Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank,Frau Kollegin Fuhrmann.– Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr überraschend, wenn die Fraktionen von SPD und GRÜNEN in dieser Debatte das Wort Chaos in den Mund nehmen. Welches Chaos meinen Sie eigentlich?

(Petra Fuhrmann (SPD): Ihr Chaos!)

Die Frage des Chaos, wie Sie eigentlich Neuwahlen machen wollen? Die Frage,ob Hartz IV fortgesetzt wird und, wenn ja, in welche Richtung? Was bedeutet die Agenda 2010 bei Rot-Grün? Ist es das, was Bundesminister Clement will, oder ist es das, was die Linken in der SPD-Fraktion wollen? Machen es SPD und GRÜNE eigentlich noch zusammen? Oder beschäftigen Sie sich mit den Problemen, die die Menschen tatsächlich haben?

(Zurufe bei der SPD)

Hier,meine Damen und Herren,hat Rot-Grün tatsächlich Chaos angerichtet: ein Chaos auf dem Arbeitsmarkt mit über fünf Millionen Arbeitslosen.

Liebe Frau Fuhrmann, wenn Sie hier von Statistik und Zahlen sprechen,sollten Sie sich vielleicht auch mit Ihrem Bundeswirtschaftsministerium in Verbindung setzen. Das Bundesministerium bestätigt mir in allen Briefen, dass im Moment mindestens 90.000 Menschen nicht in der Statistik ausgewiesen sind, die genau in die Statistik hineingehören.

(Zurufe von der CDU: Ja, ja! – Widerspruch bei der SPD)

Es sind im Moment mindestens 90.000 Menschen in optierenden Kommunen. Dort gibt es Schätzverfahren, mit denen hochgerechnet wird, deren Ergebnisse aber wohlweislich vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht in die Statistiken aufgenommen worden sind,um – das war wohl Sinn des Ganzen – unter die „Angstgrenze“ von 5 Millionen Arbeitslosen zu gelangen.

(Zurufe von der CDU: Ja, das ist die Wahrheit!)

Dummerweise hat dies auch nicht weitergeholfen. Die Wahl ist trotzdem verloren. Es geht aber darum, den tatsächlichen Sachstand auszuweisen. Darum müssen Sie sich mit uns bemühen. Es hilft nicht, wenn Sie die Kom

munen beschimpfen, sie würden keine Daten liefern. Sie liefern Daten, soweit es Ihnen unter den heutigen Bedingungen überhaupt möglich ist.

Ich bin überrascht, wenn Sie Kommunen nennen, bei denen das angeblich schon gut funktioniert. Genau aus diesen Kommunen kann ich Ihnen sagen: Nicht einmal diese können Ihnen heute sagen, wie ihre richtigen Zahlen, die sie an die Bundesagentur für Arbeit geschickt haben, umgesetzt und eingerechnet werden. Auch das haben wir schwarz auf weiß: Es ist selbstverständlich kein Problem der optierenden Kommunen,sondern es fehlen Datenmodule, die diese Daten an die BA übermitteln können.

Wenn Sie nicht anfangen, sich mit der Wirklichkeit und mit der Frage auseinander zu setzen, wie wir in Deutschland wieder mehr Arbeitsplätze schaffen, wie wir es schaffen, dass Menschen tatsächlich vermittelt und nicht nur verwaltet werden, wie wir es schaffen, die Verantwortlichkeit nicht nur in Nürnberg zu konzentrieren, sondern regional dort die Möglichkeiten zu schaffen, wo sie notwendig sind, nämlich in Hessen, in Nordrhein-Westfalen, in Niedersachsen, also überall dort vernünftige Arbeitsmarktprogramme aufzulegen und den Menschen durch Vermittlung zu helfen, dann haben Sie weit gefehlt. Sie werden sich vielleicht überhaupt nicht mehr darüber wundern, dass Ihnen niemand mehr glaubt, diese Probleme am Arbeitsmarkt lösen zu können.

Dazu gehört Ehrlichkeit in der Statistik. Dazu gehört die Anerkennung, dass Ein-Euro-Jobs eben keine echten Arbeitsplätze sind. Dazu gehört, dass Sie anerkennen, dass wir weitere Instrumente brauchen, um den Arbeitsmarkt in Deutschland wieder in Ordnung zu bringen, wie es in Dänemark, in den Niederlanden und in vielen anderen Ländern der Welt – auch in Europa – unter dem Zeichen der Globalisierung längst der Fall ist. Aber davor verschließen Sie die Augen. Das eigentliche Chaos macht Rot-Grün in Berlin, aber im Hessischen Landtag verhält es sich mit Rot-Grün auch nicht besser.

(Zuruf von der CDU: Bravo!)

Vielen Dank,Frau Staatsministerin.– Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor. Damit ist Punkt 87 der Tagesordnung behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 88 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Gute Noten beweisen: Mittelstand in Hessen hat Zukunft!) – Drucks. 16/4108 –

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Frank Williges.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Siebel hat den Tag mit der Aussage begonnen, die von ihm auf den Weg gebrachte Aktuelle Stunde sei eine Freude für die Opposition. Nun könnte man sich zunächst die Frage stellen, ob diese Opposition keine anderen Freuden hat. Aber selbst dann, wenn dies die einzige Freude gewesen sein sollte, ist sie Ihnen durch die kompetenten Beiträge von Frau Kühne-Hörmann, Staatsminister Corts und Herrn Reißer gründlich verdorben worden,

weil all das, was vorgetragen wurde, fachkundig demontiert wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Wir haben Mitgefühl. Deshalb präsentiere ich Ihnen ein Thema, das Ihnen noch ein wenig Freude bereiten kann, sozusagen als Abschluss für die für Sie wenig erfolgreichen Aktuellen Stunden am heutigen Morgen und als Einstieg in einen vermutlich noch spannenden Plenartag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mittelstand gibt der hessischen Standortpolitik Bestnoten und katapultiert unser Land auf Platz eins einer Rangliste der Bundesländer.

(Zuruf von der CDU: Bravo!)

Wir freuen uns darüber, weil es eine Bestätigung unserer Arbeit ist. Sie dürfen sich darüber freuen, weil es trotz Ihrer oppositionellen Bemühungen immer noch so gut aussieht in unserem Land.

Wir haben diese Beurteilung, die Note 3,44 – gegenüber 3,33 im vergangenen Jahr auf einer Skala von 1 bis 4, wie ich hinzufügen möchte, entgegengesetzt zu den Schulnoten zu lesen –, zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht, weil wir der festen Überzeugung sind, dass positive Meldungen aus der Wirtschaft und damit auch positive Signale in die Wirtschaft nicht hoch genug bewertet werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben es deshalb auf die Tagesordnung gesetzt, weil der Mittelstand mit Lob für die Politik üblicherweise sparsam ist. Im Mittelstand herrscht eine Grundskepsis, die ihre Ursache berechtigterweise im bundespolitischen Ökonomiechaos hat und die daher durchaus verständlich ist.

Meine Damen und Herren, das persönliche Krisenmanagement von Mittelständlern sieht so aus, dass zunächst mit Investitionsstopp, mit Einstellungsstopp und dann mit Personalabbau reagiert wird. Der Weg besteht darin, sich eher in das Schneckenhaus zurückzuziehen. Dass nach der aktuellen Umfrage hessische Mittelständler sehr wohl differenziert haben und die hessische Standortpolitik loben, hat gute Gründe. Das ist hervorzuheben. An erster Stelle sind die hervorragende Infrastruktur in Hessen und die Infrastrukturprojekte zu nennen, die auf den Weg gebracht worden sind, wie die Erweiterung des Flughafens Frankfurt und der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden. Das alles ist gegen den erklärten Widerstand von Teilen der Opposition dieses Hauses auf den Weg gebracht worden. Insbesondere ist die Förderpolitik des Landes Hessen zu nennen. Mir ist sehr gut in Erinnerung, wie Sie die Trennung von IBH und Hessen-Agentur als einen Rückstand kritisiert haben. Das wird von den Betroffenen – den Unternehmern, den Mittelständlern – anders gesehen. Sie haben die hessische Förderpolitik auf Platz eins der Rangliste gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Es sind natürlich auch punktuelle Maßnahmen zu nennen: der von uns initiierte Hochschulzugang für Handwerksmeister, die Anhebung der Vergabegrenze für freihändige Vergaben auf 25.000 c,die Novellierung der Hessischen Bauordnung, der Abbau von Bürokratie – allein 50 % von 2.023 Verwaltungsvorschriften bei nachgeordneten Behörden.

An dieser Stelle möchte ich eines erwähnen: Mittelstandspolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb muss auch die hessische Bildungspolitik unter Karin Wolff hier erwähnt werden. Auch die hessische Bildungspolitik ist ein wichtiger Standortfaktor und wird von den Mittelständlern in der von mir zitierten Umfrage honoriert.

(Beifall bei der CDU)

Eines ist an dieser Umfrage bemerkenswert und gehört zur Wahrheit dazu: Sie wurde erhoben und erstellt, bevor es am 22. Mai zu der konjunkturbelebenden Ankündigung des Bundeskanzlers kam. Die Konjunkturaussichten auf Bundesebene werden in der Studie deshalb als düster eingeschätzt. Das Topthema, die die Unternehmer primär beschäftigen, sind nach wie vor die Lohnnebenkosten.

Wir wissen, dass die Mittelständler – da sind sie sich mit der CDU-Fraktion hier im Hause einig – erkannt haben, dass die Bundesrepublik Deutschland seit sieben Jahren unter einem rot-grünen Fleckfieber leidet. Wir wissen aber auch, dass die Symptome in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind und dass einiges dafür spricht, dass die endgültige Heilung im September erreicht wird.

Ich bin sehr sicher, dass eine ähnliche Umfrage im Herbst dieses Jahres oder im Frühjahr des nächsten Jahres, wenn sich die Verhältnisse in Berlin zum Guten gewendet haben, völlig anders aussehen würde. Dann ist nämlich die hervorragende Wirtschaftspolitik, die bisher in Hessen und in anderen unionsgeführten Bundesländern als Pilotprojekt für Berlin betrieben wird, in die Tat umgesetzt worden. Bei uns in Hessen wird Mittelstandspolitik von Mittelständlern gemacht. Das ist gut so, und das ist von Erfolg gekrönt.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Williges. – Das Wort hat Frau Kollegin Tesch für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion versucht heute Morgen in der Aktuellen Stunde zum wiederholten Male zu dokumentieren,dass die Hessische Landesregierung Wirtschaftspolitik macht.Meine Damen und Herren,leider haben wir in dieser Landesregierung keine Macher.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe in meiner letzten Rede ausführlich dargestellt, dass die einzigen Fortschritte bezüglich Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen allein aufgrund von Initiativen der SPD erzielt wurden. Wir lassen an dieser Stelle auch nicht nach. Wir werden weiter für die kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Lande kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben Ihnen den Vorschlag gemacht, das Mittelstandsförderungsgesetz zu modernisieren. Sie haben genau dies in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses abgelehnt. Der Mittelstand in Hessen hat Zukunft – da haben Sie vollkommen Recht, Herr Williges –, aber nicht wegen dieser Landesregierung, sondern weil die Mittelständler innovativ sind und sich allen Herausforderungen stellen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht Ihr Verdienst. Die Umfrage von Ernst & Young, auf die Sie sich beziehen, besagt, dass die Unternehmen die Infrastruktur loben. Das ist ein Verdienst der Bundesregierung, weil diese die wichtigen Verkehrsmaßnahmen in Angriff genommen hat und bezahlt.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Dort, wo die Landesregierung verantwortlich ist, stockt und stottert es an allen Ecken und Enden – siehe Frankfurter Flughafen.

(Beifall bei der SPD)