur Bekämpfung der aktuellen Borkenkäferkalamität wurden durch Umschichtung von Haushaltsmitteln 600.000 c bereitgestellt, und zwar für die Aufgaben, das Holz im Wald zu entrinden, befallenes oder fängisches Holz auf Lagerplätze zu bringen oder befallende Jungbestände zu hacken oder zu mulchen.

In der Fragestunde, die am 15. Juni dieses Jahres stattgefunden hat, hat der Minister über die Annahme des aufgelegten Förderprogramms berichtet. Das Programm wurde von den Waldbesitzerorganisationen als richtig platziert angesehen und als rechtzeitig eingeleitete Maßnahme begrüßt. Es sollte als Signal, als Anreiz und Aufforderung gerade für Besitzer von kleinem Privatwald verstanden werden, die Aufarbeitung der befallenen Bäume zügig vorzunehmen. Als Ziel nannte der Minister damals, die bereitgestellten Fördermittel sollten komplett den hessischen Waldbesitzern zur Bekämpfung der Borkenkäfer zugeführt werden. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, wollte er das Programm ändern und die Förderungsmodalitäten und Förderungskriterien modifizieren.

Ziel muss eine effektive Bekämpfung der entstandenen und noch entstehenden Schäden sein, damit unsere Wälder in einem guten Zustand erhalten bleiben.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Für einige ist dieser überall sehr stark auftretende Schaden in der Natur eine sehr große Katastrophe. Das haben wir vorhin auch bei den Äußerungen des Herrn Kollegen Häusling vernommen. Das mussten wir leider auch bei den durch Wiebke und Lothar verursachten Windwurfkatastrophen erleben. Nur, damals fiel die zehnfache Menge an Schadholz an. Damals entstand gegenüber heute die zehnfache Menge Schaden in der Natur.Vorhin konnte man aber vernehmen, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ständig von einer Katastrophe redet. So schlimm die Borkenkäferplage auch sein mag, sie ist, Gott sei Dank,noch keine Katastrophe.Da aber ständig von einer Katastrophe geredet wird,wird der Holzpreis damit in den Keller gedrückt. Er gerät immer weiter unter Druck. Das müsste nicht sein, wenn man mit dem Sachverhalt ordnungsgemäß umgehen würde.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Zum Glück haben Hessen-Forst und viele andere Waldbesitzer für das Jahr 2004 Vorsorge getroffen und in den Kaufverträgen für das Holz die so genannte Käferklausel aufgenommen. Sie sind deshalb dem gegenüber gewappnet, was die Fachleute schon im Vorfeld erkannt haben.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, Hessen-Forst ist in der Lage – das ist von den beiden Vorrednern eben bezweifelt worden –, sollten noch größere Käferschäden auftreten, die Aufarbeitung von Käferholz zeitnah zu organisieren.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Käferschäden auch in diesem Ausmaß sind für Forstleute nichts Neues.Herr Bender,das müssten Sie eigentlich wissen. Sie kennen traditionell den Umgang mit diesen Schwierigkeiten, die immer wieder einmal in verschiedenen Jahren auftreten.Wir haben das große Glück,dass wir noch Läger aus den Windbruchkatastrophen haben und sie eventuell nutzen können. Die EU ist sogar so weit gegangen, dass Stilllegungsflächen nach Freigabe durch die EU als Holzlagerplätze genutzt werden können.