Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Sie ernten für ihre Arbeit in der Regel nur geringes Ansehen in der Öffentlichkeit. Sie müssen sich von den Gefangenen beschimpfen und vielfach – wir kennen das aus dem Unterausschuss Justizvollzug – denunzieren lassen. Sie müssen jeden Tag mit Disziplinarverfahren oder auch Strafverfahren rechnen, wenn in der Anstalt irgendeine Unregelmäßigkeit zutage tritt.

Damit wir uns nicht missverstehen: Selbstverständlich ist ein enges Netz von Kontrollen der Bediensteten notwendig. Das Binnensystem einer geschlossenen Institution macht dies erforderlich und zwingt uns dazu. Es ist gleichwohl für die Bediensteten belastend und oft auch unverständlich, wenn sie mit Verfahren konfrontiert werden, obwohl sie sich keiner Schuld bewusst sind.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im allgemeinen Vollzugsdienst, aber auch den anderen Bediensteten im Justizvollzug ausdrücklich meine Hochachtung und meinen Dank auszusprechen.

(Beifall)

Sie leisten einen schwierigen Dienst mit hoher Verantwortung und in täglicher Pflichterfüllung.Wir wissen, was sie für die Sicherheit der Allgemeinheit und für einen funktionierenden Rechtsstaat leisten. Herzlichen Dank dafür.

Aus der Großen Anfrage können wir mindestens eine Erkenntnis ableiten. Frau Hofmann hat schon darauf hingewiesen. Im AVD steigen die Mehrarbeitsstunden in den letzten Jahren wieder kontinuierlich und deutlich an. Bei Unterschieden in den einzelnen Anstalten und Schwankungen über die Jahre hinweg ist das jedenfalls eine Tendenz, die deutlich erkennbar ist. Mehrarbeit entsteht immer dann – das ist eine Binsenweisheit –, wenn die eigentliche Dienstplanung nicht ausreicht, um den notwendigen Dienst sicherzustellen.

Ein Grund dafür können im Vollzugsbereich höhere Belastungen des AVD durch Vorführungen bei externen Fachärzten oder Bewachung bei externen Krankenhausaufenthalten sein. Ich vermute, dass das der Hintergrund der Fragen der Großen Anfrage der SPD-Fraktion war. Allerdings kann man hier aus meiner Sicht keine einheitliche Tendenz ablesen und schon gar nicht davon ausgehen, dass der Zuwachs an Mehrarbeitsstunden hiermit hinreichend erklärt wäre.

Ein Grund dürfte aus meiner Sicht ein Aspekt sein, der gar nicht Gegenstand der Großen Anfrage war.Wir haben beim Treffen der Anstaltsbeiräte beim letzten Hessentag – es gibt ein regelmäßiges Treffen der Anstaltsbeiräte beim Hessentag – erneut hören müssen, dass der Krankenstand insbesondere der Bediensteten im AVD in allen Anstalten außerordentlich hoch ist. Der Ausfall durch unvorhersehbare Krankheitstage ist natürlich eine wesentliche Ursache für Mehrarbeit bei den anderen, die das auffangen müssen. Denn die Stationen, die Wachen und die Werkräume können schließlich nicht unbesetzt bleiben.

Der hohe Krankenstand mag viele Ursachen haben.Eines ist aber auch ganz sicher: Die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden hat sicher nicht zur Gesundheit beigetragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie dürfte vielmehr ein wesentlicher krank machender Faktor gerade im Vollzugsdienst sein. Im Schichtdienst, der den AVD naturgemäß prägt, lassen sich 42 Stunden nicht in Acht-Stunden-Schichten aufteilen. Das bedeutet entweder längere Schichten oder kürzere, dafür aber mehr Schichten. Die Folgen sind z. B. längere Fahrtzeiten zum Dienst, dichtere Taktfolge der Einsätze usw.

Ich glaube, man muss kein Mediziner sein, um festzustellen, dass dies eher krank machende als gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen sind. Gerade im Vollzugsdienst wird deutlich, wie wichtig die Anpassung der Arbeitszeit der Beamten zumindest an diejenige der Angestellten wäre.

Meine Damen und Herren, die meisten von uns bereiten sich in diesen Tagen vielleicht ein bisschen auf die Weih

nachtsruhe vor. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten haben dies nicht. Sie müssen 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag,auch an Heiligabend und am 1. und 2.Weihnachtsfeiertag, an Silvester und Neujahr, an jedem Samstag und Sonntag den Dienst dort sicherstellen. Ihr Lebenstakt folgt nicht dem Wechsel von Werktagen und Wochenenden oder Feiertagen, sondern ihr Lebensrhythmus folgt dem Takt der Schichten. Deswegen hätten sie es ganz besonders verdient, wenn der Minister vielleicht, wenn er hier noch redet, ihnen ein kleines Weihnachtsgeschenk machen und ankündigen würde, dass die Arbeitszeit demnächst zumindest auf diejenige der Angestellten reduziert wird. Das wäre etwas Konkretes, was wir tun könnten. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Darf ich fragen, ob ein Bote irgendwo in der Nähe ist? Denn da hinten spielt keine Musik, nur hier vorne. Wir müssen das Ding hochheben. Eine neue Organisation ist notwendig.

(Ein Bediensteter fährt das Rednerpult hoch.)

Das Wort hat Herr Kollege Gerling für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zu einer anderen Beurteilung des Strafvollzugs in Hessen als Frau Hofmann und Herr Dr. Jürgens. Ich bin der Auffassung, dass wir im hessischen Strafvollzug gut aufgestellt sind und dass wir auch eine gute Personalausstattung im allgemeinen Vollzugsdienst haben.Auch im Ländervergleich steht Hessen gut da. Meine Damen und Herren, das war nicht immer so.

(Beifall bei der CDU)

Erinnern möchte ich, liebe Frau Hofmann und auch Herr Dr. Jürgens, an die Regierungsverantwortung von SPD und GRÜNEN. Ich meine, das sollte man bei dieser Gelegenheit immer wieder deutlich machen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwähne das auch deshalb, weil von SPD und GRÜNEN bei jeder Gelegenheit versucht wird, die in den letzten Jahren unbestreitbar positive Entwicklung im hessischen Strafvollzug schlechtzureden.

(Beifall bei der CDU)

SPD und GRÜNE sollen sich immer wieder bewusst sein, dass es unter ihrer Regierungsverantwortung gravierende Missstände gab,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): War das im vorigen Jahrhundert? Sagen Sie doch einmal, wann das war! – Heike Hofmann (SPD): Das ist doch ein Ablenkungsmanöver, was Sie da gerade betreiben!)

wie z. B. zahlreiche Entweichungen und Ausbrüche von Gefangenen, eine unverantwortliche Überbelegung in den Haftanstalten.

(Beifall bei der CDU)

Es fehlten bis zu 1.000 Haftplätze. Die Gefangenen waren teilweise menschenunwürdig untergebracht.Die Bediensteten waren über Gebühr belastet und oft bis an ihre Leistungsgrenze gefordert. Es gab kein einheitliches Vollzugskonzept. Meine Damen und Herren, diese Missstände gehören jetzt der Vergangenheit an.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt keine Überbelegung mehr, weil unter der Verantwortung der CDU und mit Unterstützung der FDP viele neue Haftplätze geschaffen wurden.

(Heike Hofmann (SPD):Thema verfehlt!)

Auch die Sicherheitslage in den Gefängnissen hat sich entschieden verbessert. Gleiches gilt für die Personalausstattung im allgemeinen Vollzugsdienst. Wir haben heute mehr Bedienstete im allgemeinen Vollzugsdienst als noch im Jahr 2003.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das beweist auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD.Tatsache ist, dass sich die Bedienstetenquote pro Gefangenen in den letzten Jahren verbessert hat und noch weiter verbessern wird.

(Beifall bei der CDU)

Zu berücksichtigen ist auch,dass wir heute rund 1.000 Gefangene weniger haben, was sich auch günstig auf die Personalbelastung auswirkt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ah!)

Zwar sind im Rahmen der „Operation sichere Zukunft“

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): „Düstere Zukunft“ heißt das! Für die Leute, die betroffen sind, ist das düster!)

Sie haben darauf Bezug genommen – Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst eingespart worden. Aber diese Stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind durch die Einführung der 42-Stunden-Woche mehr als kompensiert worden. Hinzu kommt, dass die meisten Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst besetzt sind, was früher oft nicht der Fall war.

Ein Beweis dafür, dass es heute eine entspanntere Personalsituation gibt, ist auch der Rückgang der Mehrarbeit. Die Überstunden im Vergleich von 2003 bis 2009 waren rückläufig. Ganz entscheidend ist, dass durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene neue Jugendstrafvollzugsgesetz bis 2010 80 neue Stellen geschaffen wurden und durch das neue Hessische Strafvollzugsgesetz und Untersuchungshaftgesetz 70 weitere neue Stellen hinzukommen werden.Alles in allem haben wir dann mit diesen 150 Stellen eine deutlich bessere Personalausstattung als je zuvor.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Personalausstattung ist nicht nur die Sicherheit in den hessischen Justizvollzugsanstalten gewährleistet, sondern es können auch die neuen gesetzlichen Aufträge aus den neuen Strafvollzugsgesetzen in vollem Umfang ausgeführt werden.Vor allem wird es durch einen intensiven Behandlungsvollzug möglich sein, die Resozialisierung von Häftlingen besser zu gestalten. Oberstes Ziel muss es sein, dass straffällig gewordene Menschen nach ihrer Haftentlassung ein straffreies Leben führen können.

Fazit,und damit komme ich zum Schluss:In Hessen wurde in den letzten Jahren ein sicherer, moderner und effizienter Strafvollzug geschaffen, auch dank der motivierten Bediensteten im Strafvollzug, denen ich namens der CDU-Fraktion sehr herzlich für ihren schwierigen Dienst danke.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Die Personalausstattung ist besser als zu Zeiten von SPD und GRÜNEN. Für ein Krisenszenario, wie es hier von der SPD und den GRÜNEN dargestellt wurde, gibt es keinen Anlass. Es ist auch unzutreffend. CDU und FDP werden sich gemeinsam mit Justizminister Hahn weiterhin für einen sicheren und effizienten Strafvollzug einsetzen. Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen können sich darauf verlassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Paulus für die Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen Faeser, Hofmann und Waschke, Sie haben eine sehr umfangreiche Große Anfrage zur Personalausstattung des allgemeinen Vollzugsdienstes in den hessischen Justizvollzugsanstalten gestellt, in der Sie sehr detailliert die Situation der Beschäftigten, Stellenbesetzungspläne, Arbeitsstunden, die Berechnungsmethode und vieles mehr der hessischen Justizvollzugsanstalten hinterfragen.

Zu Ihren sehr umfangreichen und sehr detaillierten Fragen haben Sie vom hessischen Justizministerium eine sehr detaillierte Antwort bekommen: 36 Seiten. Auf diesen 36 Seiten können wir nun als Parlamentarier lesen, wie, an welchem Ort und auf welche Weise die Beamten ihre Stechuhr bedienen, wie Dienstpläne erstellt werden und wie die Dienstpostenübergabe vonstatten geht.