Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Verehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! – Entschuldigung, sehr geehrte Präsidentin.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber die Präsidentin sitzt schon vor!)

Ich denke, das ist das deutsche Wort für Präsidentin. – Wir haben zur Novellierung der Handwerksordnung ei

nen Antrag eingereicht, Sie von der CDU schieben einen hinterher. So war es bisher jedes Mal, wenn es um die Stärkung des Handwerks ging.Wir brachten einen Antrag ein, und Sie haben einen Dringlichen Antrag hinterhergeschoben.

Die Novellierung der Handwerksordnung zeigt Wirkung, und die CDU fürchtet sich. Sie befürchtet ein Absinken der Qualität im Handwerk sowie einen Imageschaden. Weiterhin beklagt die CDU, dass sich Existenzgründer ohne Qualifikationen selbstständig machen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Berufe, die keine qualitativen Anforderungen stellen. Wie können Sie behaupten, dass die Qualität sinkt? Sie schlagen mit Ihren Äußerungen doch denjenigen ins Gesicht, die nun endlich die Chance haben, sich selbstständig zu machen und ihre Leistung unter Beweis zu stellen.

Sicher wird es auch Existenzgründer geben, die ihr Handwerk nicht verstehen. Es wird sich einiges auf dem Markt tummeln. Das will ich nicht abstreiten. Aber ich zähle dazu drei wesentliche Kriterien auf, die Ihre Furcht und Ihre Sorge etwas abmildern sollen:

Erstens haben wir die Verdingungsordnungen, zahlreiche Fachregeln, den Verbraucherschutz und das BGB.

Zweitens gibt es jede Menge Dienstleistungen, die nicht der Handwerksordnung unterliegen. Ich stelle hier die Frage:Liefern alle diese Betriebe eine schlechte Qualität? Ich will hier nur am Rande den IT-Bereich oder den Verkauf nennen.

Drittens hat es immer schon Titel ohne Mittel gegeben. Ich sage das extra provokativ. Sie wissen, ich komme aus dem Handwerk. Ich weiß, wovon ich rede. Das Wort Flachdach treibt allen Bürgermeistern und Landräten Sorgenfalten ins Gesicht. Für mich persönlich sind es, wenn sie ordentlich ausgeführt werden – ob vom Meister oder nicht von einem Meister –, die besten Dachabdichtungen, die es gibt.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Flachdach? Ach nee!)

Das Preisgefüge könnte sich hier und da in einzelnen Gewerken kurzfristig leicht nach unten bewegen. Sicher, das kann passieren. Wenn wir uns aber überlegen, wie Handwerker ihre Kunden akquirieren, so wissen wir, dass es im privaten Bereich über Mundpropaganda, Zuverlässigkeit, Service und Termintreue funktioniert und im gewerblichen Bereich weitgehend über Referenzen.

Dass das Handwerk trotz Meisterbriefs ein Imageproblem hat, ist seit Jahren bekannt. Die Kammern starten eine Kampagne nach der anderen – ich finde das sehr positiv –, aber nicht erst seit der Novellierung. Ihrerseits fehlt die Beweislage, dass sich das Problem verschärfen wird. Vergessen Sie an dieser Stelle auch nicht, dass viele Handwerker ihr Gewerk nicht auf dem schwarzen Markt, sondern legal betreiben.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Gott sei Dank!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihre Sorge liegt allein darin begründet,dass Sie Angst haben,dass wir mit der Novellierung der Handwerksordnung erfolgreich sein werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Ich persönlich hege ein großes Vertrauen in die Arbeit der Handwerker, und Sie tun dies anscheinend nicht. Was

mich sehr verwundert, das ist der vierte Absatz Ihres Antrages. In diesem Absatz stellen Sie fest, dass die Zulassung der Meister und Meisterinnen zu den Hochschulen ein Zeichen der Wertschätzung ist.Wessen Wertschätzung war es zu Anfang? Wer hat dafür gekämpft?

Ich möchte Ihnen das Frühjahr 2004 in Erinnerung rufen. Die zuständigen Minister, Herr Corts und Herr Rhiel, wollten von dem Vorschlag des uneingeschränkten Zugangs an die Hochschulen Abstand nehmen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Na, na!)

Einige Kolleginnen und Kollegen haben heute noch Bauchschmerzen, dass sie dem zugestimmt haben. Unsere Initiative über alle Parteigrenzen hinweg hat dazu geführt, dass es gegen den Willen der Minister ein einstimmiges Votum der Abgeordneten für diese Zulassung gab. Der Druck der Handwerker hat dazu geführt, dass die Verordnung zeitnah umgesetzt wurde. Wir wollen die Sache hier also nicht verkehren.

(Beifall bei der SPD)

Wir finden wöchentlich Meldungen in den Printmedien und auf den Homepages Ihrer Fraktion und des Ministerpräsidenten, in denen sie es als ihren Verdienst verkaufen. Das geschieht auch bei den Neujahrsreden der CDU-Kollegen.Wenn ich auf die Homepage des Ministerpräsidenten gehe und bei Wirtschaft und Handwerk nachgucke, dann sehe ich, dass er es lobt, dass Meisterinnen und Meister einen uneingeschränkten Hochschulzugang haben.

Frau Tesch, Sie müssen zum Ende kommen.

Lassen Sie mir bitte noch einen Satz. – Sie schmücken sich hier schamlos mit fremden Federn.Vor drei Jahren hat die SPD diesen Antrag auf die Agenda gesetzt, und Sie haben ihn abgelehnt. Es stimmt uns hoffnungsfroh, dass Sie belehrbar sind und in der Wirklichkeit angekommen sind.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Tesch, der Wahrheit die Ehre: Es gab 109 Abgeordnete, die zugestimmt haben. Ich bin hinausgegangen. Ich bin nach wie vor anderer Meinung. Damit ist es im Protokoll festgehalten.

(Silke Tesch (SPD):Dann lag ich gar nicht so falsch! Aber Sie haben hier keine Rede zu kommentieren!)

Ich möchte Herrn Williges für die CDU-Fraktion aufrufen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU):Frank,jetzt klär sie mal auf!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Tesch, Sie sagen, Sie kommen aus dem Handwerk.Wie ich von Ihnen selber weiß, ist das

schon lange her. Man merkt auch, dass Sie schon lange weg sind.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was soll das? Du bist doch eigentlich netter!)

Ich dagegen nehme für mich in Anspruch, dass ich noch darin verwurzelt bin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur aktuellen Wirtschaftslage, unter der auch das Handwerk leidet, will ich an der Stelle nichts sagen, weil der Zeitraum von fünf Minuten dafür nicht ausreicht.Angesichts von über 5 Millionen Arbeitslosen – jetzt hätte ich beinahe aus dem Konzept vom Dezember mit 4,5 Millionen Arbeitslosen zitiert – und einer Volkswirtschaft,die im globalen Wettbewerb täglich an Boden verliert, mutet es grotesk an, dass gerade das Handwerk ein Opfer des rot-grünen Aktionismus geworden ist.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Das Handwerk ist der Wirtschaftszweig – das hat mit seinen Strukturen zu tun,dass es bodenständig und dezentral organisiert ist –, der die gegenwärtige Krise mit am besten übersteht.

(Reinhard Kahl (SPD): Das gerade war ein so sachlicher Beitrag! – Silke Tesch (SPD): Das ist die pure Angst!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPDFraktion, es ist schon mutig, wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt eine freiwillige Evaluierung dessen vornehmen, was Sie dort veranstaltet haben. Oder war es vielleicht nicht so freiwillig, sondern ein Befehl aus Berlin zu einem Jubelantrag?

(Zurufe von der SPD)

Wir jubeln nur, wenn wir Grund dazu haben. Dann machen wir es auch richtig.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt festzustellen: Dass es nicht mehr Handwerksberufe waren, die dieser Reform zum Opfer fielen, ist der CDU-Landtagsfraktion, den Berufsverbänden und insbesondere der CDU-Landesregierung zu verdanken. Wenn die Formulierung „handwerklicher Fehler“ überhaupt in irgendeinem Zusammenhang eine Berechtigung hat, dann ist es in Verbindung mit der Handwerksreform, die Sie durchgeführt haben.

Lassen Sie mich auf drei Punkte eingehen, die Sie für sich als Erfolge reklamieren. Das eine ist die Frage, Beschäftigung zu schaffen. Eines ist in der Tat richtig. Die Anzahl der Betriebe im Handwerk hat sich erhöht und wird sich erhöhen. Aber das Ergebnis dessen, was Sie gemacht haben, ist doch nicht, dass sich der Umsatz erhöht hat oder dass sich die Zahl der Beschäftigten insgesamt erhöht hat, auch wenn man die mitarbeitenden Inhaber mitrechnet. Vielmehr gehen der Umsatz, die Zahl der Beschäftigten und die Auftragslage im Handwerk nach wie vor weiter zurück.

(Silke Tesch (SPD): Das stimmt überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren, Sie sprechen von Bürokratieabbau. Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie die Zurücknahme von Qualifikationsvoraussetzungen als Bürokratieabbau verkaufen. Das würde auch bedeuten, dass wir das Führerscheinrecht entschärfen oder auf einen Pilo

tenschein verzichten und das am Ende als Bürokratieabbau verkaufen.

Bürokratieabbau bestünde darin, die Hindernisse bei der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern sowie bei der Dokumentation von Lagerung, Einsatz und Transport von vermeintlichen oder tatsächlichen Gefahrstoffen zu reduzieren.Auch die Bearbeitung von Angeboten öffentlicher Auftraggeber kann einfacher gestaltet werden.

Sie erreichen damit – das gilt auch für die Ich-AGs –, dass Sie die Menschen zum Teil in den persönlichen Ruin treiben. Ich räume ein, dass es erfolgreiche Existenzgründer und Ich-AGs geben wird. Vielleicht fusionieren die IchAGs auch, sodass wir dann „Wir-AGs“ haben.

(Silke Tesch (SPD): Sie machen das Handwerk lächerlich!)

Aber es wird eine ganze Reihe von Menschen geben, die Sie dadurch in den Ruin treiben.Sie werden nämlich nicht erkennen können, wann das Ende gekommen ist. Sie werden über die Grenze hinausgehen und ihre persönliche Krise somit noch verschärfen. In den Insolvenzstatistiken zeigt sich das ansatzweise schon jetzt.

Die größte Zumutung ist, dass Sie in der Begründung Ihres Antrags behaupten, ein großer Teil der Gründer komme aus der Schattenwirtschaft. Sie schreiben, das habe eine Analyse ergeben – wobei Sie nicht näher darauf eingehen, wer was analysiert hat. Vielleicht haben Sie ja die Gründer gefragt, ob sie vorher schwarzgearbeitet hätten. Zu behaupten, dass die Gründer aus der Schattenwirtschaft kämen, ist ein starkes Stück, und es zeigt, dass Sie dieses Phänomen weder begreifen noch in der Lage sind, es zu beseitigen. Wenn Sie nämlich sagen, dass diese Leute aus der Schattenwirtschaft kommen, macht das deutlich, dass Sie von dieser Problematik keine Ahnung haben.

Sie wissen doch, dass ein großer Teil derjenigen, die schwarzarbeiten, nicht aus dem Handwerk selbst kommen, sondern dass sich diese Problematik gerade im Umfeld großer Industriebetriebe, die über interessante Schichtmodelle verfügen, findet. Oder knüpfen wir an die Debatte von heute Vormittag an: Wir wissen, dass das Handwerk unter einem erheblichen Druck steht, weil in unserem Land illegale Arbeiter aus Osteuropa zu Dumpingpreisen arbeiten.