Vielen Dank, Herr Kollege Kahl. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kaufmann das Wort. Bitte schön, Herr Kaufmann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um da anzuknüpfen, wo der Kollege Kahl aufgehört hat: Herr Minister Posch,genau das war vorhin mein Vorwurf,dass Sie gegen das klagen, was Sie selbst politisch versprochen haben, und das nenne ich Betrug.
Um da herauszukommen, haben wir heute in der Selbstdarstellung einen zweigeteilten Posch vorgefunden. Zum einen gibt es den Hessen-Posch, der das Nachtflugverbot möchte, und dann gibt es den Auftrags-Posch, der sich jetzt neu erfunden hat und sagt: Aber der Bund gibt mir
Herr Staatsminister, es kommt schon gelegentlich vor, dass man sich vor der Verantwortung drücken will. Aber derart dreist, wie Sie das hier tun, jetzt plötzlich die politische Schizophrenie als Argument zu entdecken, das ist dann schon hochpeinlich.
Meine Damen und Herren, die zweite Anmerkung. Der Verkehrsminister meinte, uns für diese Debatte hier den Vorwurf „alter Aufguss“ machen zu müssen, und alle Argumente seien schon genannt. Der Kollege Müller hat es in ähnlichem Sinne auch von sich gegeben.
Dann frage ich Sie, meine Herren: Warum hatte es das Land Hessen denn dann nötig, beim Bundesverwaltungsgericht abermals eine Fristverlängerung zur Vorlage des Schriftsatzes zu beantragen? Die ursprüngliche Frist von letzter Woche wurde, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung auch selbst bestätigt haben, auf morgen verlängert, und zwar auf Wunsch des Anwalts des Landes. Das heißt: So alt scheint der Aufguss nicht zu sein,oder,um den Vorwurf aufzunehmen, Herr Kollege Müller, die Ihrigen haben offensichtlich bisher nicht richtig zugehört.
Meine Damen und Herren, mein dritter Punkt. Wir erleben eine Paralleldiskussion zwischen politischem Wollen und rechtlichen Möglichkeiten. Nur, verehrter Herr Verkehrsminister, genau das stimmt halt nicht. Selbst wenn man diese feinsinnige Unterscheidung macht – hier ist die Regierung, hier ist die Behörde, und die zwei kennen sich gar nicht –,muss man aber an einem Punkt sagen,dass der Verwaltungsgerichtshof genau das gemacht hat, was Sie eigentlich gern haben müssten. Er hat nämlich das politische Wollen und die rechtlichen Möglichkeiten zusammengeschoben, indem er gesagt hat: nahe null.
Jetzt zum letzten Punkt,den ich aufgreifen will.Es war am Ende des Vortrags des Verkehrsministers zu vernehmen, und das ist jetzt leider ein bisschen speziell. Derzeit steht in § 29b Abs. 1 Satz 2 des Luftverkehrsgesetzes Folgendes:
Das, was diskutiert wird, heißt, aus diesem Satz Folgendes zu machen: „Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist bei Durchführung von Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.“ Das sei die Konkretisierung, die notwendig ist, damit sich Gerichte nicht damit befassen müssen, sondern der Gesetzgeber klare Vorgaben macht.
Sehr verehrter Herr Verkehrsminister, Sie haben an den Diskussionen, wie die Koalitionsvereinbarung in Berlin aussieht,selbst ein Stück weit mitgewirkt und sind deshalb auch in der Materie drin und wissen,dass genau diese Formulierung erstens,was gerichtliche Entscheidungen anbelangt, nur insoweit Klarheit bringt, als dass sie zukünftig
verbieten würde, ein Nachtflugverbot überhaupt auszusprechen. Denn was sich für den Laien ganz vernünftig anhört, ist für den Juristen etwas ganz anderes. Die Einführung der Worte „… bei Durchführung von Betrieb von Luftfahrzeugen …“ heißt: In der Nacht ist Betrieb; und die Durchführung von Betrieb ist jetzt gesetzlich geregelt. Das heißt: Es muss ihn geben, was im Umkehrschluss sofort heißt, dass ein Nachtflugverbot nicht mehr zulässig ist.Mit „ … in der Luft und am Boden …“ sind gleich noch die Triebwerksprobeläufe und all das, was die Bevölkerung rund um den Flughafen jenseits der Landungen und Starts ärgert, mit einbezogen.
Meine Damen und Herren, das ist die Reduzierung des Schallschutzes allein auf passiven Schallschutz, und das ist von der ADV, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen, bekanntermaßen genau gewollt. Das steckt dahinter.
Es steckt nicht dahinter, dass das Bundesverwaltungsgericht überfordert wäre – dessen Rechtssprechung zum Nachtflug ist sehr klar und deutlich. Es steckt dahinter, dass man dem Bundesverwaltungsgericht in den Arm fallen möchte, weil man diesen Schutz der Bevölkerung zugunsten der Interessen der Luftverkehrswirtschaft nicht länger hinnehmen will. Das sollten Sie ehrlich sagen. – Danke schön.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ein Quatsch! Dr. Walter Arnold (CDU): So ein Unsinn!)
Sie haben in der Tat recht, Frau Wissler. Wir haben uns vorhin nicht beschwert, sondern festgestellt, dass wir uns hier wiederholen. Aber, ob Sie es glauben oder nicht, wir haben eine ausreichende Kondition und sind gerne bereit, es noch ein fünftes, ein siebtes und auch ein zehntes Mal zu wiederholen, zu erklären und zu erläutern.
Herr Kahl, es würde allerdings helfen, wenn Sie z. B. Ihrer Fraktion und auch den GRÜNEN diese Erkenntnis erläutern würden, die Sie eben vorgetragen haben: dass es einen Unterschied gibt zwischen Landesregierung und Planfeststellungsbehörde. Das ist bei den Kollegen, die Sie haben, nicht angekommen. Zumindest haben Sie es nicht geschafft, es hier ins Plenum zu tragen.
Was Sie hier vortragen, spricht dafür, dass anders, als Herr Frankenberger gerade ausgeführt hat, die Argumente schon vorliegen,die dafür sprechen,dass wir Revision eingelegt haben.
Meine Damen und Herren, der VGH hat gerade im Bereich des Landesplanungsrechts eine ganze Reihe abweichender Entscheidungen von bisheriger Rechtsprechung getroffen. Er hat sogar neue Rechtsinstitute eingeführt.
Er hat – hören Sie einmal zu – am Ende seines Urteils ausdrücklich im Indikativ aufgeführt, welche Punkte vor dem Bundesverwaltungsgericht zu klären sind, weil es sich um völlig neue Rechtsinstitute und völlig neue rechtliche Fragen handelt. Diesem Auftrag des VGH kommen wir nach. Diese Punkte müssen geklärt werden, abgesehen von der Frage, wie es aussieht mit Landesplanungsrecht und Bundesrecht, wo da die Abhängigkeiten sind.
Meine Damen und Herren, wir werden die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bekommen. Wir können es davor in den nächsten eineinhalb oder zwei Jahren, wie lange auch immer das dauern wird, noch 20-mal diskutieren. Die Argumente, die wir alle kennen, können wir noch 20-mal austauschen. Wenn Sie das spannend finden, machen wir das gerne. Aber wir werden diese höchstrichterliche Rechtsprechung haben.
Es kann sein, dass wir daraufhin ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren durchführen. Aber wir werden es dann auf der Grundlage einer höchstrichterlichen Entscheidung durchführen, und das ist der entscheidende Unterschied. Deswegen wird das Verfahren dadurch beschleunigt. – Vielen Dank.
Schönen Dank, Herr Kollege Müller. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Schaus jetzt das Wort. Bitte schön, Herr Schaus.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Posch für die in Bundeskompetenz liegende Planfeststellungsbehörde, ich will ergänzend zu dem, was Herr Kollege Kaufmann ausgeführt hat, im Hinblick auf Ihre Novellierungsvorschläge zu § 29b Luftverkehrsgesetz einfach noch einmal daran erinnern – ich glaube, dass es notwendig ist, das zu tun –, woher das Ganze kommt. Dann weiß man, welche Interessen in dieser Frage von der Planfeststellungsbehörde wie gewichtet werden.
Herr Präsident, ich darf aus einem Protokoll der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen vom 22. und 23. März 2007 zitieren, also eineinhalb Jahre vor der Entscheidung.
Ich weiß, dass Sie das kennen, aber ich denke, auch hier ist es wichtig, nach draußen deutlich zu machen, wie das mit der Interessenlage ist.
Herr Mäder [Flughafen Dresden] weist darauf hin, dass infolge jüngerer Urteile des BVerwG (…) ein generelles Nachtflugverbot für alle Flughäfen droht, die eine Planfeststellung anstreben und den Nachweis eines dringenden Bedarfs an Nachtflugverkehr nicht gerichtsfest führen können.
Dies ist ein Paradigmenwechsel der Rechtsprechung, dem die ADV entgegenwirken muss. Dazu wären Anforderungen an einen qualifizierten Be
darfsnachweis für Nachtflüge festzulegen und auf eine Änderung bzw. Klarstellung des § 29b LuftVG hinzuwirken, auf den sich das BVerwG bei seinen Entscheidungen stützt …
Herr Lurz [Fraport] weist darauf hin, dass insbesondere klargestellt werden muss, was unter Nachtruhe zu verstehen ist. Nachtruhe muss mit „ungestörtem Schlaf“ gleichgesetzt werden, nicht mit absoluter Nachtruhe im Außenbereich. Er … sieht … die Notwendigkeit, … ADV-intern tätig zu werden.
So weit das Zitat, und wir sehen, wie die Ausführungsbehörde dieses interne Tätigwerden sozusagen umgesetzt hat. Da ist klar, und das sollen auch alle wissen: Die Interessensgewichtung in dieser Frage der Nachtflüge wird von der Planfeststellungsbehörde und den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern nicht oder nicht im gleichen Maße im Interesse der seit Langem geplagten Anwohner wahrgenommen, sondern hier werden einseitig die Interessen der Flugverkehrswirtschaft vertreten,und das sollen und müssen alle wissen. Das tun Sie heute, das tun Sie morgen. Das ist Ihre Intention, weshalb Sie jetzt die Revision beim Bundesverwaltungsgericht betreiben,
um diese Interessen im Gegensatz zu Ihrer eigenen Beschlusslage im Hessischen Landtag voranzubringen.