Die FDP hält an ihrer politischen Erkenntnis zum Nachtflugverbot fest. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Opposition penetrant das Gegenteil behauptet. Die Vorwürfe der Opposition gehen ins Leere. Wortbruch ist und bleibt Zweitname der SPD.
Bei verantwortungsvoller Prüfung der Sach- und Rechtslage kann es im Moment nur eine mögliche Verhaltensweise für eine verantwortlich handelnde Regierung geben
wir haben auch eine schöne Postkarte; machen Sie sich mal keine Sorgen –: abwarten, was in der Urteilsbegründung des VGH steht, diese auswerten und dann eine Entscheidung treffen. Wir sehen der Urteilsbegründung erwartungsvoll entgegen. Machen Sie endlich Schluss mit dem populistischen Wahlkampfgetöse. Hören Sie auf, sich einer sachlichen Diskussion zu verweigern, wie Sie das heute tun. Kehren Sie zurück zu einer sachlichen Auseinandersetzung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundlage unserer heutigen Debatte ist das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel zu den elf Musterklagen.
Wir bedauern nach wie vor, dass der VGH eine Auswahl der Kläger vorgenommen hat, weil damit auch eine Vorauswahl der inhaltlichen Fragestellungen vorgenommen wurde. Es wäre gerechter gewesen, alle 240 Klagen zu erörtern und in einem gemeinsamen Verfahren zu verhandeln.
Das jetzt vorliegende Urteil, das den Ausbau bestätigt, aber ein striktes Nachtflugverbot fordert, wird zunehmend zu einem massiven Problem für die Landesregierung – wir haben das heute erlebt – und führt zur Entlarvung von FDP und CDU in Sachen Nachtflugverbot.
Meine Damen und Herren, doch dazu komme ich später noch ausführlich. Ich denke, dass wichtige inhaltliche Punkte in dieser Debatte nicht untergehen dürfen. Bedauerlicherweise geht das Urteil nicht in ausreichender Weise auf ungelöste Probleme und erhebliche Gefahrenquellen ein, die mit der Landebahn Nordwest verbunden sind. Dies ist unseres Erachtens, anders als die Bewertung des Herrn Ministers Posch, z. B. die Vogelschlagproblematik bei Westanflug am Mainkilometer 14,4. Das Gericht spricht hier nur von einer planerischen Bewertung des Problems und schließt somit vergleichbare Situationen wie jüngst bei der Notlandung im Hudson in New York, wenn die technischen Kontrollanlagen nicht das halten,
Das sind weiterhin die Gefahren für das in der Einflugschneise liegende Tanklager in Raunheim und die umliegende Bevölkerung, die unseres Erachtens ebenso hoch einzustufen sind wie die Problematik bei Ticona. Das sind ferner die Lärmbelastungen und die Schadstoffbelastungen, auch am Tag, sowie ungeklärte Fragen des Naturschutzes.
Nicht im Klageverfahren, dennoch von großer Bedeutung sind für uns in dieser Diskussion die direkten und indirekten Kosten des Baus der Nordwestlandebahn. 4 Milliarden c Baukosten, finanziert durch Fraport, sind eine gewaltige Summe. Der Rückgriff auf das Eigentümerkapital und die Kreditfinanzierung vermindern aber auch die Ausschüttungen an die öffentlichen Anteilseigner der Fraport, nämlich das Land Hessen und die Stadt Frankfurt, in erheblichem Maße für Jahrzehnte.
2008 wurden insgesamt 180 Millionen c an die Anteilseigner ausgeschüttet. In diesem Jahr wird dies schon erheblich weniger, allein wegen des erheblichen Rückgangs der Passagierzahlen.
Ob sich diese Investitionen aber auch langfristig bei weiter sinkenden Passagierzahlen jemals rechnen, ist und bleibt fraglich.
Da Fraport offenbar den Bau des Terminals 3 auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben will und wohl selbst nicht mehr an ihre eigenen Zuwachsraten glaubt, sind unsere Zweifel wohl sehr berechtigt.
Nicht beziffert und auch nicht bezifferbar sind jedoch die Verluste an Entwicklung und Einnahmen durch die Einschränkung von Siedlungs- und Gewerbeflächen bei den Anrainergemeinden. Die Landesregierung spricht immer nur von den wirtschaftlichen Segnungen, die das Land durch den Flughafenausbau erfahren wird. Ob sie eintreffen werden, ist komplette Spekulation. Aber für zunehmend mehr Menschen im Rhein-Main-Gebiet wird der Flughafen zum Fluch.
Nehmen wir das Beispiel Frankfurt. Der Regionalplan Südhessen weist in Erwartung des Fluglärms durch den Ausbau des Flughafens Bereiche aus,in denen regelmäßig die 60-Dezibel-Marke überschritten wird. Wegen der hohen Lärmbelastungen dürfen dort keine neuen Siedlungen gebaut werden. In den Siedlungsbeschränkungsbereichen leben aber schon viele Menschen.
Nach längerem Drängen der Opposition im Römer hat der schwarz-gelbe Magistrat endlich Zahlen vorgelegt, wie viele Menschen in Frankfurt nach dem Ausbau des Flughafens in diesen Siedlungsbeschränkungsbereichen leben werden. Ich beziehe mich auf den Bericht des Magistrats der Stadt Frankfurt vom 19.06.2009. Darin steht: Dies trifft ca. 85.000 Menschen, davon 5.260 Schulkinder, ca. 4.000 Kinder in Kindertagesstätten und 3.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen.Von der sozialen Infrastruktur in Frankfurt allein sind 57 Spielplätze, 47 Sportplätze, 21 Kleingartenanlagen und vier Freibäder betroffen. Bei allen diesen Einrichtungen können die Freiflächen nur noch eingeschränkt genutzt werden. – Es sind 85.000 Menschen, die allein Frankfurt in Lärmkorridoren
Herr Ministerpräsident Koch, Sie haben im Falle eines Ausbaues ein Nachtflugverbot versprochen. Die SPD hat in einer umfangreichen Dokumentation den Wortbruch von CDU und FDP zum Nachtflugverbot belegt. Darin lässt sich detailliert nachlesen, wie viele konkrete Versprechungen den lärm- und umweltgeschädigten Bürgerinnen und Bürgern in den Anrainerstädten gemacht wurden. Sie beginnt mit Zitaten aus dem Mai 2000. Denen wollen wir nichts hinzufügen.
Doch schon vor dem Mai 2000, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, gab es auch Zusagen von SPD-Politikern.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich hier auszugsweise wenige vortragen. Da heißt es im Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik vom 23. März 1971, also zum Ausbau der Startbahn West:
Die Befürchtungen, dass später eine weitere Startoder Landebahn – etwa parallel zur Bahn 18 West – errichtet werden könnte, entbehren jeder Grundlage.
Dazu kann man sagen: Das haben Sie umgesetzt, denn die neue Bahn ist nicht parallel zur 18 West. – Ich zitiere weiter:
Zehn Jahre später, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen zur Startbahn West, erneuerte der damalige SPD-Ministerpräsident Holger Börner im Jahr 1981 das Versprechen:
(Horst Klee (CDU): Das haben wir schon einmal gehört! Das ist nichts Neues! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber das ist wichtig, Herr Klee!)
In der Umweltverträglichkeitsbewertung des damals verantwortlichen Ministers Schneider, SPD, aus dem Jahr 1980 lesen wir Folgendes:
zwingen aber auch zu durchgreifenden Entlastungsmaßnahmen beim künftigen Flächenverbrauch im Rhein-Main-Gebiet.
Und, last but not least – mein letztes Zitat – erklärt die Landesregierung unter Ministerpräsident Eichel im Jahr 1994:
Die Landesregierung erklärt unmissverständlich, dass sich an der derzeitigen Start- und Landebahnkonfiguration nichts ändert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, auch das gehört zur Redlichkeit in dieser Debatte dazu. Wir können nicht umhin, an dieser Stelle natürlich auch auf die Mitverantwortung der SPD für die scheibchenweise erteilten politischen Zusagen nach dem Bau der Startbahn 18 West hinzuweisen.
Nun komme ich, wie Kollege Al-Wazir, zu Herrn Minister Posch. Da hat es mich schon überrascht, heute Morgen in der „Frankfurter Rundschau“ – Herr Al-Wazir hat es bereits angesprochen – diesen Artikel mit diesen Aussagen zu lesen. Ich will dem nur eine hinzufügen, denn ich kann das nicht nachvollziehen.
Herr Minister, vorhin haben Sie mit Vehemenz dargestellt,dass man erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten muss, bevor man „seriös“ darüber entscheidet. Das waren sinngemäß Ihre Worte.
Dann müssen Sie mir aber an dieser Stelle erklären, wie Sie zu folgender Aussage und Position in der „Frankfurter Rundschau“ von heute kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, dabei besonders auf die einzelnen Worte zu achten. Ich darf zitieren:
Diese Position sei nicht hinzunehmen, weil damit auch Bundesgesetze in anderen Bereichen hintergangen werden könnten, sagte Posch. Man müsse dagegen gesetzlich vorgehen,wenn diese Rechtsposition vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt würde.
Worum geht es hier? Eine klarere Aussage, bevor eine schriftliche Urteilsbegründung vorliegt – wie das Herr Minister Posch vorhin gerade gefordert und für sich in Anspruch genommen hat – ist also bereits getroffen.Die Aussage ist klar. Sie lautet nämlich: Wir sind nicht bereit, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hinzunehmen; wir werden in Revision gehen; wir werden in Revision gehen müssen – so habe ich Sie verstanden, mit dem Vortrag Ihrer juristischen Winkelzüge in diesem Zusammenhang –; wir werden nicht akzeptieren, dass die Entscheidungen des Landesentwicklungsplans geltendes Recht werden, weil – und dann kommt viel Juristisches. Ich bin manchmal froh, dass wir bei uns in der Fraktion nicht so viele Juristen haben – wenn ich höre, was Herr Posch hier heute an Winkelzügen vorgetragen hat.
(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Zurufe von der CDU und der FDP sowie des Ministers Jörg-Uwe Hahn)
Herr Hahn, was ich in meinem Verwaltungsstudium gelernt habe, war, dass spezielles Landesrecht, also die Landesentwicklungsplanung, vor allgemeinem Bundesrecht steht. Anders kann es rechtlich gar nicht verstanden und gemeint gewesen sein. Wie sollte denn ansonsten Ihr Beschluss – an dem wir nicht beteiligt waren – aus dem Mai 2007 juristisch zu bewerten sein?