Dass wir jetzt – Stand Mai 2012 – einen Versorgungsgrad von 30 % erreicht haben, ist einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern zu verdanken und bedeutet keineswegs einen Stopp oder ein Stocken des Ausbaus der U-3-Betreuung. Vielmehr sind wir schon einen wichtigen und wesentlichen Schritt gegangen. Im Übrigen haben wir an dieser Stelle schon viel früher mit der Förderung angefangen.
Ich will Sie gar nicht weiter mit Zahlen konfrontieren. Aber an einer Stelle möchte ich schon eine Zahl nennen: Wir haben noch einmal 30,6 Millionen € aus Landesmitteln in die Hand genommen, um den Ausbau U-3-Betreuung voranzubringen. Die örtlichen Träger haben die Möglichkeit, ihre Vorhaben zu diesem Landesprogramm anzumelden. Das haben sie gemacht, und sie haben auch die Mitteilung bekommen, dass sie gefördert werden.
Das große Problem ist, dass die Hälfte der Mittel, die wir aus dem Landesprogramm zur Verfügung gestellt haben, von den Kommunen überhaupt noch nicht in Anspruch genommen worden ist. Es liegen keine Anmeldungen vor. Wir müssen uns erst einmal anschauen, wie wir mit einem solchen Umstand umgehen und was die Gründe dafür sind. Aber wer darüber lamentiert, dass die Mittel nicht ausreichen, muss erst einmal sagen, warum die Mittel, die zur Verfügung gestellt worden sind, nicht abgerufen werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Insofern glaube ich, dass wir bei dieser Debatte viele gute Argumente für eine sachliche Auseinandersetzung haben. Es ist aber nicht angezeigt, dass die einen sagen: „Wir sind die Einzigen, die wissen, was richtig ist, nämlich die staatlich organisierte Betreuung“, und dass die anderen erklären: „Nein, das geht nur über die Familie“. Beides hat seinen Stellenwert; beides muss gefördert werden, damit die Wahlfreiheit die Grundlage ist, auf der die Familien ihre Entscheidungen treffen. Auf diesem Weg sind wir. Deswegen: weg von der Ideologie, hin zu Pragmatismus und zu einer Politik, die den Familien hilft.
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Es war hier, insbesondere in den Ausführungen des Herrn Ministers, wieder viel von Wahlfreiheit die Rede. Die Wahlfreiheit ist sehr mein Ding. Wahlfreiheit kann es aber nur geben, wenn man tatsächlich eine Wahl hat. Wenn man aber keinen Krippenplatz bekommen kann, hat man de facto keine Wahlfreiheit.
Ich habe auch überhaupt kein Problem damit – ich verbitte mir die Unterstellung –, wenn sich in irgendeiner Familie der Vater oder die Mutter entscheiden, zu Hause zu bleiben und ihr Kind selbst zu betreuen. Ich persönlich halte das nicht für die richtige Lösung; aber das ist meine persönliche Meinung. Wenn andere Eltern das anders handhaben, ist das deren persönliche Entscheidung, und die geht mich nichts an.
Aber mich geht es sehr wohl etwas an, wofür die Mittel der öffentlichen Hand ausgegeben werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Eltern, die erwerbstätig sein, also für ihren eigenen und den Unterhalt ihrer Kinder arbeiten und auch weiterhin in dieser Form an der Gesellschaft teilhaben wollen, von uns die Möglichkeit dazu bekommen, indem wir ihnen Kita-Plätze zur Verfügung stellen.
Wenn Sie wirklich meinen, Sie müssten für Wahlfreiheit sorgen, kann ich nur sagen: In einer Familie, in der beide Elternteile gleichermaßen zum Unterhalt beitragen, schaffen Sie mit 150 € pro Monat keine Wahlfreiheit; denn für diesen Betrag kann niemand zu Hause bleiben. Mit der Wahlfreiheit zu argumentieren ist da scheinheilig.
Das ist aber nicht das Konzept, über das zurzeit bundesweit diskutiert wird. Es wird über Entweder-oder-Konzepte diskutiert: Entweder bleibt man zu Hause und bekommt das Geld, oder man gibt sein Kind in eine Betreuungseinrichtung und bekommt kein Geld. So wird darüber diskutiert, nicht anders.
Dann muss ich noch sagen: Für gewöhnlich beziehe ich mich lieber auf das, was im Plenarsaal diskutiert wird. Herr Rock, an der Stelle muss ich aber Sie persönlich ansprechen und Ihnen sagen, eine solch unterirdische Presseklärung wie die, die Sie herausgegeben haben, ist mir noch nicht untergekommen. Sie reden davon, dass meine Texte schlecht seien. Dieser Text ist eine Unverschämtheit, die man überhaupt nicht nachvollziehen kann.
Wenn ich einen wohnortnahen Krippenplatz fordere, mache ich das nämlich, weil ich denke, es ist sinnvoll, dass sich der Krippenplatz in der Nähe befindet. Wenn eine Mutter oder ein Vater krank sind, ist es dann nämlich auch einmal möglich, einer Nachbarin zu sagen: Bring doch bitte das Kind in die Krippe; denn ich kann mich besser erholen, wenn das Kind betreut ist, und es braucht nicht auch noch krank zu werden.
Das Kind lernt außerdem die Spielgefährten aus seiner Umgebung kennen, mit denen es später in die Schule kommt. Der Besuch der Krippe, der Besuch der Kindertagesstätte und der Besuch der Schule sollten einen linearen Verlauf bilden. Es hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass ich irgendetwas dagegen hätte, dass Eltern ihre Kinder auch da unterbringen, wo sie zur Arbeit gehen. Ich möchte Ihnen gern mitteilen, was Herr Rock von sich gegeben hat:
Wenn es nach dem Willen der LINKEN ginge, dürften Eltern zukünftig ihre Kinder nicht mehr in eine Tagesbetreuung nahe dem Arbeitsplatz der Mutter oder des Vaters geben.
Ich weiß nicht, wo Sie das gelesen haben. Es gibt etwas, was Kinder, die in dem Alter sind, in dem man in die Schule kommt, demnächst im Kindergarten lernen. Es gibt ein kompliziertes Fremdwort dafür, das will ich hier nicht verwenden. Ich habe „wohnortnah“ geschrieben, und ich meine auch wohnortnah. Eine wohnortnahe Betreuung ergibt nach wie vor einen Sinn. Das schließt nicht aus, dass es Einzelfälle gibt, in denen das anders ist. Ich weiß auch, dass wir eine lange Diskussion darüber hatten, wie wir genau diese Fälle, bei denen eine grenzübergreifende Betreuung vorliegt, finanzieren können. Es ist gut, dass es dafür Lösungen gibt.
Aber das so zu interpretieren, als ob ich es verbieten möchte, ist schon sehr stark zurechtgebogen. Ich weiß gar nicht, wie viel Fantasie Sie dafür aufbringen mussten. Ich glaube einfach, es tut Ihnen entsetzlich weh, wenn Sie zu manchen Punkten dieselbe inhaltliche Position vertreten wie ich. Mir macht das nicht so viel aus. Ich kann, was das Sorgerecht für Väter betrifft, Ihre Position teilen, und ich kann Ihre Position teilen, dass die Idee mit dem Betreuungsgeld einfach schlecht ist.
Halten Sie es doch einmal aus, dass es gelegentlich auch Dinge gibt, worüber wir tatsächlich ähnlich denken. Vielleicht wären dann solche Ausrutscher nicht mehr nötig. Ich finde, dafür sollten Sie sich entschuldigen.
Es hat mich jetzt doch noch einmal gereizt, an dieser Debatte teilzunehmen. Herr Grüttner, wir haben uns mit Zwischenrufen etwas zurückgehalten, wollten an dieser Stelle aber doch noch einmal etwas zu dem sagen, was Sie hier vorgetragen haben.
Sie haben davon gesprochen, dass Sie mit diesem Betreuungsgeld für Familien eine echte Wahlfreiheit schaffen wollen. Ich kann dazu nur sagen, dass ich in einem ländlichen Gebiet, in der Wetterau wohne.
Bei uns sieht es so aus, was die Krippenplätze angeht, dass wir in unserem Dorf ganze 15 Krippenplätze haben. Diese Krippenplätze haben eine lange Warteliste; die sind vollkommen ausgebucht. Die Eltern haben die Wahlfreiheit, die sie heute haben müssten, eben überhaupt nicht; und mit dem Betreuungsgeld haben sie sie noch immer nicht, weil sie dann noch immer keine Krippenplätze haben.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist es scheinheilig, bei dem Betreuungsgeld von Wahlfreiheit zu sprechen.
Eines möchte ich noch einmal sagen: Wir sind nicht dafür, dass der Staat den Familien vorschreibt, wie und wo sie ihre Kinder zu erziehen haben. – Das hat auch mein Kollege in keinster Weise gesagt. Das macht der Staat heute auch nicht. Niemand von uns will den Familien etwas vorschreiben. Wir wollen aber eine echte Wahlfreiheit, und die kann nur bestehen, wenn wir in die Krippenplätze und in die Kinderbetreuung mehr Geld investieren und nicht in das rückwärtsgewandte Betreuungsgeld.
Das Betreuungsgeld ist und bleibt für die klassische Einverdiener- oder Versorgerehe konzipiert. Das ist nun mal die Realität. Frau Wiesmann, selbst wenn Sie mit Ihrem Vorschlag versuchen, das Betreuungsgeld zu verschlimmbessern, bleibt es dabei: Es werden die alten Rollenbilder bestätigt. Selbst wenn Frauen dann zuverdienen können, sind sie aber nicht vollzeitberufstätig. Sie bleiben die Zuverdienerinnen. Der Mann ist der Hauptverdiener, und das wirkt sich später auf die Altersversorgung und alles andere aus. Das heißt am Ende: Altersarmut für Frauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist das Betreuungsgeld ein Rückschritt in der Geschlechtergerechtigkeit, und Sie manifestieren damit eine ungerechte Rollenverteilung bei der Familienarbeit. Das ist die Realität. Der Staat greift den Alleinverdienerfamilien doch schon heute finanziell stark unter die Arme, beispielsweise mit dem Ehegattensplitting. Ich finde, es bedarf nicht noch weiterer Anreize, sondern eher der Abschaffung dieser Anreize, die es bisher schon gibt.
Wir haben auch einen Gleichstellungsbericht dieser Bundesregierung, in dem steht, dass die Erwerbstätigenquote von Frauen in Vollzeit seit Jahren stagniert. Das wollen Sie auch noch verstärken, indem Sie eine Prämie schaffen, die die Frauen vor allen Dingen an der Vollzeittätigkeit hindert und vom Arbeitsmarkt fernhält. Damit sinkt die Frauenerwerbsarbeitsquote noch weiter.
Meine Damen und Herren, deswegen kann ich nur Frau Ilse Glos zustimmen, der Ehefrau von Michael Glos, Bundestagsabgeordneter der CSU. Die hat gesagt: Das Betreuungsgeld ist eine „Schnapsidee der Männer innerhalb der CSU“. – Also kommen Sie doch bitte aus Ihren familienpolitischen Gräben der Fünfzigerjahre heraus und beerdigen Sie endlich diese „Schnapsidee der CSUMänner“. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Petra Fuhrmann (SPD): Frauenpower!)
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schott, ich kann mich nur auf Ihren Antrag beziehen. Ich finde nicht, dass ich mich entschuldigen muss, sondern, ich finde, Sie könnten hierher gehen und sich für diesen Antrag entschuldigen.
Alle hessischen Kinder, die einen Betreuungsplatz im U-3-Bereich suchen, müssen diesen in ihrer Wohnumgebung finden.
Sie „müssen diesen... finden“, schreiben Sie. Wie soll ich das anders interpretieren, als dass Sie sagen, die Kinder müssten in ihrer „Wohnumgebung“ betreut werden. Dass es eben anders gemacht werden kann, muss dann wohl von mir ganz klar so gesehen werden.