(Aloys Lenz (CDU): Das hat niemand getan! Hören Sie doch zu! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er hat überhaupt nicht gleichgesetzt!)
Dieser historische Vergleich ist falsch. Diktaturen müssen von Demokraten gemeinsam bekämpft werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Aloys Lenz (CDU): Das ist nicht getan worden! – Holger Bellino (CDU): Lesen Sie die Rede noch einmal nach!)
Herr Kollege Lenz, deswegen macht Ihr Redebeitrag deutlich: Sie müssen versuchen, zu erklären, warum Frau Steinbach irgendwas gesagt hat. Es wäre so einfach. Sie haben sicherlich noch Gelegenheit, deutlich zu machen, dass sich Frau Steinbach vergaloppiert hat. Es war leider nicht das erste Mal. Deswegen haben wir Zweifel, ob Frau Steinbach wirklich – Sie haben das ja gesagt – auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Sie sollte daran gar keinen Zweifel aufkommen lassen.
Wir werden es aber nicht akzeptieren und hinnehmen, dass die älteste deutsche Partei – ich erinnere, es waren Sozialdemokraten, die unter großen Gefahren gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis gestimmt haben – mit Gleichschaltung gleichgesetzt wird. Das ist ein schwerer Schlag gegen die Sozialdemokratie, die sich immer für Freiheit eingesetzt hat.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das hat niemand getan! Sie waren überhaupt nicht gemeint! Reine Polemik!)
Herr Dr. Wagner, Sie sollten hier ein klares Bekenntnis abgeben – Sie haben die Gelegenheit dazu –: Das, was Frau Steinbach getwittert hat, ist nicht die offizielle Position der CDU in Hessen. – Das wäre eine ehrliche Meinung. Aber Sie betreiben Rabulistik.
Wenn Sie sich dazu heute nicht durchringen können, dann sind das, was Herr Lenz und andere gesagt haben, Lippenbekenntnisse. Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie belegt: Wir waren immer Kämpfer für Freiheit und Frieden. Wenn Frau Steinbach die Sozialdemokratie beleidigt, dann liegt es an Ihnen, dass dieser Verdacht nicht auf die gesamte CDU fällt.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie waren nicht gemeint! – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))
Herr Dr. Wagner, haben Sie den Mut, hierher zu gehen und sich für Frau Steinbach zu entschuldigen. Das wäre Größe. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Sie hätten die Rede genauer hören sollen! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Dann müssen Sie sich distanzieren!)
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Dann ist der Tagesordnungspunkt behandelt, und wir haben über den Entschließungsantrag Drucks. 18/5249 abzustimmen.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag bei Zustimmung von SPD, GRÜNEN und DIE LINKE und Ablehnung der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt worden ist.
Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Auswirkungen der Bundeswehrreform auf Hessen: Konversion gestalten – betroffene Kommunen unterstützen – Drucks. 18/5161 zu Drucks. 18/5129 –
Ich eröffne die Aussprache, indem ich Herrn Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort gebe.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen auch berichten, was der Hauptausschuss empfiehlt. Der Hauptausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Antrag abzulehnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, bezieht sich auf eine Debatte, die wir im vorletzten Plenum geführt haben. Es ging um die Strukturreform der Bundeswehr und um das, was Bundesverteidigungsminister de Maizière vorgelegt hat. Diese Vorlage von Bundesverteidigungsminister de Maizière hat auch Auswirkungen auf das Bundesland Hessen. Wir haben uns damit beschäftigt. Wir haben Anträge der CDU, der SPD und der GRÜNEN dazu gehabt.
Wir haben diesen Antrag vorgelegt, weil wir gedacht haben, dass die Anträge, die von der CDU und auch von der SPD vorgelegt worden sind, im Thema etwas unterkomplex waren. Deswegen haben wir versucht, Ihnen einen Vorschlag zu machen, der die Problematiken und die Auswirkungen beschreibt und sagt, wie man den betroffenen Kommunen helfen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist es für die Kommunen, die von dem Abzug der Bundeswehr betroffen sind, für die Kommunen, wo Standorte geschlossen werden, eine schlimme Entscheidung. Diese Kommunen haben strukturelle Probleme. Ihren Orten geht Kaufkraft verloren. Bei ihnen werden Arbeitsplätze abgebaut. Familien, die bei der Bundeswehr beschäftigt sind, die in den Orten gelebt haben, zu denen es soziale Bezüge gibt, die Vereinsmitglieder, Freunde und Bekannte waren, werden demnächst nicht mehr da sein. Von
Aber wir müssen auch konstatieren, dass wir eine neue, andere Sicherheitslage haben, dass wir nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts geänderte Anforderungen an die Bundeswehr haben.
Zu den geänderten Anforderungen an die Bundeswehr zählt auch der Vorschlag von Herrn de Maizière, die Bundeswehr zu verkleinern und die Wehrpflicht abzuschaffen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Standorte; das muss man sich einfach deutlich machen. Es kann nicht sein, dass man die Bundeswehr umstrukturiert, veränderten Bedingungen anpasst, verkleinert und alle Standorte erhalten bleiben.
Der Vorschlag von Bundesverteidigungsminister de Maizière hat aber auch eine Schieflage. Diese Schieflage betrifft die Bundesländer: Es gibt Bundesländer, die stärker betroffen sind, und es gibt Bundesländer, die weniger stark betroffen sind. Das Verfahren, nach dem die Bundesregierung und der Bundesverteidigungsminister hier entschieden haben, ist nicht transparent und in manchen Fällen wirklich nicht nachzuvollziehen.
Aber Bundeswehrstandorte bzw. die Bundeswehr sind natürlich nicht in erster Linie dazu da, die Kaufkraft in Städten und Gemeinden sicherzustellen. Die Bundeswehr muss ihrem Auftrag gerecht werden, und sie muss sich so organisieren, dass sie diesen Auftrag bestmöglich erfüllt.
Wenn man als Bundesverteidigungsminister zu solchen Entscheidungen kommt, dass Standorte geschlossen werden müssen und dass die Bundeswehr aus gewissen Bereichen abzieht, dann sind Bund und Bundesverteidigungsminister aber auch in der Pflicht, den Kommunen etwas anzubieten und ihnen zu sagen, wie man ihnen hilft, diese strukturellen Probleme zu beseitigen. Das Stichwort hierzu lautet Konversion, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wie soll mit den frei gewordenen Liegenschaften umgegangen werden? Wie sollen die Kommunen unterstützt werden, diese strukturellen Probleme zu beseitigen? – Dazu haben wir in unserem Antrag auch die richtigen Forderungen in Richtung des Bundes formuliert. Wir haben die Landesregierung aufgefordert, dass die Kommunen ein generelles Mitbestimmungsrecht bei der Veräußerung der Liegenschaften durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erhalten soll.
Wir wollen auch, dass die Kommunen bei der Erstellung von Entwicklungskonzepten unterstützt werden, die sich durch die Schließung der frei werdenden Liegenschaften ergeben. Wir wollen, dass die Kommunen dabei unterstützt werden, sich städtebaulich zu verändern, städtebauliche Konzepte auszuschreiben, sich neu aufzustellen und die jeweiligen Standorte auch neu zu entwickeln. Die Interessen der Kommunen müssen angemessen berücksichtigt werden, wenn diese Liegenschaften veräußert werden. – Das sind Forderungen, hinter die wir alle uns stellen können; denn letztendlich haben wir die Aufgabe, die Interessen unserer Kommunen gegenüber dem Bund zu formulieren.
Es ist ganz klar und auch nicht von der Hand zu weisen, dass wir den jetzt betroffenen Kommunen eine möglichst
große Hilfe geben müssen. Daher fordern wir Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen, der das ersetzt, was Sie sehr unterkomplex formuliert haben, der ein Angebot ist, das auch die Landesregierung auffordert, gegenüber dem Bund und dem Bundesverteidigungsminister tätig zu werden. Wir glauben, es ist ein sehr gelungener Antrag. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Bundeswehrreform auch Auswirkungen auf Standorte und Dienstposten in Hessen haben würde, war allen Beteiligten klar. Am 26. Oktober 2011 wurde das zukünftige Stationierungskonzept der Bundeswehr durch Bundesverteidigungsminister de Maizière der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Auswirkungen auf Hessen waren und sind gravierend: 3.200 Dienstposten fallen weg auf nur noch 5.400 in ganz Hessen. Damit sinkt das Verhältnis 1.000 Einwohner zur Anzahl der Dienstposten auf einen Wert von 0,9. Das ist ein im Verhältnis zu anderen Bundesländern schlechter Wert.
Eine bittere Pille und ein schwerer Schlag für die Region ist auch die damit verbundene Entscheidung, den Standort in Rotenburg mit 820 Dienstposten ganz zu schließen. Gerade in Rotenburg und in der Region hat dies niemand erwartet, weil in den vergangenen Jahren – ich betone es noch einmal – 30 Millionen € in die Modernisierung des Standortes investiert wurden. Viele dachten: Wer baut, der bleibt. – Die Realität sieht leider anders aus. Nachvollziehbar und akzeptabel ist das Aus für die Alheimer Kaserne in Rotenburg jedenfalls nicht.
Das neue Stationierungskonzept des Verteidigungsministers ist für Hessen eine große Enttäuschung. Enttäuschend ist aber auch die Kommentierung durch den Hessischen Ministerpräsidenten Bouffier; seine Pressemitteilung vom 26.10.2011 trägt die Überschrift: „Hessen bleibt weiterhin Bundeswehrland“ – banaler und teilnahmsloser geht es kaum noch. Diese lapidare Aussage des Ministerpräsidenten wird insbesondere der Situation und den Herausforderungen in Rotenburg nicht gerecht.
Der Antrag der SPD hatte daher folgende wesentliche Schwerpunkte: erstens, die Kritik an den gravierenden Folgen des Konzeptes, zweitens, die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen, drittens, die klare Aufforderung an Bundes- und Landesregierung, insbesondere die Stadt Rotenburg bei den anstehenden Konversionen nachhaltig und konzeptionell zu unterstützen. Das kann man durch Konversionsberatungen, Machbarkeitsstudien und Konversionsmanagement durchaus positiv begleiten. Die Ausschöpfung aller Fördermöglichkeiten auch auf EU-Ebene ist daher dringend geboten. Viertens. Wesentliche Voraussetzung für eine spätere Vermarktung des Kasernengeländes sind die unter Punkt 7 und Punkt 8 genannten Maßnahmen eines schnellen Baus der Ortsumgehung der B 83 mit dem Bau einer dritten Fuldabrücke.
Wenn der Kollege Frömmrich, den ich sehr schätze, formuliert, unser Antrag sei „unterkomplex“, würde ich dazu
sagen, dass unser Antrag sehr viel konkreter bei der Benennung der Maßnahmen ist, die hier notwendig sind.
Die SPD-Landtagsfraktion hat damit sehr konkrete Vorschläge gemacht, welche Maßnahmen Voraussetzung für eine erfolgreiche Konversion in Rotenburg sind. Unser Antrag ist, wie ich eben schon ausgeführt habe, auch klarer und konkreter als der Antrag der GRÜNEN. Da die Regierungskoalition von CDU und FDP an konstruktiven Lösungsansätzen offenbar kein Interesse hat, ist sowohl der SPD-Antrag als auch der Antrag der GRÜNEN im Hauptausschuss abgelehnt worden.
Eines jedoch ist nach der Diskussion im Hauptausschuss nicht mehr aufrechtzuerhalten, und zwar die Aussage, die Landesregierung sei in der Entscheidung für hessische Standorte im Vorfeld nicht beteiligt gewesen. Im Protokoll des Hauptausschusses vom 18. Januar 2012 steht Folgendes – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten Herrn Staatssekretär Axel Wintermeyer –: „Insofern sind wir sehr zufrieden, dass wir auch die infrage stehenden Standorte Frankenberg und Fritzlar, die auch in Abwägungsprozessen gewesen sind, retten konnten.“ – Im Umkehrschluss heißt das doch, dass sich die Landesregierung für Rotenburg gar nicht oder nur erfolglos eingesetzt hat. Da Staatsminister Wintermeyer im Ausschuss dazu nichts gesagt hat, liegt also der Verdacht nahe, dass man die Schließung des Standortes Rotenburg stillschweigend akzeptiert hat.
Dies scheint auch zu erklären, warum kaum eine Woche vergeht, ohne dass sich Bundes- und Landespolitiker gemeinsam mit CDU-Kommunalpolitikern vor Ort in der Kaserne in Rotenburg die Klinke in die Hand geben. Es ist eine alte Binsenweisheit: Oft sind die Brandstifter die eifrigsten Helfer beim Löschen des Feuers.