Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Beifall bei der LINKEN)

Sie öffnen hier aber Tür und Tor für weniger qualifiziertes Personal. Sagen Sie hier bitte deutlich, dass Sie nicht wollen, dass Kinderpflegerinnen und Sozialassistentinnen anschließend Fachkräfte in der Kita sind mit der Ausbildung, die sie bis dahin genossen haben. Bei dem romantisierenden Beispiel des Försters gilt das im Übrigen auch: Erstens ist er kein Pädagoge, und zweitens verdient er im Schnitt auch bald 3.000 € und wird kaum in die Kita kommen.

Allerdings hat neulich die Mitarbeiterin eines Jugendamtes gesagt, sie hätte in ihrer Abteilung überlegt, wer in ihrer Kommune wohl die Voraussetzungen erfüllen würde, und kam auf den Bademeister.

(Minister Boris Rhein: Schwimmmeister!)

Ob der Bademeister – oder Schwimmmeister – wirklich die geeignete Person ist, weiß ich auch nicht so genau.

Eine frisch ausgebildete Erzieherin verdient ca. 1.300 € netto, in der Mitte ihrer Erwerbsbiografie wahrscheinlich 1.500 €, und eine Leiterin bekommt ungefähr 2.000 €. Das ist ein Gehalt, das es nicht so spannend macht, in diesem Bereich zu arbeiten. Da werden Sie kaum Menschen finden, die höher qualifiziert sind und für dieses Gehalt arbeiten.

In Ihren Ausführungen steht, dass sich die Menschen, die nicht mit einer Erzieherinnenausbildung kommen, zeitnah fachlich weiterbilden sollen mit einer Fortbildung von 100 Stunden. Das sind ungefähr drei Wochen. Ich finde, das kann nicht ausreichen. Das wird nicht ausreichen, und das diskreditiert und disqualifiziert die Arbeit der Erzieherinnen, die jetzt schon dort sind und die eine gute und qualifizierte Ausbildung haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt in Ihrem Gesetzentwurf ist das unsägliche Platzsharing. Es ist doch nicht so, dass zwei Halbtagskinder nacheinander kommen und sich die Klinke in die Hand geben. Sie kommen doch gleichzeitig und müssen auch gleichzeitig betreut werden.

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, wenn wir bei den Gruppengrößen davon reden, dass 16 Kinder in der Zweijährigengruppe seien, dann wären wir alltagsfern; denn diese Konstellation gebe es kaum. Es mag sein, dass es die Konstellation der reinen Zweijährigengruppe selten gibt. Aber Fakt ist: Es gab nach der alten Regelung eine Gruppengröße von zehn, und die haben Sie aufgeweicht. Sie wird höher werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben jetzt eine Größe von zehn für die ganz Kleinen und 16 für die Größeren. Damit heißt das, die Krabbelgruppe wird größer als zehn. Das ist eine Verschlechterung.

Im Übrigen gibt es noch die Kinder mit Behinderungen, auf die Sie in einer Art und Weise eingehen, die nicht einmal dem entspricht, was Sie in Ihren eigenen Ausführungen im Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen schreiben. Sehr anschaulich ist die Stellungnahme der Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, die schreibt, dass das überhaupt nicht tragbar ist. Sie fordert, dass ein

Kind mit Behinderung einen Zählfaktor 5 bekommt. Wenn mehr als ein Kind mit Behinderung in der Gruppe ist, sollen sie den Faktor 3 bekommen. Das ist eine Forderung einer Fachstelle, die Sie auf alle Fälle berücksichtigen müssen.

Sie sprechen von der Umstellung auf Subjektfinanzierung und davon, dass das kinderzentriert sei. Das ist ein wirklich schönes Wort. Aber schauen Sie sich an, was die Liga aus Thüringen schreibt. Die haben diese Situation schon und sagen:

Ein kindbezogener Schlüssel hat in Thüringen zu einer Absenkung des Personalschlüssels geführt.

Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. – Sie schreiben weiter:

Bei der Umsetzung in Thüringen hat die Subjektfinanzierung zu einem größeren Arbeitsaufwand in der Personalplanung geführt. Die Träger sind gezwungen, mit Options- bzw. Sockelarbeitsverträgen mit den Fachkräften auf unterschiedliche Personalschlüssel im Kindergartenjahr zu reagieren. Das führt teilweise zu monatlichen Anpassungen der Arbeitsverträge

„monatliche Anpassungen der Arbeitsverträge“ steht hier –

und teilweise fehlender sozialer Absicherung, da im Gesetz keine Stichtagsregelung festgelegt ist.

Die Liga Thüringen fordert mindestens zwei Stichtage. Nehmen Sie das zur Kenntnis. Sie sagen immer, es wird nicht zur Absenkung führen. Aber dort ist es passiert. Da wird genau das beschrieben.

Sie schreiben weiterhin:

Kritisch sehen wir außerdem die Feststellung von Gruppengrößen bis zu 25 Kindern. An dieser Stelle sehen wir eine Vermischung von subjekt- und objektbezogener Berechnung. Darüber hinaus sind die im Gesetz angegebenen Gruppengrößen jenseits jeglicher fachlicher Qualität und lassen eine individuelle Förderung von Kindern nicht zu.

Sie können wirklich jede der eingegangenen Stellungnahmen lesen, und Sie werden einen Verriss finden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Aber es gibt auch die Positionierung des Städte- und Gemeindebundes. Der sagt sehr offen, gleich auf der ersten Seite:

Ferner soll vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem ersten Lebensjahr auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte ab August 2013 sowie aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels den Trägern der Tageseinrichtungen mehr Flexibilität ermöglicht werden.

Sie sagen explizit, worum es geht. Es geht doch nicht darum, dass es fachlich besser wird, sondern es geht darum, dass man auf den bestehenden Fachkräftemangel reagiert. Das ist eine Art und Weise, zu reagieren, die genau falsch ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn wir müssen überlegen, warum wir diesen Fachkräftemangel haben. Wir haben ihn, weil wir in dieser Situati

on sind, dass Fachkräfte nicht besonders gut bezahlt werden, dass die Arbeitsbedingungen hart sind und dass wir 60 % Teilzeitbeschäftigung haben.

Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende kommen.

Ich muss zum Ende kommen. – Wir könnten noch eine Menge mehr darüber sagen. Ich möchte aber noch einmal deutlich machen, dass es im Wesentlichen daran liegt, dass wir eine finanzielle Situation haben, die den Kommunen und dem Land Hände und Füße bindet, die aber eingebrockt worden ist, die hausgemacht ist durch die Steuergesetzgebung und die dazu führt, dass wir alleine in Hessen in den letzten zehn Jahren so viel Geld verloren haben, wie man es sich eigentlich nicht vorstellen kann. Wir haben 11 Milliarden € nicht zur Verfügung, die wir hätten haben können. Das ist die Krux, die den Hintergrund bildet. Es sind die Finanznot und der Fachkräftemangel. Das ist alles hausgemacht, und das tragen jetzt die Kinder, die Eltern und die Erzieherinnen aus. Dass sich das Land dagegen wehrt, verstehe ich. – Ziehen Sie diesen unsäglichen Gesetzentwurf zurück, und machen Sie etwas Vernünftiges.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Wiesmann gemeldet. Bitte schön, Frau Wiesmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Schott, die Landesregierung tut so viel Vernünftiges, dass es jetzt den Rahmen sprengen würde, das alles aufzuzählen. Ich will versuchen, ein paar vernünftige Bemerkungen in der Sache zu machen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich finde es schön, Frau Schott von den LINKEN, dass Sie in Ihrem Antrag aus dem Bildungs- und Erziehungsplan zitieren, einer der grundlegenden Errungenschaften der über Jahre CDU-geführten Bildungspolitik in Hessen. Denn frühkindliche Bildung – das kann man nicht oft genug sagen – ist uns ein echtes Herzensanliegen. Das kann man an vielen Maßnahmen der letzten 14 Jahren ablesen, vom BEP angefangen bis zur Qualifizierten Schulvorbereitung und vielem anderen.

Damit richten wir die Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung in Hessen seit Jahren auf unseren Anspruch an frühkindliche Bildung aus und stellen dafür erhebliche Ressourcen zur Verfügung. Einmal so viel vorab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Mindestverordnung von 2008, deren Standard wir mit dem von Ihnen schon jetzt hartnäckig bekämpften Kinderförderungsgesetz hessenweit festschreiben. Das klang heute Morgen schon an.

Sehr geehrte Frau Schott, in Ihrem Antrag nehmen Sie Bezug auf die Empfehlungen von Prof. Fthenakis auf Basis des Kinderbetreuungsnetzwerks der EU, um dann zu behaupten, wir würden diese nicht nur nicht erreichen, sondern auch bisherige Fortschritte zur Disposition stellen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ja!)

Tatsächlich kommen wir in Teilen durchaus an die Fthenakis-Standards heran. Das zeigten doch die Fortschritte, die wir machen. Es gibt aber auch andere Forderungen in der Fachwelt, z. B. von der Bertelsmann Stiftung oder auch von Frau Becker-Stoll, der Nachfolgerin von Herrn Fthenakis in der Leitung des bayerischen Instituts für Frühpädagogik.

Die Bertelsmann Stiftung fordert für die U-3-Betreuung eine maximale Gruppengröße von 15 Kindern bei zwei Fachkräften pro Gruppe. Frau Becker-Stoll sieht einen Betreuungsschlüssel von 1 : 3 bis 1 : 6 bei den unter Dreijährigen als wichtig für qualitativ hochwertige Betreuung an. Unser Kinderförderungsgesetz bewegt sich eindeutig in der Größenordnung – ich sage das sehr bewusst – dieser Zielvorgaben.

Wichtig ist – ich sagte es –: Es wird jetzt verbindlich für alle. Keiner kommt mehr an diesem Mindeststandard vorbei. Wichtig ist aber auch: Es ist ein Mindeststandard; denn es wird kein Träger im weiten Hessenland daran gehindert, seinen Standard höher zu setzen. Im Gegenteil, wir wünschen uns das, wir begrüßen das. Genau wie bisher wird es in weiten Teilen auch künftig der Fall und möglich sein, weil die Landesförderung zunimmt und es den Trägern deshalb leichter macht, an freiwillig vereinbarten Standards festzuhalten.

Die wichtigste Stellgröße für die Betreuungsintensität ist ohne Zweifel der Fachkraftschlüssel. Das Kinderförderungsgesetz übernimmt hier den Standard der MVO, verlangt beispielsweise 0,2 Fachkräfte pro U-3-Kind, dazu die 15 % Ausfallzeiten. Für zehn Kinder im U-3-Bereich müssen künftig 2,3 statt bisher 2,0 Fachkräfte vorgehalten werden. Sind es zwölf Kinder in der Gruppe, steigt die Anforderung auf 2,76 Fachkräfte.

Die in Hessen und sogar nach eigenem Bekunden des Frankfurter Bildungsdezernats im gesegneten Frankfurt noch häufig vorkommende U-3-Gruppe mit zwölf Kindern muss nach unserem Gesetz künftig nicht nur von zwei, sondern von 2,76 Fachkräften betreut werden. Meine Damen und Herren, wo ist hier die Verschlechterung? Es gibt sie nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wie sieht es bei den Kindergartenkindern aus? – Die Sache mit den 16ern hatten wir vorhin schon. Die gibt es auch noch. Aber wie sieht es bei den Ü-Dreiern, bei den Kindergartenkindern, aus? Es lohnt das Rechnen.

Nehmen wir eine kommunal getragene Einrichtung mit 15 – extra nicht 25, sondern mit 15 – Ganztagskindern in einer Gruppe, und betrachten uns einmal diese Gruppe: 15 Kinder mal bisherige Pauschale 80 € macht 1.200 €, plus 3.375 € Ganztagspauschale macht 4.575 €. Das KiföG gibt pro Ganztagskind 580 €, also 15 mal 580 €, macht 8.700 € für diese Gruppe. 4.575 € bisher – 8.700 € künftig.