Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Ich gebe zu, es mag für den einen oder anderen in der FDP – so war es wohl – enttäuschend gewesen sein, jetzt nicht mehr der Landesregierung anzugehören. Aber das war keine Entscheidung der CDU. Es war eine Entscheidung der FDP, dass sie ausgestiegen ist.

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

Glauben Sie uns, es ist eine Fiktion, dass es, wenn Sie nicht mehr da sind und wir die absolute Mehrheit haben, in diesen Fragen etwa schlechter, behäbiger voranginge.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wir fehlen da!)

Ich bin sicher, wären Sie dem Anliegen von Roland Koch gefolgt, wären Sie in dieser Koalition verblieben, dann wäre dieser Antrag nicht auf den Tisch des Hauses gekommen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der wäre in die Koalitionsrunde gekommen!)

So ist es, und da wäre er ganz bestimmt nicht durchgekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Träum weiter! – Christel Hoffmann (SPD): Ist das noch zum Thema?)

Ich weiß, dass unsere Bemühungen, gute klimatische Verhältnisse zur FDP aufrechtzuerhalten, den einen oder anderen schon ziemlich bedrängen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Christel Hoffmann (SPD): Da muss er selbst lachen!)

Ich will gleichwohl sagen: Das stellt die Dinge nicht auf den Kopf. Wir werden dafür sorgen, dass jedwede Möglichkeit genutzt wird, moderne, effiziente, kostengünstige Verwaltung im Lande Hessen zu bewahren oder dort, wo sie noch nicht so ist, herzustellen. Insofern sehe ich keine großen Aussichten auf einen Erfolg dieses Antrags. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Bender für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Im Interesse der Zeitökonomie hätte ich mir gewünscht, dass der Antrag der FDP – Herr Posch, ich könnte auch vom Antrag des Prof.Weber sprechen; denn er ist fast abgeschrieben –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ah!)

zusammen mit dem Zweiten Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform aufgerufen worden wäre. Denn die Zielrichtung, die staatliche Verwaltung effektiver und bürgernäher zu machen, ist bei der Beratung zu diesem Gesetz ausführlich besprochen worden. Vieles vom Inhalt des vorliegenden Antrags hätte dort mitbehandelt werden können.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Richtig!)

Ich spare mir daher Wiederholungen, wenn es um die Bewertung grundsätzlicher Fragen der Verwaltungsreform geht, es sei denn, ich habe nachher noch etwas von meiner Redezeit übrig.Wir haben sie schließlich verlängert.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Loben Sie einmal die Regierung!)

Wenn allerdings in dem Antrag beklagt wird, dass die Bürokratie weiter zunimmt, so steht dies in krassem Widerspruch zu der Aussage, dass die Vorgängerregierung die Verwaltung ausreichend modernisiert hat. Die Erfolgsbilanz wird auch nicht dadurch besser, dass vonseiten der Beteiligten der Abbau von Verwaltungsvorschriften in einer Größenordnung von 3.500 Regelungen gebetsmühlenartig hervorgehoben wird. Warum brauchen wir Verwaltungsvorschriften für die Administration von Förderprogrammen, wenn diese längst ausgelaufen sind? Hier eine Erlassbereinigung herbeizuführen ist eigentlich eine selbstverständliche Aufgabe im Rahmen der jährlichen Erstellung des Gültigkeitsverzeichnisses. Das muss im Rahmen des Tagesgeschäftes erledigt werden.

Auch fünf Einzelerlasse zusammenzuführen, um sie zuerst aufzuheben,dann zu beerdigen und schließlich eine neue Richtlinie zu erlassen,ist sicherlich keine Großtat im Rahmen der Verwaltungsreform.

(Beifall bei der SPD)

Um es drastischer zu formulieren: Eine faktisch bereits beerdigte Verwaltungsvorschrift erneut auszugraben, um sie dann nach einem großen Lobgeschrei auf die eigenen Leistungen formal wieder außer Kraft zu setzen, ist noch keine effektive Verwaltungsmodernisierung.

(Beifall bei der SPD)

Es scheint mir auch keinen zwingenden Grund dafür zu geben, die Wachstumsschwäche der Wirtschaft auf das Handeln des Staates zurückzuführen. Zwei Aspekte gilt es hierbei zu bedenken.

Erstens. Ein erfolgreiches Unternehmen braucht verlässliche Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln. Dass dies eine Staatsaufgabe ist, die nicht ausschließlich von Privaten erfüllt werden kann, sollte eigentlich unstrittig sein. Die Erfahrungen bei dem Aufbau in den neuen Bundesländern belegen dies all zu deutlich. Sie haben auch darauf hingewiesen.

Zweitens. Ebenso unstrittig sollte es sein, dass unnötige Belastungen der Firmen und der Bürger durch Vorgaben des Staates – in Ihrem Antrag haben Sie es anhand des Beispiels der Statistikerhebungen dargestellt – in jedem Einzelfall sehr kritisch hinterfragt werden müssen. Wenn wir sie nicht existenziell brauchen, gehören sie abgeschafft. Wer dennoch ein spezielles Interesse daran hat, muss auch die Kosten dafür übernehmen.

(Beifall bei der SPD)

Um diesen Grundsatz umzusetzen,brauchen wir die kaufmännische Buchführung in der öffentlichen Verwaltung. Hierbei ist selbstverständlich die Möglichkeit, die die moderne Technik bietet, zu nutzen. Leider besteht hier noch ein erheblicher Handlungsbedarf. Die flächendeckende Einführung von SAP in allen Verwaltungen hat zu einer Kostenlawine geführt, die alle anderen Investitionen in eine Modernisierung der Verwaltung bedroht.

(Beifall bei der SPD)

Die Einrichtung eines Internetportals belegt daher nicht den umfassenden Erfolg einer modern ausgestatteten Verwaltung. Genehmigungsverfahren müssen hinterfragt werden. Das ist die Daueraufgabe einer jeden Verwaltung. Ich bin überzeugt, dass die Kontrollen durch das Parlament hilfreich sein können, um objektive Ergebnisse zu erzielen. Es erscheint durchaus diskussionswürdig, ob nicht ein einfaches Anzeigeverfahren bei kleineren Maßnahmen ausreichend sein kann.

Die Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung sollte bei vielen Verwaltungsentscheidungen einbezogen werden. Dabei dürfen allerdings die Sicherheit und die Unversehrtheit der Betroffenen oder der Umwelt nicht unter den Tisch fallen.

Wenn wir nicht alles bis in das letzte Detail regeln würden – hier verweise ich auf unsere in allen Parteien festzustellende Hörigkeit in der Lobbyarbeit –, könnten innovative Ideen schneller durchgesetzt werden, was wiederum dem wirtschaftlichen Wachstum zugute kommen könnte. Doch der Wunsch und die Wirklichkeit klaffen zunehmend auseinander. Das ist durch den Anstieg der Zahl der Rechtsabteilungen in den Unternehmen deutlich belegbar.

Herr Posch,wir sollten uns im Ausschuss ausreichend Zeit für die Antragsberatung nehmen, um die angerissenen Möglichkeiten beleuchten zu können. Allerdings ist für die SPD klar, dass die Privatisierung staatlicher Aufgaben nicht schon von selbst einen Erfolg darstellt. Der Abwä

gungsprozess kann in keinem Einzelfall durch pauschalierte Vorgaben ersetzt werden.

Da ich tatsächlich noch etwas Redezeit übrig habe, lassen Sie mich zu einer Diskussion von heute Morgen grundsätzlich Stellung nehmen. Mir sind diese Diskussionen zu detailverliebt. Ich vermisse die große Linie. Ich habe mehrfach festgestellt, dass diese Regierung keine Definitionen des staatlichen Kernbereichs vorgenommen hat. Die Aufgabenüberprüfung periodisch und mithilfe einer Befristung vorzunehmen – bei dem Auslaufen eines Projekts auch projektbezogen –, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Darüber braucht man eigentlich nicht zu reden.Wir sollten uns endlich darin üben, Zielvorgaben und Konzepte sauber zu beschreiben und einen so genannten Masterplan auf den Weg zu bringen. So ein Plan fehlt. Bisher kenne ich keinen Masterplan dieser Landesregierung.

Wir verlieren uns zu sehr in der Diskussion über die äußeren Organisationsformen: Kundenorientierung der Verwaltungsebenen unter Beachtung der Bürgernähe. Wie schnell sind wir in die tagtäglichen Diskussionen über die äußere Behördenstruktur verstrickt, wenn es um Standortdebatten geht? Doch wo wird deutlich festgelegt, was staatlich und was kommunal zu erledigen ist? Wo bleibt eine deutliche Auseinandersetzung mit der Kostenminimierung? Glauben Sie ja nicht, dass eine Erledigung durch Private ohne eine entsprechende Verwaltung möglich sei. Jede Erledigung durch Private bedarf einer Bürokratie, die die Ausschreibung, Vertragsgestaltung, Kontrolle und Abrechnung wiederum kontrolliert.

Was wir im Rahmen der inneren Organisationsreform an Ablaufoptimierung, Effektivität und Transparenz zu erledigen haben, ist mehrfach dargelegt worden. Ich will gar nicht verhehlen, dass auch wir der Meinung sind, dass die Verwaltung auf den neuesten Stand der Technik zu bringen ist. Moderne Arbeitsmittel sind eine Selbstverständlichkeit. Dazu gehören auch aktualisierte Verwaltungsvorschriften.

In der Diskussion wird mir aber das so genannte Humankapital – das ist das Unwort des Jahres – viel zu wenig beleuchtet. Mit dem Kapital einer Verwaltung, nämlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, teamorientiert im Sinne einer modernen neuen Verwaltungssteuerung ein hervorragendes Betriebsklima zu schaffen und die Zufriedenheit der Beschäftigten herzustellen – das vermisse ich bei dieser Landesregierung sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Ausbildung, Fortbildung und eine passende Stelle für den Mitarbeiter sind die Voraussetzungen dafür, dass Entscheidungskompetenz nach unten verlagert werden kann, dass Verantwortlichkeiten nach oben verlagert werden können und dass ein Hierarchieabbau überhaupt möglich ist.

Das Gegenteil stellen wir heute immer wieder fest. Wir stellen nicht fest, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Optimierung der Verwaltungsvorgänge eingebunden sind und dass sie an dem Verfahren teilhaben können,Verwaltungsabläufe zu modernisieren, zu hinterfragen und neu zu gestalten. Sie werden im Controllingbereich nicht so eingebunden, wie es eigentlich notwendig ist. Das zeigt sich deutlich daran, dass im formalen Bereich, nämlich dort, wo das Hessische Personalvertretungsgesetz und die Gremienarbeit greifen, während Ihrer Regierungszeit nur Rückschritte, aber keine Fortschritte zu verzeichnen sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Ein bisschen gedämpfter!)

„Ein bisschen gedämpfter“ wollen Sie es gern haben. Das geht nicht auf Bestellung, Herr Kollege Klein. Aber wir machen das schon.Wenn Sie sich ordentlich betragen, können wir das heute in aller Ruhe abhandeln.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die brauchen ihren Mittagsschlaf!)

Als bürokratisch bezeichnen wir staatliches Handeln, das uns überflüssig zu sein scheint. Meine Damen und Herren von der FDP, ich denke, Sie werden in diesem Haus niemanden finden, der sich gegen Entbürokratisierung bzw. gegen den Abbau von Bürokratie zur Wehr setzt.

(Florian Rentsch (FDP): Alles Worthülsen bei den GRÜNEN!)

Überflüssige staatliche Aktivitäten schaden beiden Seiten.Auf der einen Seite werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit unsinnigen Tätigkeiten befasst. Auf der anderen Seite können sie ihre eigenen Aufgaben, für die sie bezahlt werden, nicht erledigen. Die Bürgerinnen und Bürger wiederum müssen sich mit sinnlosen Formularen und ellenlangen Anträgen in zigfacher Ausfertigung beschäftigen und warten unnötig lange auf Bescheide.