Protokoll der Sitzung vom 05.09.2013

Der Grundfehler lag darin, dass Sie am Frankfurter Flughafen eine weitere Landebahn gebaut haben, obwohl diese Bahn nicht raumverträglich ist, wie man in den letzten drei Jahren sowohl beim Nachtflugverbot als auch bei den jetzigen Entscheidungen immer wieder gesehen hat. Sie sind immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen,

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Mediation!)

und dann stellt sich Herr Hahn hier auch noch hin und sagt: „Wir können Flughafen“. – Herr Hahn, Sie können gar nichts in Sachen Flughafen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – La- chen des Ministers Jörg-Uwe Hahn – Widerspruch bei der CDU)

Natürlich ist diese konkrete Flugroute nicht im Planfeststellungsbeschluss festgelegt worden.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Aber eine Südumfliegung ist Teil des Planfeststellungsbeschlusses, weil es nämlich nur zwei Möglichkeiten gibt, wenn man sozusagen den unabhängigen Betrieb nicht hinbekommt. Man könnte, wenn man auf eine Südumfliegung verzichtet, geradeaus fliegen – mit unzumutbaren Lärmbelastungen für Raunheim, Rüsselsheim und alles, was dahinter kommt. Das geht nicht; das ist ganz sicher, weil im Planfeststellungsbeschluss die Südumfliegung Teil der Lärmberechnungen war.

Oder man nimmt die alten Routen wieder, und wenn man die alten Routen nimmt, dann hat man das Problem, dass man auf der Nordwestbahn faktisch kaum noch landen kann, weil man dann im Falle eines Durchstartens die Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann. Deutlicher kann man nicht zeigen, dass man schlicht einen dramatischen Fehler gemacht hat und jetzt von Problem zu Problem stolpert, weil die Grundentscheidung schlicht falsch war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern dort zugemutet haben und was Sie ihnen weiterhin zumuten? – Ich weiß, dass seit vorgestern Abend beispielsweise in Flörsheim nicht nur dramatische Angst vor den Belastungen durch Landungen bei Ostwind herrscht, sondern dass jetzt auch wieder die Angst da ist, dass man in umgekehrter Betriebsrichtung, nämlich bei Westwind, die Starts über dem Kopf hat. Das heißt, Sie sind in einer Situation, wo Sie wirklich nicht mehr weiterwissen.

Herr Rentsch, Sie stellen sich dann aber einfach hierhin und sagen: „Wir haben damit eigentlich gar nichts zu tun“, und reden mehr über Rheinland-Pfalz – über die FDP dort konnten Sie nicht reden; die gibt es dort nicht mehr – als über das, was Sie jetzt eigentlich vorhaben. Was machen Sie denn jetzt? – Sie haben gesagt, Sie hätten mit den Beteiligten geredet. Mit welcher Zielrichtung haben Sie mit den Beteiligten geredet, Herr Rentsch? – Das hätten wir von Ihnen eigentlich gern gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Jörg-Uwe Hahn: Ach!)

Wir brauchen eine Obergrenze von Flugbewegungen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was hat denn das mit der Südumfliegung zu tun?)

Wenn Sie jetzt sehen, dass die 126 Flugbewegungen ohne Südumfliegung gar nicht hinzukriegen sind, dann sollten Sie endlich verstehen, dass das Terminal 3 nicht gebaut werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wir brauchen eine Lärmobergrenze. Wir brauchen ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, und wir brauchen echten Lärmschutz, und zwar nicht nur passiven, sondern auch aktiven. Das bedeutet auch, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie ein verträglicher Flughafenbetrieb in einer so dicht besiedelten Region eigentlich aussehen kann. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört. Ich kann nur sagen: Sie können keinen Flughafen. Das Einzige, was Sie können, ist, 3 Milliarden € auszugeben, 100.000 Leute

zusätzlich zu verlärmen; und dann kriegen Sie es technisch nicht einmal hin. Auch das ist ein Grund für den Wechsel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Schönen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Wissler. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle fest: Das Urteil des VGH ist eine schallende Ohrfeige für alle Flughafenausbaubefürworter, und es ist eine Ohrfeige für alle Parteien, die damals im Landtag dem Flughafenausbau zugestimmt haben.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Dieses Urteil offenbart in drastischer Art und Weise, dass der gesamte Flughafenausbau, dass die ganze Nordwestlandebahn eine völlige Fehlplanung ist und dass alle Befürchtungen, die im Vorfeld genannt wurden, eingetreten sind. Diese Bahn ist so überhaupt nicht mehr zu halten. Deswegen hat nach diesem Urteil die Forderung nach der Stilllegung dieser Landebahn noch einmal mehr Berechtigung bekommen.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Das Grundproblem bleibt doch bestehen. Das Grundproblem ist: Es wird inmitten eines Ballungsgebiets ein Flughafen ausgebaut. Wie sollen denn in einem dicht besiedelten Gebiet immer mehr Flugbewegungen abgewickelt werden? Wie soll denn das funktionieren, ohne die Sicherheit zu gefährden, ohne Ortschaften absiedeln zu müssen? – Das kann doch überhaupt nicht funktionieren.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Mediation!)

Man kann in einem Ballungsgebiet keinen Flughafen immer weiter wachsen lassen. Die Grenzen des Wachstums waren schon vor der Nordwestlandebahn überschritten. Deswegen ist dieser Ausbau ein riesiger Fehler gewesen; und die Leidtragenden sind die Menschen in der Einflugschneise, die tagtäglich, ab morgens 5 Uhr, den Krach haben, die sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen, die ihre Terrassen nicht mehr nutzen können. Sie, Herr Minister, stellen sich hin, wischen über diese Sorgen und Probleme einfach hinweg und erklären sich für nicht zuständig.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie tragen nicht die Verantwortung für die exakte Festlegung der Flugrouten, aber Sie tragen die politische Verantwortung für den Ausbau dieses Flughafens. Wie soll denn eine sichere Alternative zur Südumfliegung aussehen? Wie soll das denn funktionieren, dass man trotzdem auf 126 Flugbewegungen pro Stunde kommt? Was passiert, wenn man feststellt, dass es eben keine Flugroute gibt, die das ermöglicht? Dann steht doch notwendigerweise der Planfeststellungsbeschluss auf dem Prüfstand, wenn 126 Flugbewegungen pro Stunde nicht zu erreichen sind. Spätestens

dann muss man doch diesen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich infrage stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Planfeststellungsbeschluss beruht auf völlig falschen Prognosen und auf völlig falschen Tatsachen. Wir haben es mit einer sinkenden Zahl von Flugbewegungen zu tun. Die Arbeitsplätze, die Sie vor dem Ausbau des Flughafens versprochen haben, haben sich als vollkommen haltlose, leere Versprechungen entpuppt.

Dieser Flughafenausbau ist nicht raumverträglich. Völlig egal, wie man diese Flugrouten festlegt – es gibt keine Möglichkeit, sie so festzulegen, dass sie sicher sind und man keine Ortschaften absiedeln muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lösung ist doch nicht, den Lärm irgendwie anders zu verteilen. Der Lärm muss insgesamt reduziert werden, weil dieser Flughafen in diesem Ballungsgebiet einfach nicht weiter wachsen kann.

Wenn die Flugrouten neu festgelegt würden, würden die Menschen mehr Lärm ausgesetzt sein, entweder die einen oder die anderen. Wir brauchen eine allgemeine Reduzierung des Fluglärms. Deswegen treten wir für die Deckelung und die Reduzierung der Flugbewegungen ein.

Vorgestern gab es nicht nur das Urteil des VGH, vorgestern gab es einen weiteren Wirbelschleppenvorfall in Flörsheim. Erneut sind aufgrund der Wirbelschleppen eines landenden Flugzeugs Dachziegel von einem Dach gefallen und an der gegenüberliegenden Hauswand zerschellt. Wir erinnern uns an den Planfeststellungsbeschluss und daran, was damals zu dem Risiko von Wirbelschleppen gesagt wurde. Dieses Risiko wurde vollkommen ausgeblendet. Es war die Rede von einem Wirbelschleppenvorfall in zehn Millionen Jahren. Nach dieser Berechnung wäre Flörsheim gerade sehr alt geworden.

Wir sind der Meinung, aufgrund der Lärmbelastung, aufgrund der Sicherheitsrisiken, aufgrund des Wirbelschleppenrisikos ist es notwendig, diese Landebahn stillzulegen. Terminal 3 darf nicht gebaut werden. Ein weiteres Wachsen dieses Flughafens ist Wahnsinn. Das kann niemand mehr politisch verantworten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe, dass dieses Urteil bei SPD und GRÜNEN auch noch einmal etwas in die Richtung verändert, dass es auch für sie möglich ist, die Nordwestlandebahn stillzulegen. Es wird keine Lösung geben, wie man auf die 126 Flugbewegungen pro Stunde kommt. Dann ist der Planfeststellungsbeschluss in dieser Form auch nicht mehr haltbar.

(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller (Heiden- rod) (FDP): Woher wissen Sie das alles?)

Am Samstag werden hoffentlich Tausende Menschen in Wiesbaden gegen Fluglärm demonstrieren. Ich hoffe, dass sich die Menschen in dieser Flugroutendiskussion nicht gegeneinander ausspielen lassen, ganz egal, wo sie wohnen, ob sie von diesem Urteil entlastet oder belastet werden, dass sie weiter zusammenstehen und weiter gemeinsam für eine Reduzierung des Fluglärms, für ein achtstündiges konsequentes Nachtflugverbot und für die Stilllegung dieser Landebahn kämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Arnold für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der VGH hat am letzten Dienstag in seinem Urteil die Festlegung der Südumfliegung für rechtswidrig erklärt. Herr Al-Wazir, allein aus diesem Vorgang abzuleiten, dass der Flughafenausbau gescheitert sein könnte, halte ich schon für außerordentlich verwegen. Ich weise das ganz entschieden zurück.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Bisher haben wir nur eine eineinhalb Seiten lange Presseerklärung des VGH vorliegen. Deshalb hier und heute im Landtag eine Diskussion über die Gründe und Auswirkungen dieses Urteils zu beginnen, grenzt für mich wirklich an die Seriosität, mit der wir diese Frage angehen sollten. Wir wollen trotzdem zur Sache erörtern.

Die Südumfliegung wurde nach Inbetriebnahme der Landebahn eingerichtet, um damit den sogenannten unabhängigen Parallelbetrieb zu ermöglichen. Gründe waren auch die Minderung der Lärmbelastung und die flüssige Abwicklung des Verkehrsvolumens bis hin zur Endausbaustufe von 126 Flugbewegungen, damit Starts nicht mit durchstartenden Maschinen auf der Nordwestbahn kollidieren können; das sind ca. 30 bis 40 Fälle pro Jahr.

Mich macht ein Satz der Pressemitteilung des VGH nachdenklich. Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich aus dieser Pressemitteilung:

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlungen hat sich der unabhängige Betrieb der Südumfliegung mithilfe der Funknavigationsanlage als nicht realisierbar erwiesen …

Daraus ergeben sich einige Fragen. Daraus ergibt sich die Frage, wie weit diese Funknavigationsanlage ausreicht. Weiterhin gibt es die Frage, welche Rolle das Ereignis vom Dezember 2011 dabei gespielt hat. Außerdem steht die Frage im Raum, ob Pilotenfehler sicher ausgeschlossen werden können. Das ist eine wichtige Sicherheitsmaßnahme. Weiterhin die Frage, ob nicht vielleicht die Zahl der Funknavigationsanlagen erhöht werden muss. Es gibt die Möglichkeit, im Flugzeug durch Triangelmessungen sehr genau die Position zu bestimmen. Damit können alle Möglichkeiten schlagartig verbessert werden, Frau Fluglärmexpertin Wissler.