Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Erster Redner in der zweiten Lesung ist Herr Hahn für die FDP-Fraktion. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hessische Landtag hat sich wie alle anderen 15 Landesparlamente in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, hier dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, auseinander gesetzt.Alle Landtage,so auch der hessische,haben eine Anhörung durchgeführt, und in allen Landtagen, so auch beim hessischen, ist klar geworden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vertreten durch die jeweiligen Intendanten – bei uns waren es der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens sowie der Intendant des Hessischen Rundfunks –, der festen Überzeugung sind, dass durch diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine große Ungerechtigkeit entsteht. Trotzdem bitten sie darum, dass wir alle diesem Staatsvertrag zustimmen, damit ab dem 01.04. dieses Jahres die Erhöhung der Rundfunkgebühr um in ihren Augen wenigstens – das Wort „wenigstens“ unterstreiche ich in ihren Augen – 0,88 c ausgesprochen wird.
An der etwas gedrechselten Formulierung meinerseits können Sie erkennen, dass eigentlich alle Rundfunkanstalten der Auffassung sind, dass ihnen grenzenloses Unrecht geschieht, weil sie meinen, dass die Vorschläge der KEF zu 100 % bzw.1 :1 hätten umgesetzt werden müssen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir Liberale sind ganz anderer Auffassung als die Intendanten. Wir treffen uns mit ihnen,wenn sie sagen,dass das Verfahren,das letztlich zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag führen wird, verfassungsrechtlich jedenfalls bedenklich ist.Wenn man davon ausgeht, dass es die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gibt, wenn man davon ausgeht, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die KEF eingeführt worden ist, so kann man zu dem Ergebnis kommen, dass vieles gemacht werden darf, aber jedenfalls nicht das Modell, das die Ministerpräsidenten letztlich auf Vorschlag von Herrn Stoiber und Herrn Beck verabschiedet haben.
Sie haben nämlich in diesem Modell der Erhöhung um 0,88 c mit einer politischen Bewertung auf die Höhe der Rundfunkgebühren Einfluss genommen. Gerade das, so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, sei uns nicht erlaubt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir Liberale sind der Auffassung, dass Landesparlamente mehr sind als die Notare einer – ich will einmal sagen – Gruppe von Menschen, die unter dem Namen KEF agieren.
Ich glaube, parlamentarische Demokratie ist mehr als das Exekutieren eines Ergebnisses, das so oder so zustande gekommen ist, das uns Menschen vorgelegt haben, die staatsfern sind, die nicht die Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern und den Bürgerinnen und Bürgern übernehmen müssen. Deswegen sagen wir hessische Liberale: Wir sind gegen den Rundfunkänderungsstaatsvertrag in der jetzigen Form.Wir sind gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren.
Neben diesem zentralen Punkt bin ich gerne bereit, noch einmal in Diskussionen – nicht nur ich, sondern alle Kollegen der FDP-Landtagsfraktion – zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Kriterien man bei der KEF anlegt, wie man überhaupt zu diesen Verträgen kommt. Ich will Ihnen nur ein einziges Beispiel nennen. Sollte der Streit zwischen der ARD auf der einen Seite und dem ZDF, Herr Kollege Dr. Jung, auf der anderen Seite zum Thema 3sat erfolgreich sein,
so hat das – liebe Kolleginnen und Kollegen, damit Sie das System verstehen – zur Folge, dass bei der nächsten Erhöhung durch die KEF das ZDF auf alle Fälle mehr Gebühren verlangen kann, weil das ZDF dann 3sat allein betreibt.
Das ist eine wie auch immer geartete Sanierung, Umstrukturierung der öffentlich-rechtlichen Familie auf Kosten der Gebührenzahler, auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Das kann so nicht sein.
Lieber Kollege Dr. Jung, das Beispiel hinkt nicht. Das Beispiel hat der Intendant des ZDF, Herr Schächter, in einem Gespräch mit der Führung der FDP auf Bundes- und Landesebene bestätigt. Es ist die Logik der KEF. Die Logik der KEF hat zur Folge, dass Sonderleistungen angerechnet werden müssen. Wenn das ZDF – ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird, ich hoffe, dass die ARD hart bleibt – 3sat tatsächlich vollkommen übernimmt, hat es zusätzliche Kosten, die eingesetzt werden können. Das kann so nicht richtig sein.
Herr Kollege Hoff, Sie wissen es doch besser. Die ARD hätte dann nicht weniger. Wir wissen doch, wovon wir reden. Sie sind genauso Fachmann wie ich. Ich glaube, Herr Kollege Hoff, dass wir dieses Thema nicht mit undisziplinierten Zwischenrufen angehen sollten. Abgesehen davon glaube ich, dass Sie als Mitglied des Rundfunkrates des Hessischen Rundfunks genau wie ich in diesem Zusammenhang zunächst einmal die Interessen der ARD zu vertreten haben.
Wir haben aber aus drei ganz anderen Gründen Nein zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages gesagt, und alle drei Gründe zeigen die Mittelstandsfeindlichkeit, die dieser Gesetzentwurf zur Grundlage hat. Er ist zum einen mittelstandsfeindlich, weil er das so genannte Hotelprivi
leg unverhältnismäßig reduziert. Er ist zum Zweiten mittelstandsfeindlich,weil er internetfähige Rechner nunmehr 1 : 1 in die Gebührenhöhe, und zwar für die Fernsehgebühren und nicht nur für die Hörfunkgebühren, einrechnet, und er ist mittelstandsfeindlich, sogar bürgerfeindlich, da er schlicht datenschutzrechtliche Vorgaben missachtet.
Letzter Punkt. Neun Datenschutzbeauftragte, auch unser Hessischer Datenschutzbeauftragter, den wir alle mit großer Mehrheit vor knapp zwei Jahren gewählt haben, Prof. Ronellen-Fitsch, haben bestätigt, dass das so genannte Adresseneinkaufsrecht der GEZ mit den datenschutzrechtlichen Überlegungen in unserem Lande nicht in Einklang gebracht werden kann.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen sich einmal vor Augen führen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist so etwas Ähnliches wie Staat. Er hat auch in vielen Dingen genau dieselben Rechte. Auf der anderen Seite will er aber jetzt privatrechtliche Möglichkeiten nutzen, nämlich den ungehemmten Kauf entsprechender Adressen. Um es ganz plastisch zu formulieren, die GEZ kauft mal einfach sämtliche Dateien der Abonnenten von „Gong“ oder „Hörzu“ – ich will keine Werbung für irgendein Haus machen – und lässt die gegenlaufen gegen die Kunden, die sie im Rahmen der Rundfunkgebühren hat. Dieses ist nach Auffassung der großen Mehrheit der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes verfassungswidrig. Da machen wir Liberale nicht mit.
Zweiter Punkt: Gebührenpflicht für Internet-PCs. Ich weise darauf hin, dass uns vorgetragen wird, dass dies eigentlich etwas ganz Vernünftiges sei. Es gebe eine Reihe von Menschen, die würden nicht mehr den Fernseher zum Fernsehschauen benutzen, sondern die würden das Internet benutzen. Das mag ja alles sein. Nur, mittelstandsfeindlich ist, dass es nunmehr in jedem kleinen Architekturbüro, in jeder kleinen Werbeagentur, in jedem kleinen Anwaltsbüro – nehmen Sie an Freiberuflern, wen Sie gerade wollen – sicherlich einen Internetanschluss gibt. Man braucht das einfach, und wenn es nur zur Kommunikation ist, so wie Kollege Bökel es dazu braucht, seine E-Mails abzurufen. Mit diesem Gerät kann man theoretisch auch Fernsehen gucken. Ich will gar nicht die Frage problematisieren, was man derzeit da sehen kann. Jedenfalls ist es möglich. Jetzt sollen alle diejenigen, die so etwas haben, die Fernsehgebühren für die entsprechenden Internetanlagen bezahlen. Das halten wir für grenzenlos ungerecht und mittelstandsfeindlich.
Ich habe heute Mittag die Pause genutzt , um noch einmal mit dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien – BITKOM ist die Abkürzung – zu sprechen, weil da Zahlen in Milliardenhöhe herumgeisterten. Das ist vollkommener Unsinn, das ist auch nie von der BITKOM gesagt worden.Wenn Sie aber sehr vorsichtig schätzen, wenn Sie davon ausgehen, dass wir ungefähr 3 Millionen Mittelständler in diesem Bereich haben, wenn Sie davon ausgehen, dass die nur zur Hälfte das nutzen, weil sie ansonsten die Fernseher trotzdem noch irgendwie gebrauchen würden, die Internet zum Fernsehen gebrauchen oder die sogar einen Fernseher dort stehen haben, so haben Sie noch 1,5 Millionen. Wenn Sie das dann multiplizieren mit der
Zahl aus der Differenz zwischen Hörfunk- und Fernsehgebühren – das sind 10 c –, dann kommen Sie auf einen Betrag von jährlich 180 Millionen c. Damit das also jeder weiß, der hier die Hand hebt: Die Mittelstandsfeindlichkeit, heruntergebrochen auf Hessen, beträgt ungefähr 15 bis 20 Millionen c, mit denen diese kleinen Mittelständler in Hessen durch diesen Gesetzentwurf zusätzlich belastet werden.Wir halten das für ein Unding und sind deshalb auch dagegen.
Letzter Punkt der Mittelstandsfeindlichkeit. Das ist mit einem Satz zu erklären. Das ist das Thema Gebührenpflicht in Hotels. Es ist eine Fiktion unterstellt worden, dass bei Hotels über 50 % an Hörerzahl, nämlich 75 % und nicht mehr 50 %, zu zahlen ist. Die letzte Auskunft vom Hessischen Tourismusverband lautet: Die durchschnittliche Quote der Belegung der Hotels in Hessen liegt bei ungefähr 41 bis 43 %.Also heute schon,nach dem jetzt geltenden Recht, wird für leer stehende Zimmer und nicht laufende Fernseher bezahlt, und das soll verstärkt geschehen.
Allein diese drei Punkte der Mittelstandsfeindlichkeit müssen Ihnen allen deutlich machen, dass dieser Änderungsstaatsvertrag nicht Recht werden darf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Regel geht man davon aus, dass eine Anhörung, die man durchgeführt hat, zu einem Erkenntniszuwachs geführt hat und möglicherweise auch zu einer Modifikation der Positionen. Bei der FDP ist das in der Tat nicht der Fall. Die FDP hat ihre Position jetzt noch einmal in einen Antrag gegossen. Herr Hahn hat das hier vorgestellt. Allerdings hat die Anhörung zum Rundfunkstaatsvertrag insgesamt einen Erkenntniszuwachs gebracht, nämlich den, dass sich alle Beteiligten am Ende darüber klar waren, dass in Bezug auf die Frage, ob denn das Verfahren in seiner Substanz noch verfassungsrechtlich zu tragen oder nicht zu tragen ist, keiner der Anzuhörenden der Auffassung gewesen ist, dass eine nachhaltige Verfassungswidrigkeit des Verfahrens vorgelegen habe. Das ist die erste Feststellung, die zu treffen ist.
Die zweite Feststellung, die zu treffen ist, ist schlicht und ergreifend die:Wir haben im Kontext mit dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag und mit dem Rundfunkstaatsvertrag insgesamt noch einmal eine Diskussion darüber begonnen, inwieweit das, was jetzt an Gebühren generiert wird, etwas mit Qualität beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu tun hat.Insofern haben wir uns nach der Anhörung gemeinschaftlich darauf verständigt, dass wir über
die Frage der Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Hauptausschuss noch einmal eine eigene Anhörung machen wollen. Ich halte das für dringend geboten, ich halte es auch für richtig, dass das eines der Ergebnisse der Anhörung ist. Insofern ist das eines der Ergebnisse, die nach meinem Verständnis in der Tat diese Anhörung gebracht hat. Von daher hat sich sozusagen der Staub gelegt, der im Vorfeld aufgewirbelt worden ist um die Frage, ob es eigentlich zulässig sei,Rundfunkgebühren,nachdem die Ministerpräsidenten noch einmal darüber verhandelt haben, nicht in jener Höhe anzugleichen, wie das die KEF vorgesehen hat. Dies ist, wie ich denke, eine zulässige Angelegenheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter dem Gesichtspunkt der Qualität ist es angemessen, nachzufragen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch den Qualitätsmerkmalen entspricht, die wir uns immer vorstellen. Ich glaube, dass viele von denen, die sehen und hören, das an der einen oder anderen Stelle nicht mehr so ganz nachvollziehen. Von daher ist es richtig, dass wir darüber eine intensive und ausführliche Debatte führen.
Vor dem Hintergrund – ich habe dies in meiner Rede zur ersten Lesung gesagt und glaube auch, dass wir im Rahmen der Anhörung dazu keinen neuen Erkenntniszuwachs haben –, dass das Verfahren im Kern verfassungsgemäß ist – innerhalb des Verfahrens sind natürlich die Ministerpräsidenten, auch SPD-Ministerpräsidenten, Frau Kollegin Hinz, was ich durchaus unterstreichen möchte –, wird die SPD-Fraktion dem Rundfunkstaatsvertrag zustimmen. Ich denke, das ist ein richtiger und ein vernünftiger Weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der anderen Seite ist klar, dass nach diesen Veränderungen, die dann insgesamt von allen Ländern vollzogen werden – es scheint sich abzuzeichnen, dass dies der Fall sein wird –, auch der Hessische Rundfunk mit einer nicht ganz unerheblichen Einsparung zu kämpfen hat.Es war der Zeitung zu entnehmen, dass es um etwa 30 Millionen c geht und dass dies durchaus zu Einschränkungen innerhalb des Programms führen muss. Zumindest angesichts dessen, was bisher nachlesbar war, meine ich, dass das in einem abgewogenen Verfahren durchaus vertretbar ist, was an Programmveränderungen vorgesehen ist. Auf der anderen Seite – und das ist eine Sache, die man hier erwähnen muss – ist es so, dass der Großteil der finanziellen Einschränkungen vom Personal, von den Leuten, die beim Hessischen Rundfunk arbeiten, zu schultern ist.
Herr Kollege Reif, Ihr Zuruf, dass das immer so ist, ist in dem Punkt nicht unbedingt angemessen. Es ist eine Feststellung, dass das an dem Punkt so vorgesehen ist. Wenn an diesem Punkt eines festzuhalten ist, dann doch das, dass dies im Rahmen von tariflichen Auseinandersetzungen zwischen den Tarifvertragsparteien zu verhandeln ist und nicht an anderer Stelle.Ich bin sehr froh darüber,dass wir ein Verfahren hingekriegt haben, dass das dort im Rahmen der Tarifverhandlungen geregelt wird und dass es dort – wie im Übrigen auch in anderen Kulturbereichen – bereits Hinweise gegeben hat, dass man zu Einsparungen kommen kann, beispielsweise im Klangkörper des Hessischen Rundfunks, dass dies aber insgesamt im Rahmen von Tarifverhandlungen geregelt wird.
Letzte Bemerkung meinerseits: Der Rundfunkstaatsvertrag ist nicht nur ein Rundfunkgebührenstaatsvertrag, sondern er umfasst noch ein paar andere Bereiche. Ich
möchte mich auf den von Herrn Hahn zitierten Prüfauftrag in der Protokollnotiz 4a zum Thema 3sat beziehen. Herr Ministerpräsident Koch hat diesem Prüfauftrag offensichtlich zugestimmt. Es soll geprüft werden, ob 3sat in Zukunft nicht mehr gemeinsam von ARD und ZDF, sondern nur noch vom ZDF betrieben werden soll.