Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

(Beifall bei der SPD)

Das wird von der CDU kritisiert, und sie sagt, es handele sich doch um ein Nachtflugverbot. Daher sollten wir uns erst einmal vergewissern, was ein Nachtflugverbot überhaupt ist. Es ist auch klar, dass verspätete Maschinen landen müssen.Wenn eine Maschine aus Moskau kommt und um 23.30 Uhr erst in Frankfurt ist, dann lassen wir sie natürlich nicht bis morgens um 6 Uhr über Frankfurt kreisen, um sie dann landen zu lassen. Das ist völlig unstrittig. Wenn eine Maschine von Moskau nach Madrid fliegt und einen Triebwerkschaden hat, dann lassen wir sie nicht kurz hinter der französischen Grenze abstürzen, sondern wir lassen sie in Frankfurt landen. Das ist völlig selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns auf eine Definition festlegen, dann reden wir über geplante Flüge. Wir können vieles erklären, und ich habe für vieles, was hier passiert, sehr viel Sympathie,

doch sage ich auch: 17 Flüge, die pro Nacht geplant sind, sind nicht gleich null Flüge. Daher reden wir nicht über ein Nachtflugverbot, sondern über Nachtflugbeschränkungen. Das Mediationsverfahren hat allerdings ein Nachtflugverbot vorgesehen. Herr Ministerpräsident Koch und Herr Wirtschaftsminister Dr. Rhiel, Sie haben in der Region sehr viel Vertrauen verspielt, weil auch Sie noch kurz vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für das Nachtflugverbot eingetreten sind.

Ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten aus der Plenardebatte vom 06.09.2007. Herr Ministerpräsident, ich zitiere dies, um kein Missverständnis auszulösen.

Der Ausbau des Flughafens wurde mit dem Nachtflugverbot beantragt. Ich kann mir nicht vorstellen,

so der Herr Ministerpräsident –

dass irgendjemand auf die Idee käme, den Ausbau des Flughafens ohne Nachtflugverbot zu genehmigen.

Herr Ministerpräsident, es war nicht irgendjemand. Es war Ihr Wirtschaftsminister, der den Ausbau des Frankfurter Flughafens ohne Nachtflugverbot genehmigt hat.In dem Sinne müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen: Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern etwas anderes versprochen, als wir jetzt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nunmehr haben wir aber eine andere Situation. Ich meine nicht den 27. Januar, sondern ich meine den 18.12. Wir haben einen Planfeststellungsbeschluss. Es wurde bereits zitiert: Ich glaube, dass dieser Planfeststellungsbeschluss so, wie er erlassen worden ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit in sich trägt. Ich glaube, dass in der Situation, in der wir vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses waren, in der Tat ein Planfeststellungsbeschluss ohne Nachtflüge rechtswidrig gewesen wäre.

Man hätte ein Nachflugverbot hinbekommen können, Herr Ministerpräsident, aber nur dann – worüber wir hier oft gestritten haben –, wenn wir entweder ein Flughafensystem Frankfurt/Frankfurt-Hahn von der Europäischen Union genehmigt bekommen hätten oder aber – das wäre der Weg gewesen, den wir gegangen wären – eine Vereinbarung mit den Luftverkehrsgesellschaften abgeschlossen hätten, die vorsieht: Ihr Luftverkehrsgesellschaften bekommt den Ausbau nur, wenn ihr mit einem absoluten Nachtflugverbot einverstanden seid. – Juristisch wäre dies ein Klageverzicht gegen einen Planfeststellungsbeschluss in dieser Form gewesen. Das haben Sie nicht gemacht. Es hat Ihnen die Kraft gefehlt, das umzusetzen. Ich glaube, dass die Luftverkehrsgesellschaften diesen Weg mitgegangen wären.

Jetzt haben wir aber einen Planfeststellungsbeschluss, den wir zu bewerten haben. Wenn ich diesen Planfeststellungsbeschluss bewerte, stelle ich fest, dass es zwei Möglichkeiten gibt, ihn zu verändern. Man kann ihn nicht ignorieren. Wegbekommen tue ich ihn sowieso nicht. Die eine Möglichkeit wäre die Fehlerbehebung. Da ich gerade eben relativ offen gesagt habe, dass ich diesen Planfeststellungsbeschluss für einen mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßigen Planfeststellungsbeschluss halte, kommt diese Variante der Fehlerbehebung für uns als Sozialdemokraten nicht infrage.

Dann gibt es die Möglichkeit, ein erneutes Verfahren einzuleiten. Dieses erneute Verfahren würde allerdings wiederum eine komplett neue Abwägung erfordern, die wieder mindestens zwei, drei Jahre erfordern würde. Letztlich käme sie in dieser Situation wiederum zu dem gleichen Ergebnis.Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb gehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten davon aus, dass dieser Planfeststellungsbeschluss der gerichtlichen, aber nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle unterzogen wird. Die Gerichte werden entscheiden, wie dieser Planfeststellungsbeschluss letztlich zu bewerten ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb halte ich es für so wichtig,was hier an Anträgen vorliegt,dass wir nämlich jenseits der Debatte des Ausbaus, die an dieser Stelle klar entschieden ist, hier alles Menschenmögliche unternehmen, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in der Region zu reduzieren.

(Beifall der Abg. Dagmar Metzger (SPD))

Gelegentlich ärgere ich mich über die Kritik an diesem Regionalen Dialogforum. Herr Wörner wird von beiden Seiten kritisiert. Die Ausbaugegner werfen Herrn Wörner vor, er wäre zu nah an den Luftfahrtgesellschaften. Die Luftfahrtgesellschaften werfen ihm vor, er hätte zu große Restriktionen, was den Ausbau angeht.

Herr Kollege Walter, die vereinbarte Redezeit ist nun überschritten.

Das spricht dafür, dass die Arbeit des Regionalen Dialogforums besser war als ihr Ruf.Wenn eine Seite mit der Arbeit des Herrn Wörner zufrieden gewesen wäre, dann wäre die Arbeit des Herrn Wörner nicht so gut gewesen.

Unser Interesse ist, das diese Arbeit fortgeführt wird.Wir sind gänzlich anderer Auffassung als Herr Kaufmann,weil wir der festen Überzeugung sind, dass technisch auch hinsichtlich der aktiven Lärmreduzierung noch sehr viel möglich ist. Die Chapter-4-Flugzeuge, die als einzige in der Nacht fliegen dürfen, machen deutlich weniger Lärm. Sehen Sie, es macht einen Unterschied, ob ich die Maschinen nachts über Offenbach und Frankfurt schicke oder über eine Route, die möglicherweise teurer ist, aber deutlich weniger Lärm für deutlich weniger Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt.

Herr Kollege Walter, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Deshalb mein Wunsch: Lassen Sie uns ernsthaft und engagiert darüber diskutieren und daran arbeiten, wie die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in der Region reduziert werden können.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Walter. – Ich habe zwei Kurzinterventionen. Zunächst Herr Boddenberg, dann Herr Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Walter, ich will auf diesen für mich durchaus sehr zentralen Punkt noch einmal eingehen. Bevor Sie an das Rednerpult getreten sind, hatte ich Sie gefragt, was die endgültige juristische Überprüfung ergeben hat, die von der SPD-Fraktion nach Auskunft von Frau Ypsilanti eingeleitet worden ist. Das hat nämlich sehr viel mit der Frage zu tun, die Sie jetzt noch einmal zu einem wesentlichen Punkt Ihres Vortrages gemacht haben, nämlich der Frage des Nachtflugverbotes.

Sie sind Jurist. Sie wissen besser als viele andere hier, dass in diesem Planfeststellungsverfahren eine Abwägung vorzunehmen ist. Sie wissen auch, dass es Gutachten gab, nach denen es einen Bedarf an 70,80 Nachtflügen gibt.Sie wissen aus diesem Verfahren sehr wohl, dass jede einzelne dieser Bedarfsmeldungen am Ende geprüft worden ist. Am Ende – das war auch die zwischenzeitliche Stimme von Herrn Wörner – war davon die Rede, schon im Vorfeld, aber dann auch dokumentiert im Planfeststellungsbeschluss, dass es diese 17 Ausnahmen geben muss, um weitestgehend Rechtssicherheit herzustellen, soweit das in einem solchen Verfahren bis zur endgültigen Entscheidung vor deutschen Gerichten möglich ist. Das ist der Punkt, über den wir schon noch einmal reden wollen und müssen.

Sie sagen heute rückblickend: „Wir hätten das alles ganz anders gemacht“. Sie wissen aber sehr wohl, dass es diese Bedarfe und die Gutachten dazu gegeben hat und dass es die Aufgabe einer Behörde ist, eben nicht nur eine Seite abzuwägen, sondern alle Seiten. Deswegen finde ich, dass es an der Stelle ein wenig unredlich ist, als Sie hier vorgetragen haben, was Sie alles gemacht hätten. Wenn Sie zu diesem Zeitpunkt in der Verantwortung gewesen wären, wäre am Ende gar nichts anderes herausgekommen. Ich möchte Sie bitten, hier noch einmal vorzutragen: Was haben Ihre Juristen zu der Frage gesagt, dass man das alles noch einmal auf den Prüfstand stellen kann und am Ende auch verändern kann? – Denn das hat sehr viel mit der grundsätzlichen Frage von Glaubwürdigkeit zu tun.

Die CDU hat all das vor der Wahl auf den Tisch gelegt. Man kann über Definitionen streiten. Es steht ein Nachtflugverbot in diesem Planfeststellungsbeschluss. Es besteht auch weitestgehend eine ordentliche Kommunikation seit diesem Tag, warum es diese Ausnahmen gibt.

Herr Kollege Boddenberg!

Ich finde, offener und transparenter kann man ein solches Verfahren nicht betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Walter, sind Sie einverstanden, wenn Herr Rentsch die zweite Intervention macht und Sie in toto antworten dürfen? – Herr Kollege Rentsch, ich bitte um Nachsicht, dass ich Herrn Boddenberg vorgezogen hatte. Er hatte schon vorher eine Kurzintervention, die ich unterschlagen hatte.

Herr Boddenberg ist auch nicht mehr so jung; insofern war es sicherlich richtig, ihn vorzuziehen.

Herr Kollege Walter, ich will zu dem Thema zurückkommen.Wir haben als Freie Demokraten diesen Antrag eingebracht, weil wir – das haben Sie in Ihrer Rede auch gesagt – uns über die Bedeutung dieses Flughafens und auch über die Frage einig sind, dass dieser Flughafen im Einvernehmen mit den Menschen in dieser Region weiterentwickelt werden muss. Ich denke, dass diese Frage für alle Fraktionen in diesem Hause, die es ernst nehmen – bei Herrn Kaufmann bin ich mir sehr häufig nicht sicher, ob er diese Frage wirklich ernst nimmt –, keine einfache politische Frage ist.

Das, was Sie hier gerade gemacht haben, war wieder einmal eine Vermischung zwischen der politischen Ebene und der Verwaltungsebene. Der Landtag beschließt keine Planfeststellungsverfahren. Das will ich hier ganz konkret noch einmal sagen. Es ist gerade der Eindruck entstanden, als ob wir als Parlament einen Einfluss darauf hätten, was die Verwaltung in Hessen in diesem Bereich beschließt und für richtig hält. In Planfeststellungsverfahren wird im Gegensatz zu anderen Ländern – z. B. in Südafrika würde es so etwas nicht geben; da würde so etwas politisch entschieden werden – in Hessen, in Deutschland die Verwaltung nach klaren Vorgaben eine Entscheidung treffen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Herr Kollege Walter, als Jurist ist Ihnen das auch klar. Ich will Ihnen das deshalb sagen, weil die Sozialdemokraten im Wahlkampf bei jeder Veranstaltung den Eindruck erweckt haben, es gäbe politische Möglichkeiten, dieses Planfeststellungsverfahren zu beeinflussen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gibt es nicht.

(Nancy Faeser (SPD): Natürlich, als Landesregierung!)

Zweitens. Die Sozialdemokraten haben mit der Aussage Wahlkampf gemacht,sie würden diese Entscheidung nach einer gewonnenen Wahl rückgängig machen wollen. Herr Kollege Walter, Sie haben heute selbst gesagt, dass dies so nicht möglich ist.

Ich würde gerne von Ihnen wissen, was Sie zu dieser Erkenntnis gebracht hat.Denn das berühmte Gutachten,das die Sozialdemokraten seit Monaten versprechen – Frau Ypsilanti hat in verschiedenen Veranstaltungen gesagt: wir werden euch nachweisen, dass das rechtlich alles möglich ist, was wir wollen –, das würden wir gerne sehen. Es entsteht ein wenig der Eindruck, dass Sie mittlerweile erkannt haben, dass das, was Sie im Wahlkampf vollmundig erklärt haben, überhaupt nicht umsetzbar ist.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Gott sei Dank ist eben die Vermischung zwischen der politischen Ebene und der Verwaltungsebene in Hessen nicht möglich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Walter.

Herr Kollege Rentsch, Herr Kollege Boddenberg, ich muss offen sagen: Ich bin ein bisschen enttäuscht. Denn bisher haben wir bei diesem wichtigen Thema Flughafen nie Politspaß gemacht.

(Michael Boddenberg (CDU): Das war kein Spaß!)

Das, was Sie jetzt machen, ist Politspaß. Denn ich glaube, ich habe relativ klare Aussagen getroffen.

(Beifall bei der SDP)

Kollege Rentsch, es ist mir sehr wohl bewusst, dass ein Planfeststellungsverfahren im Bereich der Exekutive und nicht im Bereich der Legislative angesiedelt ist. Ich sage Ihnen aber sehr wohl, dass ich dieses Verfahren politisch beeinflussen kann.Ich habe die beiden Wege benannt,wie man ein absolutes Nachtflugverbot und nicht nur eine Beschränkung in einen Planfeststellungsbeschluss schreiben kann.

Die eine Möglichkeit wäre – so etwas gibt es in diesen vorläufigen Verfahren und im Vorfeld von Verfahren –, dass man die Betroffenen an einen Tisch holt. Die Fraport hat auch null beantragt. Die Luftfahrtgesellschaften haben ein anderes Interesse. Man kann in dieser Situation mit den Luftfahrtgesellschaften zu so einer Vereinbarung kommen, und das Regionale Dialogforum hat dies versucht.