Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ministerpräsident Koch hat irgendwann einmal gesagt: Regieren muss man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Ich frage Sie:Warum machen Sie das eigentlich nicht?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie ändern 53 Gesetze und Verordnungen, fast alle Bereiche der Landesverwaltung sind betroffen, besonders das Innenministerium, das Umweltministerium und das Justizministerium. Wo ist eigentlich das Projekt, das Sie uns immer großspurig vorgestellt haben,nämlich die Abschaffung der Widerspruchsverfahren? Das war im alten zweiten Gesetzentwurf zur Verwaltungsstrukturreform eines Ihrer Highlights. Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Abschaffung der Widerspruchsverfahren das Gegenteil von Bürgerfreundlichkeit und Effizienz ist. Es werden dadurch viel mehr Verfahren vor die Verwaltungsgerichte getragen.

Die Personaleinsparungen, die Sie bei den Regierungspräsidien vornehmen, werden durch Mehrbelastung in den Verwaltungsgerichten wieder wettgemacht. Das Pikante ist, dass das ausgerechnet von dem Minister zu verantworten ist, der sozusagen ein Eintrittsgeld für Gerichtsverfahren erheben will. Er führt Eintrittsgelder für Gerichtsverfahren ein, schafft Widerspruchsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger ab und zwingt sie so vor die Verwaltungsgerichte, damit die Verwaltungsgerichte belastet werden. So sieht die Verwaltungsreform dieser Landesregierung aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche machen Sie bei den Amtsgerichten. Bei der Schließung von kleinen Amtsgerichten beziehen Sie sich permanent auf das Gutachten des Hessischen Rechnungshofs. Sie haben aber nur Teile des Gutachtens des Hessischen Rechnungshofs umgesetzt.

(Heike Hofmann (SPD): Genau!)

Die Frage ist doch immer noch offen:Warum machen Sie einzelne Gerichtsstandorte dicht und gliedern sie anderen Gerichten an? Warum lassen Sie andere wiederum als Außenstellen bestehen? Warum lassen Sie ganz kleine Gerichte bestehen? Andere Gerichte, die Sie anderen zuordnen,sind vorher vollkommen renoviert worden.Dabei versteht kein Mensch, warum dieser Gerichtsstandort zugemacht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hilft es dabei vielleicht, wenn der Direktor eines Amtsgerichts verwandtschaftliche Kontakte ins Kabinett hat? Im Falle Fritzlar haben wir gesehen, dass es zumindest nicht schadet.

Bei der Polizei passiert genau das Gleiche. Warum der neue Landespolizeidirektor statt der Besoldungsgruppe B 3 wie der Vorgänger jetzt die Besoldungsgruppe B 4 erhalten soll, das bleibt alleine Ihr Geheimnis.

(Zurufe des Ministers Volker Bouffier und der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Herr Minister, was Sie gesagt haben, das lese ich in dem, was Sie vorgelegt haben, nicht. In dem Entwurf, den Sie

vorgelegt haben, lese ich nur die Aufstockung von B 3 nach B 4. So sieht die Realität hier in Hessen aus.

Während bei den kleinen Verwaltungen, z. B. bei den Polizeibeamten, das Geld gespart und eingesammelt wird – Zukunftssicherungsgesetz haben Sie das genannt, wir sagen dazu „düstere Zukunft“ –, befördern Sie den Herrn Inspekteur bei der Polizei in die Gehaltsgruppe B 4.

Dem kleinen Polizeibeamten streichen Sie das Urlaubsgeld und Teile des Weihnachtsgeldes, und er muss 42 Stunden in der Woche arbeiten.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Der kleine Beamte hat einen Gehaltsverlust von 12 %. – Frau Zeimetz-Lorz, ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, aber so sind die Realitäten in Hessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,Sie führen eine neue Stelle ein und dotieren sie mit B 4. Das ist die Realität in Hessen.

In vielen anderen Bereichen sind Sie immer noch dabei, die „Operation düstere Zukunft“ nachzubereiten. Nach und nach müssen Sie alte Dienstleistungsbezeichnungen einsammeln und durch neue Sprachbegriffe ersetzen. Man muss nicht weiter darüber sprechen. Das sind keine reformerischen Großtaten, sondern das ist das Umsetzen dessen, was wir „Operation düstere Zukunft“ nennen. Das Gleiche gilt für die Zerschlagung des hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz, das Sie selbst vor etwa drei Jahren gegründet haben. Da war es noch ein Modellprojekt für die gelb-schwarze Landwirtschaftspolitik.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Leuchtturm ist gesunken! – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dieses Reformprojekt lösen Sie nach drei Jahren auf, machen daraus im Prinzip zwei Behörden. Nach drei Jahren ist das, was Sie uns vorher als Reform verkauft haben, weggewischt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so sieht die Realität der Verwaltungsreform in Hessen bei Ihnen aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was ist das Ziel des Landesbetriebes Landwirtschaft? Wie soll der Landesbetrieb wirtschaftlich arbeiten? Er soll Einnahmen erzielen. Einnahmen können Sie aber nur generieren, wenn Sie demnächst den Landwirten die Beratung in Rechnung stellen. Ich erinnere daran, dass im Kammerauflösungsgesetz seinerzeit z. B. gesagt worden ist, dass für Beratung von den Bauern kein Geld genommen werden soll. Jetzt führen Sie durch die Hintertür für die Beratung von Bauern Gebühren ein und gehen damit sozusagen einen ganz anderen Weg. Sie waren früher diejenigen, die in diesem Hause immer gefordert haben, dass die Beratung für die Landwirtinnen und Landwirte umsonst sein soll.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Nicht umsonst, das wollen wir festhalten! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist die Realität in diesem Lande!)

Jetzt machen Sie Ihr großes Reformprojekt, das Sie hier angekündigt haben, wieder rückgängig.

Wenn man loben kann, soll man auch loben. Ich will das an dieser Stelle ausdrücklich tun. Es betrifft den Natio

nalpark Kellerwald. Da sind Sie endlich sozusagen auf den Pfad der Tugend zurückgekommen.Wir haben immer gesagt, dass im Nationalparkamt die Zuständigkeiten für Naturschutz, Forst und Jagd gebündelt sein müssen. Sie haben das immer abgelehnt. Jetzt vollziehen Sie es nach. Man kann noch hoffen, dass Sie ab und an Anregungen und Forderungen der Opposition aufnehmen. Das ist wirklich eine sinnvolle Forderung, die wir gestellt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau ZeimetzLorz, ich bin gespannt, wie wir uns nachher über die Anhörung verständigen. Das ist auch so ein Ding: Sie bereiten einen Riesengesetzentwurf vor, in dem 53 Artikel geändert werden, und gestern kommt die Information ins Fach, dass wir heute eine Sondersitzung des Innenausschusses machen müssen, um die Anhörung der Verbände zu klären. Ich denke, dass Sie genügend Zeit gehabt hätten, ein vernünftiges Gesetzgebungsverfahren zu machen. Dann müssten wir jetzt nicht sozusagen im Schweinsgalopp – Frau Apel ist im Moment nicht da,dann darf ich das sagen –

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

noch vor Ende des Jahres das Gesetz verabschieden.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme sofort zum Schluss. – Wer soll denn zuständig sein? Wir haben einmal gesagt, dass für die Verwaltungsreform der Hauptausschuss zuständig ist. Sie sagen jetzt, federführend soll der Innenausschuss sein.Auch der Umweltausschuss ist von diesem Gesetzentwurf stark betroffen. Ferner ist der Rechtsausschuss in vielen Teilen betroffen. Ich frage mich, wie wir hier ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren und geordnete Anhörungen machen können und wie wir zu einem Gesetz kommen sollen, das den Namen „Zweites Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform“ verdient. Meine Damen und Herren, das, was Sie in dem Bereich bisher veranstaltet haben, ist nur Chaos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Frömmrich, ich glaube, wir können uns darauf einigen, dass es das zweite Gesetz zum Thema Verwaltungsstrukturreform ist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Drittes!)

Es gab ein erstes „Zweites Gesetz“. Jetzt gibt es ein zweites „Zweites Gesetz“. Aber ich glaube schon, dass es der Denkleistung eines Abgeordneten des Hessischen Land

tages entsprechen kann – wir haben es alle geschafft –, das auseinander zu halten. Es gibt verschiedene Entwürfe. Herr Innenminister, offensichtlich hat das zweite „Zweite Gesetz“ das erste „Zweite Gesetz“ bei den Beratungen überholt. Das haben wir festgestellt. Der Kollege Frömmrich hat es eben noch einmal ausgeführt. Ich muss gestehen: Mich interessiert das wenig. Aber wenn Sie hier so viele Worte und so viel Zeit darauf verwenden, wollte ich wenigstens darauf hinweisen, dass es nunmehr ein ganz vernünftiges Verfahren gibt, dass nämlich der Gesetzentwurf, der nun eingebracht worden ist, das „Zweite Gesetz“ ist. Dann werden wir schauen, was das „Dritte Gesetz“ beinhaltet, z. B. ob die Regelungen über die Widerspruchsverfahren enthalten sein werden. Ich hoffe, dass sie nicht so enthalten sein werden, wie sie im Entwurf stehen, den z. B. die Landespersonalkommission und andere erörtert haben.Aber das werden wir sehen.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Gesetzentwurf, der uns nun im Hause vorliegt und der den Titel „Zweites Gesetz“ trägt, enthält viele gute Punkte, manche schlechte Punkte und eine ganze Reihe von Punkten, die wir als FDP-Fraktion noch nicht abschließend beurteilen können. Ich will deshalb nur kurz etwas zu fünf Punkten sagen und hoffe, in keinster Weise die verabredeten zehn Minuten nutzen zu müssen.

Erstens. Die Reduzierung der Amtsgerichte. Jawohl, Herr Innenminister, Sie haben vollkommen Recht. Der Landesrechnungshof – der Vizepräsident ist anwesend – hat der Landesregierung eine Empfehlung gegeben, in der gesagt worden ist, dass unter speziellen Kriterien die und die Amtsgerichte wegfallen sollen.Hätten Sie das 1 :1 umgesetzt – jetzt müsste ich eigentlich zu dem Kollegen Justizminister schauen, der aber leider gerade gestört ist, also komme ich wieder zu Ihnen zurück –,

(Minister Dr. Christean Wagner spricht mit Abg. Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).)

was der Rechnungshof aufgeschrieben hat, dann hätte man sich anders verhalten. Ich will Ihnen nur sagen: Das Amtsgericht Bad Vilbel stand nicht in dem Auflösungsszenario des Landesrechnungshofes. Trotzdem hat diese Landesregierung – jetzt ist der Justizminister befreit;

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Entstört!)

entstört – beschlossen, das Amtsgericht in Bad Vilbel zu schließen. Ich will damit nicht sagen, dass ich das hundertprozentig gut oder schlecht finde. Sie wissen, dass ich das in der Öffentlichkeit auch nicht groß kritisiert habe. Sie können aber nicht vortragen, dass Sie das gemacht haben, was der Rechnungshof gesagt hat. Sie haben in diesem Bereich etwas anderes gemacht. Dann begründen Sie es hier aber auch korrekt und nicht nach dem Motto: „Wir machen nur das, was der immer vernünftige Rechnungshof als die obere Gewalt vorgesehen hat“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Justizminister weiß, dass es bei der Schließung der Amtsgerichte ein bisschen am Handwerk gehapert hat. Ich möchte das Amtsgericht Butzbach hier hervorheben.