Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir noch einmal über die so genannten Bankenfälle reden: Die Landesregierung hat einen Erlass gebilligt, der die Steuerfahnder, die, wie gesagt, hochgradig motiviert waren, die aufklären wollten, die dem Land hinterzogene Steuern wieder sichern wollten, faktisch kaltgestellt hat. Die Steuerfahnder haben darauf zu Recht mit Empörung reagiert.Was ist geschehen? Die Landesregierung hat gedeckt, hat unterstützt, dass die Amtsleitung einen Erlass herausgegeben hat, der faktisch dazu geführt hat, dass in zahlreichen Fällen eine Verfolgung nicht stattgefunden hat. Im Untersuchungsausschuss haben wir feststellen können, dass bis zum heutigen Tage dort Akten, Unterlagen, Belege liegen, die nicht aufgearbeitet worden sind.

(Jürgen Walter (SPD): Unglaublich! – Petra Fuhrmann (SPD):Was für eine Schlamperei!)

Das ist wirklich ein unglaublicher Vorgang. Hier wurden und werden sehenden Auges Verjährung und mangelnde Steuervollziehung zugelassen.Das ist allemal ein Skandal. Man mag an dieser Stelle sogar von Strafvereitelung sprechen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Da passt es ins Bild, dass es im Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung,

(Günter Rudolph (SPD): Ja, da warten wir immer noch auf die Akten!)

bei der hessischen Polizei selbst, zu Korruption gekommen ist. Das passt ins Bild. Wie es so schön heißt: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Das ist in einem Bereich, der dem Ministerium unmittelbar zugeordnet ist.Wie weit es hier zu Korruption gekommen ist und dass dort Erhebliches im Argen liegt, hat der Bericht des Rechnungshofs festgestellt. Der Untersuchungsausschuss wird sicherlich auch feststellen, inwieweit der Minister selbst dafür persönlich Verantwortung trägt. Es ist ein Skandal an sich, dass es in einer dem Ministerium nachgeordneten Behörde bei der Polizei zu Korruption gekommen ist.Wie weit ist es im Land Hessen gekommen, dass so etwas geschieht, meine Damen und Herren?

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Herr Klee, eine Union hier in Hessen, die in ihrer Oppositionszeit einen Justizminister, auch einen Innenminister immer vor sich hergetrieben hat, die „null Toleranz für Straftäter“ gesagt hat, muss sich damit auseinander setzen, dass an der Spitze des Staates bei Wirtschaftskriminalität und Korruption einiges im Argen liegt. Deswegen sollten Sie mit solchen Zwischenrufen verhältnismäßig ruhig sein, sondern als Abgeordnete der die Regierung stellenden Fraktion die Verantwortlichen in der Regierung auch einmal stellen und fragen, ob sie endlich bereit sind, an dieser Stelle etwas zu unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe doch, wir sind uns einig, dass Wirtschaftskriminalität und Korruption zentrale Gefährdungen unserer Gesellschaft sind. Manche sprechen von „Krebsgeschwüren“. Da ist auch etwas dran.Wir brauchen keine Appelle, wir brauchen auch keine schärferen Gesetze. Was wir brauchen, ist mehr Kontrolle. Wir brauchen deswegen auch mehr Personal, und wir brauchen vor allem auch den Willen der Landesregierung, an dieser Stelle zu handeln. Das ist, so meine ich, ganz entscheidend.

Wenn ich die Frage des Personals anspreche, darf ich daran erinnern, dass der Ministerpräsident heute Morgen auf die Aufforderung, wir sollten die Ministerien verkleinern, gesagt hat: Das ist Kleinvieh, und das bringt nichts. – Ich sage Ihnen nur eines: Wenn man sich einmal die personelle Aufblähung in der Staatskanzlei anschaut

(Andrea Ypsilanti (SPD): Zum Beispiel!)

und allein das Personal dafür genommen hätte,um bei Polizei und Staatsanwaltschaften Schwerpunktsetzungen zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität vorzunehmen, wären wir in diesem Lande ein Stück weiter.

(Beifall bei der SPD)

Wer die Staatskanzlei aufbläht, kümmert sich zwar um sein persönliches Fortkommen,

(Günter Rudolph (SPD): 50 neue Stellen!)

aber er schadet dem Land, weil er dann anscheinend nicht mehr die Mittel hat,um im Bereich der Staatsanwaltschaft und der Polizei etwas zu tun. Er schadet diesem Lande. Das muss man an dieser Stelle auch einmal feststellen.

Der Blick auf andere Bundesländer zeigt, dass es auch anders geht. In Niedersachsen beispielsweise wurde eine Task Force aufgebaut. Das Beispiel Bayern habe ich Ihnen eben genannt.Auch die Bayern sind in dieser Hinsicht vorbildlich. Aber, meine Damen und Herren – das wird die FDP interessieren –, in einer ganz interessanten Pressenotiz vom Montag habe ich gelesen, dass in unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz die Polizei ausgebaut wird. Zwischen 2006 und 2010 sollen jährlich 280 Polizeibeamte eingestellt werden.Wörtlich heißt es:

Im Zuge eines Spezialistenprogramms sollen weitere 18 Fachkräfte aus den Bereichen elektronische Datenverarbeitung, Betriebswirtschaft und Biologie für eine effizientere Bekämpfung der Internetund Computerkriminalität, von Korruption und Wirtschaftskriminalität sowie in der Analyse von Genproben sorgen.

Das halte ich wirklich für einen guten Ansatz. Ich fordere die Union in diesem Lande auf,sich ein Beispiel am Nachbarland Rheinland-Pfalz zu nehmen. Die scheinen die Probleme tatsächlich erkannt zu haben, Sie in Hessen anscheinend nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Vorgänge zeigen doch, dass der Innenminister versagt hat. Er ist mit dafür zuständig – das hat Herr Schaupensteiner hier deutlich gemacht –, dass in der Frage der Korruptionsbekämpfung die Staatsanwaltschaft nicht über nachgeordnetes Personal verfügt, über Fachleute, die sich in diesen Bereichen auskennen.

Der Finanzminister hat – das haben wir gesehen – bei der Frage der Steuerfahnder versagt. Da trägt er persönlich mit Verantwortung dafür, dass sein Ministerium den Nichtverfolgungserlass abgesegnet hat, dass es zu keiner personell notwendigen Ausstattung in dem Finanzamt Frankfurt V kam. Auch der Justizminister hat versagt. Er hat nicht die notwendigen Mitarbeiter für den Bereich der Staatsanwaltschaft zusammengestellt. Der Justizminister ist schon zurückgetreten.Der neue Justizminister hat hier, wie ich meine, ein großes Arbeitsfeld, dem er sich stellen muss.

Insgesamt muss man sagen, dass diese Landesregierung in einem für sie – für uns auch, aber von Ihnen selbst definierten – zentralen Feld versagt hat. Deswegen kann man nur auffordern: Herr Justizminister, handeln Sie endlich! Aber auch Ihre beiden anderen Kollegen, der Innenminister und der Finanzminister, sind gefordert, ihre Politik in diesem Punkt zu ändern. Es kann nicht sein, und es ist ein Armutszeugnis für Hessen, dass am Ende nur wieder die Kleinen verfolgt werden, aber die Großen laufen gelassen werden. Das ist ein Skandal für dieses Land.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Schmitt. – Als Nächstem darf ich Herrn von Hunnius das Wort zur Begründung des Dringlichen Antrags der FDP-Fraktion erteilen.

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der FDP)

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe bitten, damit Herr von Hunnius seine Rede beginnen kann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Debattengegenstand sind heute im Rahmen unseres Dringlichen Antrages personelle Maßnahmen, und, was viel wichtiger ist, Debattengegenstand sind Menschen. Lassen Sie mich mit den personellen Maßnahmen beginnen.

Da gibt es eine Verkettung von Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten, die in der Tat aufhorchen lässt. Ich will sie einfach einmal völlig kommentarlos aneinander gereiht aufzählen, einige davon zumindest.

Es wird entdeckt,dass es in Frankfurt eine Überbesetzung mit Steuerfahndern gibt. Dann gibt es eine Umsetzung von elf Personen aus dem Bereich Steuerfahndung, die – zumindest subjektiv – als Versetzung oder Strafversetzung empfunden wird. Zugleich entsteht urplötzlich ein besonders großer Personalbedarf in der Servicestelle Recht, und der muss offensichtlich mit Steuerfahndern und nicht mit Juristen gedeckt werden.

Trotz der angeblich vorhandenen Überbesetzung im Bereich Steuerfahndung gibt es eine Stellenausschreibung. Dann gehen drei Bewerbungsunterlagen auf unerklärliche Art und Weise auf dem Dienstweg verloren. Die Ausschreibungsbedingungen werden geändert.

Bei den umgesetzten Steuerfahndern handelte es sich um Personen,die in bestimmten Fachfragen – gemeint ist eine Amtsverfügung – anderer Meinung waren als der Amtsleiter.

Am 15. September 2004 richtet ein Mitarbeiter des Finanzamtes Frankfurt V, der dann zum Finanzamt Frankfurt III abgeordnet worden ist, ein umfangreiches Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten, an den Finanzminister und den zuständigen Staatssekretär. In diesem Schreiben erhebt er schwere Vorwürfe gegen zwei Mitglieder der Führungsebene des Finanzamtes Frankfurt am Main V. Die Prüfung der Vorwürfe nimmt ein volles Jahr in Anspruch.In der Zwischenzeit wird der Mitarbeiter mit dem Hinweis auf die Schwere der Vorwürfe und den Prüfungsumfang immer wieder vertröstet.

Mit Schreiben vom 06.12.2004 reichen sechs Mitarbeiter des Finanzamtes Frankfurt am Main V eine Petition im Hessischen Landtag ein, mit der sie um eine Überprüfung der Versetzungs- bzw. Umsetzungsvorgänge bitten. Sie vermuten einen inneren Zusammenhang dieser Vorgänge mit der Konstituierung eines Untersuchungsausschusses, und zwar des Ausschusses 16/1 des Hessischen Landtags. Über einen Zeitraum von einem Dreivierteljahr hinweg werden die erforderlichen Akten des Finanzministeriums dem Petitionsausschuss nicht bereitgestellt. Der Ausschuss ist in dieser ganzen Zeit nicht in der Lage, seiner Arbeit nachzukommen.

(Jürgen Walter (SPD): Das kennen wir! Das ist die übliche Vorgehensweise dieser Landesregierung!)

Ich erspare es mir, die Liste der Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten fortzuführen; aber es fällt, mit Verlaub, einem unvoreingenommenen Betrachter sehr schwer, daran zu glauben, dass es sich hierbei um eine zufällige Verkettung handelt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ausdrücklich enthalte ich mich einer Beurteilung in Bezug auf die Versetzung von elf Steuerfahndern und auch in Bezug auf die Behandlung der von einem Mitarbeiter vorgebrachten Beschuldigungen, soweit es sich um Vorgänge handelt, die formalrechtlich zu beanstanden sind. Mein Respekt vor Herrn Minister Weimar und meine Wertschätzung für Herrn Staatssekretär Dr. Arnold gebieten es,

(Zuruf von der FDP: Sehr fein!)

ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand weder dem Minister noch dem Staatssekretär vorwerfe,Rechtsbruch begangen oder willentlich hingenommen zu haben. Darauf lege ich ganz großen Wert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Denn es geht mir nicht allein um die Frage der korrekten rechtlichen Abwicklung, sondern es geht mir insbesondere um den zweiten Teil dessen, was ich vorhin angedeutet habe:um die menschliche Seite.Wie werden Menschen in der Verwaltung behandelt, wie werden Menschen motiviert?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem bin ich schon ein bisschen erstaunt darüber, dass mein Auskunftsersuchen vom 20.10.2005 bisher nicht beantwortet worden ist. Da habe ich genau nach der Behandlung eines Vorganges, nämlich der Beanstandung durch den Finanzamtsmitarbeiter, gefragt. Es war leider nicht möglich, die Beantwortung im Rahmen des Haushaltsausschusses durchzuführen. Das hätte sich eigentlich angeboten, weil die Dinge zusammengehören. Das ist nicht erfolgt.

Damit komme ich zum zweiten,dem aus meiner Sicht entscheidenden Aspekt der Angelegenheit: den betroffenen Menschen. Die Finanzverwaltung ist ein ganz herausragender Bereich innerhalb der Landesverwaltung, nämlich der Bereich, der – anders als die meisten anderen – Einnahmen für die Erfüllung der landespolitischen Aufgaben erzielt.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ist deren Aufgabe!)