Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

Statt eine klare Meinung zu beziehen, wie das Frau Schulz-Asche schon im Plenum gemacht hat,wollte er erst die Anhörung abwarten.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist der Sinn einer Anhörung!)

Nach dieser Anhörung hat sich die SPD nochmals enthalten. Das zeigt mir eindeutig, dass die SPD sich im Korsett der LINKEN eingefangen sieht,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

sich nicht gegen links und die Gewerkschaften stellen will, aber gleichzeitig genau weiß, dass der Feiertag der falsche Weg ist.

So kann ich heute die SPD nur auffordern: Nehmen Sie sich den Mut, zeigen Sie Rückgrat, verschließen Sie die Augen nicht vor der Realität, und lehnen Sie den Gesetzentwurf der LINKEN ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Oder wollen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sehenden Auges in die Falle der linken Politik laufen?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten gemeinsam erklären, dass wir die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern nicht tolerieren, dass wir für die Gleichberechtigung von Mann und Frau eintreten, dass wir den Willen haben, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Aber wir

sollten gleichzeitig deutlich machen: Wir wollen nicht an einem Tag feiern, sondern jeden Tag handeln.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Pragmatische, reale Politik im Interesse der Frauen voranzubringen, das sollte unser aller gemeinsamer richtiger Weg sein.Von diesem Weg wird sich die CDU auch durch das Schaufenstergesetz der LINKEN nicht abbringen lassen. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Ja- nine Wissler (DIE LINKE):Viel Spaß dabei mit der CDU-Fraktion!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pauly-Bender für die SPDFraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt wollen wir endlich einmal zum Thema reden! – Gegenrufe von der CDU)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ravensburg, Sie haben Herrn Rudolph so tief ins Mark getroffen, dass er nicht mehr selbst sprechen kann.

(Heiterkeit – Zurufe von der CDU: Das sollte sie öfter machen!)

Deshalb möchte ich für die SPD-Fraktion ein paar wenige Worte zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE formulieren.

Der Gesetzentwurf will den Internationalen Frauentag in unserem Bundesland zum gesetzlichen Feiertag erheben. Die Antragsteller wollen damit die Wichtigkeit der Gleichstellung unterstreichen.

Meine Damen und Herren, wie viele von Ihnen wissen, habe ich in diesem Hause bei vielen Gelegenheiten zur Bedeutung dieses Themas gesprochen, oft nicht zum Vergnügen aller, trotzdem unerschüttert und offensiv. Natürlich bleibt es dabei: Das Thema Gleichstellung von Frau und Mann ist ein zentrales Thema jeder modernen sozialstaatlichen Demokratie. Diskriminierung war und bleibt ein gesellschaftlicher Großskandal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es geht um die subjektiven Rechte der Frauen, es geht zugleich aber auch um eine Verbesserung der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit. Denn eine Gesellschaft, die diskriminiert, ist immer auch eine Gesellschaft, die menschliche Ressourcen vergeudet, eine Gesellschaft, die das Leistungsprinzip missachtet und die in der Folge Nachteile zu tragen hat, gravierende Nachteile für alle, für Männer und für Frauen. Deshalb besteht der große Änderungsbedarf in diesem Punkt, den wir auch immer und immer wieder geltend gemacht haben.

Die politische Bilanz in Sachen Gleichstellung der letzten Jahre ist armselig, nicht nur in Hessen, aber auch in Hessen. Seitens des Staates und seiner Organe ist wenig bis nichts unternommen worden: Sonntagsreden vielleicht einmal dahingestellt, und in letzter Zeit werden noch nicht einmal mehr die Sonntagsreden gehalten, auch wenn Frau Ravensburg die nächste Sonntagsrede zum

100. Geburtstag des Internationalen Frauentags schon angekündigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von gleichstellungspolitischer Offensive kann in keiner Weise die Rede sein,obwohl auch und nicht zuletzt zu den Arbeitsmarktstrukturfragen, denen wir entgegengehen, eine solche Offensive absolut notwendig wäre.

Es steht nicht im freien Belieben des Staates, ob er den Skandal der Frauendiskriminierung weiter tatenlos hinnimmt oder ob er tätig wird. Es gibt Verfassungspflichten. Die Verfassung ist nach heutigem Verständnis nicht nur ein Abwehrinstrument der Bürgerfreiheit gegen den Staat, sondern zugleich auch eine Quelle von staatlichen Handlungspflichten, zur Herstellung verfassungsrechtlich gewünschter und geforderter Leitbilder – einer Werteordnung, wenn man so will.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Stimmen Sie jetzt zu oder nicht?)

Trotzdem wird jedes Jahr mit schöner Regelmäßigkeit ein Pay Day begangen, weil Frauen in gleichen Positionen schlechter bezahlt werden als Männer, ohne dass gehandelt würde. Immer wieder wird festgestellt, dass Frauen in den Führungsetagen der Privatwirtschaft, aber auch im öffentlichen Bereich grob unterrepräsentiert sind, ohne dass gehandelt wird. Selbst in der Politik mag es noch immer die eine oder andere Gruppierung geben, die praktisch frauenfrei ist. Da gibt es gerade in unserem Haus schönes Anschauungsmaterial. Ich möchte nirgendwo hingucken.Wohlgemerkt: im Jahre 2010 und nicht 1910 zu Kaiser Wilhelms Zeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das alles ist bekannt, es wird jedes Jahr publiziert und ist für jede und jeden,der Kenntnis nehmen will, erreichbar. Es ist natürlich ob der strukturellen Untätigkeit dieser Landesregierung durchaus berechtigt, über Mittel und Wege nachzudenken, wie man den Verkrustungen entgegenwirken kann.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Umso mehr sollte man aber darauf achten – Herr Müller, jetzt komme ich zu Ihrer Frage –, dass die Mittel, die vorgeschlagen werden,auch tatsächlich geeignet sind,irgendetwas zum Guten hin zu bewegen. Meine Damen und Herren von der LINKEN, da bestehen, was Ihren Gesetzentwurf angeht, die erheblichsten Zweifel.

Natürlich kann man danach fragen, ob es unter den heutigen Bedingungen opportun sein kann, die Anzahl der Feiertage noch zu vermehren. Man kann auch kurz über die separaten hessischen Feiertage nachdenken. Mein Punkt ist ein anderer.

Ich persönlich habe über die nahezu 20 Jahre, die ich diesem Landtag angehören darf, die größte Aversion gegen Placebopolitik angenommen. Kürzlich habe ich hier in einem anderen Zusammenhang über das schöne Thema der Geschichtspolitik gesprochen.

Heute geht es um die Frage der Feiertags- und Gedenktagspolitik,die nichts ändert,sondern sich in Symbolen erschöpft, nach dem Motto: Heute wird gefeiert und gedacht, morgen wird munter weiter diskriminiert. – Eine Politik dieses Stils sollten wir nicht weiterverfolgen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sollten einen wirksamen Antidiskriminierungsschutz auf den Weg bringen – durch das, was wir hier als Hessischer Landtag tun können, durch das, was wir im Bundesrat und via Europa auf den Weg bringen können,wozu wir auch die Landesregierung auffordern können. Meine Damen und Herren, das zählt und nicht das wohlfeile Anzünden weiterer Gedenktagskerzen.

Lassen Sie uns als Politikerinnen und Politiker den Internationalen Frauentag zusammen mit der Frauenbewegung dazu nutzen, zu einer Verbesserung der Verhältnisse konkret beizutragen und meinetwegen auch alljährlich oder, bescheidener gesprochen, wenigstens einmal pro Legislaturperiode etwas Nennenswertes auf die Beine und auf den Weg zu bringen, was die Verhältnisse für Frauen in Hessen konkret verbessert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn uns dies gelänge, wäre das wirklich ein Grund zum Feiern,gesetzlicher Feiertag hin,gesetzlicher Feiertag her.

Zum Abstimmungsverhalten der SPD bei dieser zweiten Lesung.Wie bei den letzten Feiertagsinitiativen vor wenigen Wochen, glauben wir als SPD-Fraktion, dass auch in diesem Punkt die Enthaltung angemessen ist.

(Claudia Ravensburg (CDU):Aha!)

Die Zielsetzung halten wir für beachtenswert, können aber mit dem in Erwägung gezogenen Mittel, offen gesprochen, wenig anfangen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Dr. Blechschmidt für die FDP-Fraktion das Wort.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es gab einen Wechsel des frauenpolitischen Sprechers!)

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren Kollegen, werte Vorrednerinnen! Herr Rudolph, Sie sind verlustig gegangen, das letzte Mal haben Sie vor mir geredet, aber jetzt sind Vorrednerinnen übrig geblieben.

(Günter Rudolph (SPD): Wir haben die Auswahl! Sie haben keine Frauen!)

Ich bedauere das außerordentlich. – Frau Pauly-Bender, ich kann nur unterstreichen, was gesagt wurde, und teile alle Argumente. Es spricht nichts dafür, hier einen Feiertag einzuführen, sei es im Austausch für den 1. Mai, Herr van Ooyen, oder für einen kirchlichen Feiertag. Auch in der Anhörung wurde deutlich, dass all das, was wir im Landtag schon debattiert hatten, seine Bestätigung bekommen hat.

Ich erspare Ihnen das, was ich das letzte Mal unter politischem Feuilleton zitiert habe, nämlich: „Klagetag – Der Internationale Frauentag wirkt in Deutschland wie die Verabredung zur kollektiven Depression“. – Ich verzichte darauf, daraus zu zitieren, weil alle Beiträge dem nicht Rechnung getragen haben, bis auf Ihren Beitrag, Frau Kollegin Schott. Das tut mir wirklich leid, das sage ich wirklich nicht, weil ich Sie in der Ecke sehe, sondern weil