Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es das richtige Modell ist, weil es mittlerweile von vielen Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen ganz unterschiedliche Forderungen nach Flexibilisierung der Arbeitszeit gibt, die auch die Altersteilzeit betreffen. Ich zitiere einmal Klaus Brandner, SPD, Mitglied des Deutschen Bundestags und mittlerweile Staatssekretär im zuständigen Ministerium für Arbeit und Soziales. Er sagt:
Unser Leitbild für eine alternsgerechte Arbeitszeit lautet: Arbeit bedeutet Teilhabe. Deshalb kann es nicht darum gehen, dass die Menschen möglichst früh aus dem Arbeitsprozess aussteigen. Stattdessen brauchen wir eine lebendige Arbeitszeitkultur, die eine flexible Reduzierung der Arbeitszeit besonders für Ältere ermöglicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genau der richtige Ansatz, passgenau für den Einzelnen Möglichkeiten zu geben, Lebensarbeitszeit zu reduzieren. Ich glaube, dass das Modell, das zurzeit existiert, hierfür nicht das richtige ist.
Wenn man für richtig hält,was auch Kollege Brandner aus dem Bundestag gesagt hat, muss man verschiedene Fragen stellen. Eine der Fragen habe ich gerade schon gestellt: Ist diese Altersteilzeitregelung die richtige Form? Brauchen wir nicht insgesamt mehr flexible Arbeitszeitmodelle? Brauchen wir nicht einen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeitarbeit? Brauchen wir nicht zeitweise oder dauerhafte Stundenreduzierungen? Brauchen wir nicht für manche Menschen Jahresarbeitszeitkonten? Für viele der Älteren ist das heute natürlich keine Antwort auf das Problem der jetzt auslaufenden Altersteilzeitregelung.
Brauchen wir nicht auch die Möglichkeit im öffentlichen Dienst, längere Auszeiten zu nehmen, und zwar nicht nur im Alter, sondern auch für junge Menschen in Erziehungszeiten, sodass sie die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit anders zu gestalten? Ich glaube, das sind die Antworten, die wir für die Zukunft geben müssen, und nicht starre Modelle wie das Blockmodell, das wir zurzeit haben.
Ich hätte zu dem Thema noch sehr viel sagen können. Ich habe auch noch ein paar Zettel, die ich vortragen könnte.
Herr Präsident, ich glaube, dass wir im zuständigen Ausschuss noch darüber reden können. Ich glaube, dass man diese Debatte nicht pro oder kontra Altersteilzeitmodelle führen kann. Ich glaube, dass man in dieser Debatte über Flexibilisierung und auf die Bedürfnisse der Einzelnen zugeschnittene Modelle diskutieren muss und dies nicht so verengt tun darf, wie das zurzeit getan wird. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Werter Herr Vorredner, Flexibilisierung von Ruhestandsgrenzen löst starre Altersteilzeitregelungen in Hessen ab – ich glaube, so kann man die heutige Debatte überschreiben. So will ich jedenfalls meinen Redebeitrag verstanden wissen.
Ich möchte zu dem ursprünglichen Antrag, der auch seine Geschichte hat und der ein bisschen durch die Ereignisse des viermaligen Schiebens überholt wurde, was wir vorhin schon diskutiert haben, meine persönliche Sicht dartun, auch im Blick auf das Arbeitsrecht. Ich vertrete nicht die Auffassung, dass das, was wir bisher praktiziert haben, heute noch ein modernes Instrument der Personalführung ist. Es ist ein Instrument vom Ende der Neunzigerjahre. Was sich ab 2000 ereignet hat, insbesondere die Haushaltslage im Jahre 2009 in Hessen, erfordert ein anderes Instrumentarium, nämlich eine größtmögliche Flexibilisierung. Insofern ist auch der Antrag der SPD vom 24.03., der viermal geschoben wurde, meines Erachtens überholt. Ich hätte in der Märzdebatte mit Ihnen gerne die Diskussion geführt, ob das wirklich modern ist,
(Günter Rudolph (SPD): Die Regierung hätte auch selbst handeln können! Das hat ihr keiner verboten!)
ob das adäquat ist, was wir hier tun.Aber ich glaube, dass man zur Kenntnis nehmen muss, dass seitdem zwei Anfragen von zwei Abgeordneten vorliegen, der Abg. Wagner und Schaus, die Licht in das Dunkel bringen. Die Antworten auf die Kleinen Anfragen zeigen, wo es langgeht. Sie haben Ende Mai im Innenausschuss zu einer Debatte über die Fraktionen hinaus geführt, in der man deutlich gemacht hat, dass bei der Altersteilzeitregelung eine größtmögliche Flexibilisierung erforderlich ist.
Herr Rudolph, Ihr Ansatz war zumindest in der damaligen Sitzung des Innenausschusses ein bisschen progressiver als Ihr Beitrag heute in der Öffentlichkeit.
Die Alternative ist heute durch den Antrag von CDU und FDP eingebracht worden. Vorausgegangen war der Antrag der GRÜNEN. Im Beitrag vom Kollegen Frömmrich wurde es auch deutlich:Die GRÜNEN hätten es gerne etwas schneller. Auch die GRÜNEN haben damals im Innenausschuss deutlich gemacht, dass sie anders denken. Sie haben es heute auf den Punkt gebracht und sind insofern stringent geblieben. Diese Geschichte muss man einfach berücksichtigen,wenn man sieht,worüber man redet.
In der Tat haben Sie recht,dass die FDP-Landtagsfraktion politisch bis im Jahr 2008 – ich habe am Anfang deutlich gemacht, dass ich persönlich anderer Auffassung bin – die Auffassung vertreten hat, dass die Möglichkeit der Altersteilzeit eine gute Chance bietet, in verträglicher Weise eine Flexibilisierung des Pensionsalters herbeizuführen. Deshalb war es auch Absicht der FDP,die bestehende Regelung zur Altersteilzeit im öffentlichen Dienst des Landes Hessen auch für die Zukunft zu verlängern. Gleichwohl mussten wir als Liberale zur Kenntnis nehmen – die Antworten auf die Kleinen Anfragen zeigen es auch –, dass aufgrund der Rahmenbedingungen des Haushaltsdefizites des Landes Hessen in damals ungeahnter Höhe Sparen das oberste Gebot der Stunde ist.
Wir sehen weiter die Notwendigkeit, Qualität und Intensität des Unterrichts an hessischen Schulen zu verbessern – das ist oberste Priorität bei uns – und insgesamt die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten. Der Herr Kollege Bellino hat es auch dargetan: Wir wollen weiterhin 105 % Abdeckung der Lehrerversorgung und darüber hinaus die demografische Rendite bei rückläufigen Schülerzahlen in den nächsten Jahren für eine Verbesserung der Unterrichtsqualität nutzen. In der Abwägung, das Ziel der erheblich verbesserten Unterrichtsabdeckung einzuschränken oder auf die Verlängerung der Altersteilzeit zu verzichten, musste deshalb die Entscheidung im Hinblick auf die Haushaltslage zugunsten der Verbesserung der Rahmenbedingungen an unseren Schulen fallen.
Da knüpfe ich an das an, was ich fachlich dargetan habe. Wir vertreten die Auffassung – das haben wir auch im Jahr 2008 immer gesagt –, dass wir einen flexiblen Renteneintritt für besser halten als das, was über die Altersteilzeit praktiziert wird.
Deshalb ist das das richtige Stichwort, um das nunmehr zu erreichen. Die Landesregierung wird – das wurde auch in der Mai-Sitzung des Innenausschusses deutlich – im Rahmen der anstehenden großen Dienstrechtsreform Möglichkeiten für eine Flexibilisierung der Ruhestandsregelungen eröffnen. Dabei sollen auch die Grenzen für einen Zuverdienst neben dem Versorgungsbezug auf den Prüfstand gestellt werden. Dies trägt den Bedürfnissen von Beamtinnen und Beamten Rechnung, selbst zu entscheiden,ob und in welchem Umfang sie neben dem Bezug von Versorgungsleistungen erwerbstätig sein wollen. Hier bin ich sehr zuversichtlich, dass der Übergang in den Ruhestand auf diese Weise erleichtert wird. Gleichzeitig können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen
Dienst ihren Ruhestand und ihre Altersversorgung nach individuellen Bedürfnissen und Plänen gestalten. Das war bei der bisher geltenden Altersteilzeitregelung nicht möglich. Insofern ist das, was wir bis Ende des Jahres – so schnell wie die GRÜNEN – erreichen wollen, eine Verbesserung. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben als Ausgangspunkt der Debatte einen Antrag der SPD-Fraktion, der sich mit der Forderung nach Verlängerung der Geltungsdauer der Bundesgesetzgebung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und mit der Verlängerung der beamtenrechtlichen Regelungen zur Altersteilzeit beschäftigt.
Weil das Ganze eine Geschichte hat und weil ein Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Regelung über ein Bundesgesetz für alle Arbeitnehmer und der Tatsache besteht, dass erst in deren Folge die Beamtengesetze der Länder geändert wurden, will ich mich zunächst inhaltlich mit der Bundesgesetzgebung auseinandersetzen – und damit mit dem Antrag der SPD-Fraktion, die eine entsprechende Bundesratsinitiative fordert.
Wenn man das geschichtlich betrachtet, dann sieht man, der Altersteilzeitregelung geht im Kern die Vorruhestandsregelung voraus, die noch aus der Feder Norbert Blüms stammt und arbeitsmarktpolitisch wirken sollte und das auch getan hat. Die Altersteilzeitregelung für Arbeitnehmer ist Bundesangelegenheit.
Weil diese Regelung auch dem Hessischen Beamtengesetz vorausging und weil sie für uns LINKE wichtig ist,hat unsere Bundestagsfraktion bereits im letzten Jahr einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Er lautet:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Förderung der Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz über den 31. Dezember 2009 fortzuführen.
Jetzt raten Sie einmal, meine Damen und Herren, wer dem Antrag zugestimmt und wer ihn abgelehnt hat. Ich kann das ganz schnell aufklären. Zugestimmt hat DIE LINKE, und abgelehnt haben den Antrag alle anderen Fraktionen im Bundestag. Auch das gehört zur Geschichte. Ich freue mich ja, wenn SPD und GRÜNE in Hessen eine andere Position vertreten.
Bei Ihnen war ich nicht ganz sicher, Herr Al-Wazir, was Sie eigentlich vertreten,als ich Ihren Antrag gelesen habe. Das können wir aber bestimmt im Ausschuss klären.
Es geht im Kern darum, ein Erfolgsmodell für die Altersteilzeit, das ein Arbeitsplatzschaffungsmodell war und ist, gerade in der heutigen Zeit zu erhalten – in einer Zeit, in der Leute durch eine 24-monatige Kurzarbeiterregelung in Arbeit gehalten werden und in der Entlassungen möglichst auf freiwilliger Basis vorgenommen werden.Gerade
in der heutigen Zeit ist der Fortbestand einer gesetzlichen Altersteilzeitregelung ein Instrument von großer arbeitsmarktpolitischer Bedeutung, insbesondere zur Bewältigung der Wirtschaftskrise.
Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, wieso das von anderen Parteien – außer der LINKEN – im Bundestag nicht unterstützt wird. Es gibt im Übrigen Modellrechnungen aus dem öffentlichen Dienst, die zugegebenermaßen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezogen sind. Ich kenne z. B. eine Modellrechnung, die die Stadt Darmstadt durchgeführt hat.
Diese Modellrechnungen sagen aus, dass es sich sogar für den Arbeitgeber rechnet, wenn Ältere in Altersteilzeit gehen – zugegebenermaßen mit einem 20-%-Zuschuss der Arbeitsverwaltung – und Jüngere eingestellt werden, die ja in einer niedrigeren Tarifgruppe sind. Das ist anhand mehrerer Modelle durchgerechnet worden. Dass dies nur bedingt auf die Beamtinnen und Beamten übertragbar ist, will ich gerne zugestehen. Ich denke aber, dass auch die Beamtinnen und Beamten einen Anspruch darauf haben, in Altersteilzeit gehen zu können. Da bin ich durchaus bei der Intention der GRÜNEN, nämlich zu sagen, das soll nicht nur im Blockmodell, nicht nur alternativ gemacht werden, beides muss möglich sein.
Doch, das ist der Unterschied zwischen uns. Es muss sowohl das Blockmodell möglich sein, das sich bewährt hat, als auch ein Altersteilzeitmodell, das den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, selbst zu wählen und zu entscheiden. Insofern treten wir für eine Erweiterung des Beamtenrechts in § 85b Hessisches Beamtengesetz ein.
Weil das Thema öffentlich diskutiert wurde, lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Hinweise geben. Die Zahlen sind bekannt. Die Zahl der Landesbediensteten in Altersteilzeit ist gestiegen. Was in der Öffentlichkeit aber weniger diskutiert wurde, war die Tatsache, dass fast 2.000 Beschäftigte weniger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig aus dem Dienst ausgeschieden sind. Niemand hat berechnet, was das für Kosten sind, und niemand diskutiert darüber – das gehört genauso zu dieser Diskussion –, wieso Menschen auf viel Gehalt verzichten, um vorzeitig aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Ich behaupte, sie tun das, weil sie kaputt sind, weil sie nicht mehr können, weil die Belastung ständig steigt, weil sie in Solidarität zu Jüngeren stehen und ihren Arbeitsplatz freimachen wollen. Das sollten wir nicht kaputt machen.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Kollege Rudolph hat den Satz geprägt, das sei ein modernes Instrument der Personalführung. Darüber kann man streiten. Das will ich gar nicht tun. Es ist jedenfalls ein ungewöhnlich teures Instrument.