Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Zum Dritten. Ich glaube, dass wir an diesem Finanzplatz eine starke öffentlich-rechtliche Säule sichern müssen. Das ist der Streit, den wir im Moment führen müssen. Die Sozialdemokraten sind in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass das deutsche Sparkassenwesen auf Dauer ein öffentlich-rechtliches Sparkassenwesen bleiben soll, das der Privatisierung nicht zugänglich gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Ein dauerhafter Teil der drei Säulen – das ist die ganze Diskussion, die geführt wird – ist darum die Frage: Ist diese Gesetzesvorlage, die gemacht wurde, der Einstieg in einen Weg der schleichenden Privatisierung? – Den werden die Sozialdemokraten nicht mitgehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen in der Situation, in der wir uns befinden – das zeigen die Zahlen der Entwicklung im gewerblichen Bereich sehr deutlich –, stärker als das Hessen hat, ich gebe auch zu, stärker als das Hessen über viele Jahrzehnte hatte, eine eigenständige Industriepolitik, die an diesem Standort ein neues Fenster eröffnet. Wie sind wir in der Lage, mit dem Druck, dass drei Viertel unseres Bruttoinlandproduktes an diesem Standort aus dem Dienstleistungsbereich entstehen, mit dem Druck, der daraus auf Bodenpreise, auf Löhne und Gehälter, auf Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis zu gewerblichen Einrichtungen erwächst, die anderenorts entstanden sind, umzugehen?

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir brauchen ein klares Fenster, indem wir für Industriezukunft an diesem Standort sorgen. Wir dürfen nicht nur darüber reden. Wir müssen sie wollen. Wir müssen ein Stück deutlicher zeigen, wohin der Weg geht. Meine Damen und Herren, eines geht nicht: bei Zahlen, die sagen, wir sind in den absoluten Werten ganz vorne, und bei einem Verlust der Wachstumsdynamik über vier Jahre in Folge so zu tun, als sei in Hessen alles in Ordnung. Das ist nicht der Fall. Der Wirtschaftsminister, der das macht, führt das Land nicht richtig.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ro- land von Hunnius (FDP))

Das Wort hat Staatsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zu den beiden letzten Beiträgen nur wenige Anmerkungen machen. Herr Al-Wazir, Sie haben sehr ernsthaft begonnen und etwas polemisch geendet. Das war enttäuschend. Aber ich will das weglassen. In der Tat müssen wir uns in Deutschland grundlegend unterhalten, aber nicht nur unterhalten, sondern bald Entscheidungen treffen. Ich bin auf Ihre Position gespannt, wie wir das große Heer der arbeitslosen Menschen wieder in Beschäftigung bringen,denn Arbeit ist nicht nur Broterwerb, sondern auch ein wesentliches Inhaltsmoment für die Erfüllung menschlichen Lebens.

Dieses vorausgeschickt müssen wir nüchtern konstatieren, wenn wir auf den Markt schauen, dass wir – zumal in Europa – mehr Arbeitsangebot als Arbeitsnachfrage haben.Die Grenzen sind nicht geschlossen.Gott sei Dank ist der Eiserne Vorhang gefallen. Das, was hinsichtlich der Dienstleistungsrichtlinie auf europäischer Ebene als Kompromiss verabschiedet und auf den Weg gebracht worden ist, zeigt, dass man trotz aller notwendigen Beschränkungen in bestimmten Teilbereichen die Wanderungsbewegung mit dem Angebot an Arbeitskräften europaweit nicht abschieben kann,zumal es dann auf grauen oder schwarzen Märkten passiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Realität in Deutschland ist allerdings, dass wir durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ein ehrliches Bild der wirklich Erwerbssuchenden und der Erwerbslosen haben. Ich denke, dass dieses Bild in Hessen vielleicht noch ehrlicher als in anderen Ländern ist, weil nicht zuletzt durch die Optionsgemeinden in Hessen deutliche Klarheit geschaffen worden ist und keine Zahlen versteckt worden sind.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dies enthebt uns nicht der Aufgabe, die Weichenstellung am Arbeitsmarkt zu vollziehen, und wir müssen die Grundentscheidung treffen: Wollen wir den Menschen, die arbeitslos sind, Lohnersatz oder Lohnergänzung zahlen? – Ich bin für das Letzte, weil das den Menschen die Chance gibt, zu arbeiten, auch auf einem Markt, der sie nicht zu dieser Zeit und zu den Mindestlohntarifen nachfragt. Wir müssen dazu übergehen, dass wir Lohnergänzung nach der Position zahlen, die wir bei jeder einzelnen Persönlichkeit, bei jedem einzelnen Menschen nach dem Erwerb mit seiner Chance auf dem Arbeitsmarkt sehen, damit er den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben realisieren kann.

Das bedeutet, dass wir die Diskussion – ich will nicht tiefer darauf eingehen – beispielsweise um Mindestlohn und um Kombilohn so führen müssen, dass nicht nur die Menschen aus dem Ausland,insbesondere aus Mittel- und Osteuropa,eine Chance haben,hier eine Arbeit zu finden,vor allem auf den Schwarzmärkten, sondern dass auch die über fünf Millionen Menschen mit ihren Möglichkeiten

und ihren Fähigkeiten zumindest das Einkommen am Markt erzielen können, das ihnen aufgrund der individuellen Situation und aufgrund des Gesamtangebotes möglich ist. Diese Weichenstellung ist in dem von Ihnen angesprochenen Sinne dringend erforderlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auf Herrn Klemm eingehen. Herr Klemm, ich finde es schon mutig von Ihnen – das muss ich sagen –, dass Sie sich hierhin stellen und von hoher Warte die schwache Leistung der Wirtschaft des Landes Hessen bei dem Wachstum des Bruttoinlandprodukts beklagen.

Ich habe in meiner Rede deutlich gesagt, dass wir damit nicht zufrieden sein dürfen, dass wir nach oben wollen und auch nach oben kommen werden. Herr Kollege Klemm, da Sie das moniert haben: Ich habe das an den Wachstumsraten im Auftragseingang konkret belegt, die bereits im letzten Quartal und in den ersten Wochen dieses Jahres zu verzeichnen waren. Ich habe dies an der Entwicklung wichtiger Branchen, z. B. der Chemie, aber auch der Bauwirtschaft, deutlich gemacht.

Wenn Sie mich schon so kritisieren, müssen Sie mir auch erlauben, eine Zahl zu nennen, die aus der Zeit stammt, als Sie noch Wirtschaftsminister waren.Wie Sie eben dargestellt haben, wurde damals angeblich alles glänzend geregelt. Während wir 2005 mit 0,8 % Wachstum leider nur auf dem neunten Platz lagen – das ist beklagenswert, das muss verbessert werden –, befanden wir uns 1997, als Sie sozusagen in der Blütezeit Ihrer Tätigkeit waren,auf Platz 14.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist aber interessant! – Zurufe von der CDU)

Diese Zahl relativiert den Anspruch,mit dem Sie hier aufgetreten sind.Herr Klemm,es ist in der Tat so,dass wir mit allen Mitteln kämpfen müssen, um das Bestmögliche zu erreichen.Aber sich hierhin zu stellen und so zu tun,als ob wir uns heute in einem Jammertal befänden, geht wirklich nicht. Das ist nicht der Fall. Das belegt die Gesamtzahl, die deutlich macht, dass wir ganz oben stehen, und das belegt die Zahl für das Wachstum, die zwar nicht gut ist, aber gegenüber der Zahl, für die Sie die Verantwortung tragen, einen Bestwert darstellt. Auch das muss der Ehrlichkeit halber gesagt werden.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Herr Kollege Denzin, FDP-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie. Bis 12 Uhr ist es noch Morgen. Der Herr Kollege hat Recht.

(Jürgen Walter (SPD): Michael, wir sind schon ein bisschen länger auf!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass die Spannung, die sich hier künstlich aufgeladen hatte, inzwischen ein bisschen heraus ist. Es kann einem nicht gefallen, wie wir dieses Thema hier behandeln. Viele Beiträge sind an dem, was die Wirtschaftspolitik eines Landes leisten kann,vorbeigegangen.Das hat zu Aufgeregtheiten auf Nebenkriegsschauplätzen geführt.

Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass Statistiken unsicher seien. Statistiken sind nie unsicher. Sie können falsch interpretiert oder auch falsch zusammengestellt worden sein. Deshalb bringt es nicht viel, sich über die Interpretation von irgendwelchen statistischen Ergebnissen zu streiten. Die Statistiken kann ich so oder so auslegen. Ich kann die Plätze 9 oder 14, aber auch die Plätze 1 oder 2 belegen.

Das ist es nicht. Vielmehr müssen wir uns hier wegen einer Entwicklung Sorgen machen: Hessen prosperiert in den letzten Jahren nicht mehr in dem Maß, wie es das aufgrund seiner Lage, seiner Struktur und seiner Besonderheiten eigentlich könnte.

(Beifall bei der FDP)

Zu den Besonderheiten zählen der Flughafen, der Finanzplatz Frankfurt und das, Herr Minister, was Sie zwar richtigerweise angesprochen haben, aber unserer Einschätzung nach immer noch ungenügend vorantreiben, nämlich die Clusterbildung im Rahmen von Forschung und Anwendung sowie von Forschung und Mittelstand. All das haben wir vor drei oder vier Jahren in diesem Land sehr intensiv begonnen.

(Beifall bei der FDP)

Es nützt mir nicht viel, wenn ich über Ihre Internetseite oder auch schriftlich die eine oder andere Information zur Nanotechnologie von Ihnen erhalte. Es gibt mehr Potenziale.Andere Länder sind in der Entwicklung eben weiter.

(Beifall bei der FDP)

Für mich, für uns, für alle Landeswirtschaftspolitiker ist das der Kernpunkt überhaupt.Abgesehen davon, dass wir die Infrastruktur zur Verfügung stellen und Wachstumshemmnisse abbauen müssen, ist der Kernpunkt einer nach vorne gerichteten Wirtschaftspolitik, dass das Land auf dem Gebiet der Forschung sowie der Verknüpfung von Forschung mit der Anwendung in der Produktion dort flankierend tätig wird, wo es das kann.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, Sie haben die Strompreise angesprochen. Es ist sehr gut, wenn der Wirtschaftsminister, der zugleich der Preisgenehmigungsminister ist, zwei- oder dreimal hinsieht, wenn er es mit Monopol- oder Oligopolsituationen zu tun hat. Nur, jeder Bürger und jedes Unternehmen dieses Landes haben auch einen Anspruch auf eine rechtsstaatliche Behandlung.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ein Antrag gestellt ist, hat er beschieden zu werden. Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, der angeführte Grund rechtfertige keine Preiserhöhung, können Sie sie ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Ein Unternehmen,das damit nicht einverstanden ist,kann vor Gericht gehen und das überprüfen lassen. Sie aber ha

ben den Antrag überhaupt nicht beschieden. Das geht nicht, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP – Minister Dr.Alois Rhiel:Das ist völlig falsch!)

Das zeigt auch die Einstellung dieses Wirtschaftsministers denjenigen gegenüber, die ihm eigentlich ans Herz gewachsen sein müssten: diejenigen, die auf dem Gebiet der Wirtschaft handeln und etwas bewegen sollen.

(Beifall bei der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Um die Kommunikation geht es!)

Außerdem wissen Sie sicherlich genauer als ich, dass wir damit rechnen können, dass die Durchleitungsgebühren bis Ende April festgelegt werden. Die Regulierungsbehörde ist wohl schon sehr weit. Dann stellt sich Ihnen die Frage erneut, weil Ihre Argumentation, was die Durchleitung angeht,fehlgeht.Das war nicht der Erhöhungsgrund. Der Grund für den Antrag war die Preiserhöhung, zu der es in den letzten Jahren im Einkauf gekommen ist: von 24 auf 58 c. Das war der Antragsgrund.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Ich werde hier nicht zum Befürworter der Preistreiberei in Monopolsituationen.Aber wir alle sollten ein Interesse daran haben, dass hier auf einer klaren, rechtssicheren Grundlage gehandelt wird. Das ist in dem Fall nicht geschehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, es ist schon lustig, wenn Sie hier noch einmal Ihre Absichten in Bezug auf das Sparkassengesetz darlegen. Wir hatten einen Gesetzentwurf, der auf jeden Fall all das beinhaltet hat, was Sie bisher angekündigt haben.Sie haben noch keinen Entwurf vorgelegt.Wir wissen noch nicht genau, wie das aussehen wird. Wir kennen das nur aus Ihren öffentlichen Verlautbarungen. Wir haben vor zwei Jahren einen Gesetzentwurf vorgelegt,der auf jeden Fall all das abgedeckt hat,was Sie angekündigt haben. Diesen Gesetzentwurf hat die Union damals schlicht und einfach abgelehnt.