Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Herr Kollege Greilich.

Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident. – Wir sind überzeugt, dass auf der Grundlage des heute vorgelegten Entwurfs eine zukunftsweisende und konstruktive Weiterentwicklung des hessischen Verfassungsschutzes, auch im Dialog mit den anderen Fraktionen, möglich sein wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Greilich. – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Faeser das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): Gesetz zur Kontrolle der Abgeordneten der Opposition! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Jetzt geht das schon wieder los! Ihr wollt kontrolliert sein!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden heute in der Tat über einen Gesetzentwurf, der in der Bundesrepublik seinesgleichen sucht. Unter dem Titel „Mehr Transparenz und Offenheit beim Verfassungsschutz“ haben CDU und FDP einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vor allem die Kontrolleure des Verfassungsschutzes kontrollieren soll.

(Beifall bei der SPD)

Hier wird die parlamentarische Kontrolle wirklich ad absurdum geführt. Ich stelle die Frage: Wer soll hier wen kontrollieren?

(Beifall bei der SPD)

Aber ich habe einen Vorschlag: Vielleicht sollten Sie Ihren Gesetzentwurf – früher waren Sie bei den Namen erfindungsreicher – in „Abgeordnetenwatch“ umtaufen; dann passt es vielleicht ganz gut.

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Greilich, der Ausgangspunkt der Überlegungen war in der Tat die Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Landesamts für Verfassungsschutz. Ja, ich stehe noch zu meinen Äußerungen. Ich persönlich habe auch nie Anlass gehabt, mich über Mitarbeiter des Verfassungs

schutzes zu beschweren. Aber, Herr Greilich, ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Wir haben die Festschrift verfasst, bevor die Vorfälle im Zusammenhang mit dem NSU bekannt geworden sind. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich in der Tat anders geäußert.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD hat nach der Feier zum 60-jährigen Bestehen des Landesamts für Verfassungsschutz und nach den Erkenntnissen im Zusammenhang mit den furchtbaren NSU-Vorfällen bereits im Dezember letzten Jahres einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der sehr umfangreiche Rechte zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle vorsah.

Außerdem mussten wir feststellen, dass Hessen im Vergleich zum Bund – das haben Sie selbst gesagt – und auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern die geringsten Kontrollbefugnisse hat. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der umfangreiche Akten- und Dateneinsichtsrechte, Zutrittsrechte, vor allem auch Rechte zur Befragung der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und die Einbeziehung eigener Mitarbeiter in die Kontrolltätigkeit erhält. Er hat aber auch die Möglichkeit geschaffen, dass sich Mitarbeiter an uns wenden. Wir haben auch, genauso wie Sie es jetzt vorgeschlagen haben, einen Sachverständigen einbezogen und die Möglichkeit der Heranziehung des Datenschutzbeauftragten vorgesehen.

Herr Greilich, ich denke, auch eine Protokollierung der Sitzungen wäre sinnvoll. Die Protokolle kann man sehr wohl geheim aufbewahren; dabei gibt es kein Problem.

Für uns ist aber entscheidend – das sind die Erkenntnisse aus den furchtbaren NSU-Vorfällen –, dass diese Mordfälle in der Bundesrepublik zehn Jahre lang nicht aufgeklärt werden konnten. Daher haben wir ein Interesse an mehr Transparenz und Öffentlichkeit. Das ist das absolut Entscheidende in dieser Debatte; darum geht es.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen halten wir unsere Regelung für sehr sinnvoll und zielführend, die vorsieht, dass die PKV bei wichtigen Anlässen auch mit zwei Dritteln der Mitglieder beschließen kann, dass über den Inhalt dessen, was dort besprochen wurde, öffentlich geredet werden darf. Nur so, Herr Kollege Greilich, kann nämlich das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden des Landes wiederhergestellt werden.

(Beifall bei der SPD)

Aber das, was Sie uns vorgelegt haben, ist interessant. Es enthält wirklich wenig zur Stärkung der parlamentarischen Kontrollrechte. Der Gesetzentwurf bleibt weit hinter unserem und hinter dem des Kontrollgremiums des Bundes zurück.

Er bleibt aber auch hinter dem Eckpunktepapier zurück – Herr Greilich, dazu haben Sie nichts gesagt –, das Sie im letzten Dezember in diesem Haus vorgestellt haben. Wo ist denn die Stärkung der Rechte der Parlamentarier geblieben? Was ist im Laufe der Verhandlung mit der CDU passiert? Da hat sich die FDP offensichtlich nicht durchsetzen können. Das ist an dieser Stelle bedauerlich – ich glaube, ich sage das nicht oft von diesem Pult aus –; denn dort waren sehr viel stärkere Kontrollrechte enthalten als in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf.

Der Gipfel sind aber – das sage ich in aller Offenheit – die vorgesehenen Regelungen zu den handschriftlichen Noti

zen und zum Handygebrauch. Dieser Gesetzentwurf drückt – Herr Greilich, das kann ich Ihnen nicht ersparen – Misstrauen gegenüber den Parlamentariern aus.

(Beifall bei der SPD)

Schwarz-Gelb regelt in dem Entwurf, dass handschriftliche Notizen künftig am Ende einer Sitzung eingesammelt und vernichtet werden sollen. Jetzt haben Sie geregelt, dass dies die Vorsitzende der PKV machen soll. Das bin im Moment ich. Was soll ich Ihrer Meinung nach machen, wenn ich die handschriftlichen Notizen meiner Kollegen eingesammelt habe und dann vernichten soll? – Kriege ich demnächst vom Hessischen Landtag ein Schreddergerät danebengestellt, damit ich sie sofort schreddern kann, oder wie haben Sie sich das vorgestellt? – Das ist ein wirklich absurder Eingriff in die Rechte eines Abgeordneten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heike Hofmann (SPD): Das ist abenteuerlich! – Alexander Bauer (CDU): Was haben Sie denn?)

Herr Kollege Bauer, das kann ich Ihnen sagen. Es ist gut, dass Sie fragen, denn bislang war es so, dass die Abgeordneten in der PKV handschriftliche Notizen machen durften und dies auch getan haben. Herr Kollege Bauer, sie werden mit den Berichten, die wir auch haben, ordentlich verschlossen; und bislang – da bin ich bei Herrn Greilich, das hat er vorhin gesagt – gab es keinen Zweifel daran, dass wir Abgeordnete dort miteinander vertrauensvoll umgegangen sind. Deswegen ist Ihre neue Regelung eindeutig eine Misstrauensregelung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso das künftige Handyverbot. Wir saßen in dieser Runde immer zusammen; bei allen Abgeordneten lagen wie immer die Handys auf dem Tisch. Sie kennen das aus anderen Ausschüssen. Auch daran gibt es bislang keinen Zweifel, dass dort irgendeiner ein Handy für Mitschnitte missbraucht hätte. Insofern ist es an dieser Stelle genau das Gleiche. Auch hier frage ich nach der Handhabung. Die Vorsitzende soll künftig zu Beginn der Sitzung sicherstellen, dass die Handys der Kollegen nicht im Einsatz sein können. Was soll ich denn machen? Werden wir demnächst vor dem Raum einen Nacktscanner aufstellen, oder wie haben Sie sich das vorgestellt?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh! – Wolfgang Greilich (FDP): Wofür gebrauchen Sie das Handy in der Sitzung?)

Meine Damen und Herren, offenbar haben CDU und FDP bisher – jetzt komme ich zu einem sehr ernsten Punkt – aus den bei der Aufklärung der NSU-Morde bekannt gewordenen Fehlern in Hessen nichts gelernt. Die Aufklärungsarbeit zu dem furchtbaren Mord in Kassel hat ergeben, dass die Parlamentarische Kontrollkommission vom damaligen Innenminister Bouffier damals eben nicht umfassend informiert wurde.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sitzen noch Abgeordnete hier – ich schaue Herrn AlWazir und Herrn Rudolph an –, die in dieser Kommission waren.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Hallo, ich auch!)

Auch der Justizminister hinter mir war dabei, und er wird das bestätigen können. – Es wurde nämlich sehr oberflächlich unterrichtet, und zu keinem Zeitpunkt wurde in der PKV berichtet, dass bei dem damals in Verdacht stehenden Verfassungsschützer rechtsextreme Schriften gefunden wurden.

Auch die fehlende Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der Polizei wurde dort nicht thematisiert. Es wurde auch verschwiegen, dass beim Landespolizeipräsidium, im Hause selbst, vermerkt wurde, dass es ein Problem in der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gibt. Es gibt einen Vermerk aus dem Landespolizeipräsidium, der besagt: Achtung, Herr Minister, wir haben hier ein Problem bei der Aufarbeitung; der Verfassungsschutz will nicht mit uns arbeiten. – Das sind massive Fehler, die hier in Hessen aufgekommen sind.

Meine Damen und Herren, so zu tun, als ob in Hessen nichts schiefgelaufen wäre, ist unverschämt und wird dem Thema und der Sache in keinster Weise gerecht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben inzwischen große Überschriften; diese Woche wird noch ganz interessant. Ich habe hier die „FAZ“ vom 25. September, in der gefragt wird: „Hat Bouffier Mordermittlungen behindert?“ Wir reden hier über sehr ernsthafte Themen. Es ist der Ministerpräsident dieses Landes, dessen Name in dieser Zeitung steht. Der damalige Innenminister und jetzige Ministerpräsident hat in der PKV nämlich nichts dazu gesagt, warum er damals die Aussagegenehmigung für die V-Leute nicht erteilt hat. Er hat auch nichts davon erzählt, dass es der damalige Amtskollege war, Innenminister Beckstein aus Bayern, der ihm dringend geraten hat, diese Aussagegenehmigung zu erteilen.

Meine Damen und Herren, deshalb haben wir hier ein enorm hohes Aufklärungsinteresse. Es ist offensichtlich vieles schiefgelaufen, weil die Mitglieder der PKV eben nicht umfassend informiert wurden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen sagen: Herr Beckstein versteht es bis heute nicht. Herr Beckstein hat vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages ausgesagt, dass er bis heute nicht verstehe, warum bei der Abwägung zwischen der Aufklärung von zehn Mordfällen in der Bundesrepublik und dem Geheimhaltungsinteresse von V-Leuten sein damaliger Amtskollege den Geheimhaltungsinteressen von V-Leuten das Prä eingeräumt und diese Aussagegenehmigung zugunsten der Mordaufklärung nicht erteilt habe.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auch darum geht es in Hessen. Deswegen wird der vorliegende Gesetzentwurf dem in keinster Weise, aber überhaupt nicht, gerecht, sondern sät in eine völlig andere Richtung Misstrauen, wobei Sie, Herr Greilich, sich hier noch hinstellen und sagen: Eigentlich haben wir doch ganz gut zusammengearbeitet.

Herr Innenminister, ich gehe davon aus, dass Sie zu Ihrem Wort stehen. Sie haben vorhin in der Pressekonferenz zum Verfassungsschutzbericht gesagt, dass die Aufklärung der NSU-Tat in diesem Lande absolute Priorität hat. Davon

gehen wir nach wie vor aus. Ich sage Ihnen aber: Dazu gehört auch eine umfassende Unterrichtung der Parlamentarier. – Darüber, wie wir diese Rechte stärken können, reden wir heute. Es hilft nichts, wenn alles immer nur dann gesagt wird, wenn es gerade mal zufällig öffentlich und irgendwo anders erfahren wird.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss.

Nicht gleich, sondern sofort.