Wir haben da Probleme, die sich in vielen Bundesländern stellen. Wir haben in Hessen das Problem, dass immer mehr Menschen in die Ballungsräume ziehen, weil dort die Infrastruktur besser ist. Wir haben das Problem, dass es Ortsteile gibt – wir waren gerade wieder in einem Teil Mittelhessens und mussten das erleben –, in denen nur noch Menschen über 60 Jahre wohnen. Die jungen Menschen sind abgewandert. Natürlich geht dann die Infrastruktur langsam in den Orten verloren. Die Ärzte, die Apotheker und auch die Schulen, all das geht weg.
Meine Damen und Herren, das sind die großen Herausforderungen für ein so erfolgreiches Land wie Hessen. Wir müssen den Menschen im ländlichen Raum ein adäquates Angebot machen, das zeigt, wie wir uns als Landespolitiker ihre Zukunft vorstellen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir da gemeinsame Konzepte auf den Weg bringen würden. Denn ich glaube wirklich, dass das eines der großen übergeordneten Themen ist.
Ich will deshalb hauptsächlich auf drei Punkte eingehen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das betrifft zunächst einmal die Bildungspolitik. Sie haben in den letzten Wochen immer wieder die Arbeit unserer Ministerin begleitet. Ich möchte mich wieder einmal an dieser Stelle für den hervorragenden Start bedanken, den diese Landesregierung an Hessens Schulen organisiert hat.
Denn es ist nicht selbstverständlich, dass die Schule ruhig startet und dass es keine große Debatte über die Frage gibt, was eigentlich der Königsweg ist und wie man am besten zu dem Bildungsabschluss kommt. Neben der Tatsache, dass die Ministerin Hessen mit ruhiger Hand Schritt für Schritt an die Spitze der Bundesländer hinsichtlich der Bildung bringen wird, ist es, so glaube ich, na
Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat den Blick nach Hamburg gerichtet. Hamburg ist ein schönes Beispiel für etwas,was wir uns nicht mehr antun sollten – abgesehen von der Tatsache, dass eine schwarz-grüne Regierung für Hessen nicht der richtige Weg wäre. Darin sind wir uns zur Abwechslung einig.
Herr Kollege Al-Wazir, die Ablehnung, die die Menschen dieser Koalition entgegenbringen,ist doch nicht nur deshalb so groß, weil die GRÜNEN dort den Bau eines der größten Kohlekraftwerke in der Bundesrepublik zu verantworten haben. Das ist nicht der Hauptgrund, warum sich die Menschen von Ihnen abwenden. Das ist nur einer der Gründe.
Der Hauptgrund ist, viele Wähler haben es satt, dass Sie ihnen vorschreiben wollen, auf welche Schulen ihre Kinder zu gehen haben.
Diese Haltung nach dem Motto: „Ich weiß besser, wie die Welt funktioniert“, wollen die Menschen nicht.
Deshalb ist es interessant, dass nicht nur in Hessen das Prinzip der Einheitsschule, wie es Frau Ypsilanti vorgesehen hat, aufgrund der Wahlentscheidung gescheitert ist, sondern dass durch die Volksabstimmung in Hamburg letztendlich auch das Projekt des gemeinsamen Lernens bis Klasse 6 nicht zustande gekommen ist.
Was lernen wir daraus? Wir lernen daraus, dass die Art undWeise,Schule zu organisieren,indem man den Leuten sozusagen Schablonen vorgibt, in die sie sich hineinpressen müssen, endlich der Vergangenheit angehören muss. Wir brauchen von staatlicher Seite keine Vorgaben mehr dafür, wie die Kinder in unserem Bundesland am besten unterrichtet werden.
Diese Regierung hat dafür gesorgt, dass es unterschiedliche Modelle gibt: Gesamtschulen und ein gegliedertes Schulsystem, die Möglichkeit, in acht oder neun Jahren zum Abitur zu kommen. Das sind absolut unterschiedliche Varianten, und die Eltern haben in Hessen die Freiheit, sich für die richtige Variante zu entscheiden. Das ist eine unideologische Schulpolitik,und es ist auch eine richtige Schulpolitik.
Ich will gar nicht auf die 1.656 Lehrer eingehen, die wir bisher zusätzlich eingestellt haben. Ich möchte gar nicht über die Tatsache diskutieren, dass wir in diesem Schuljahr mit einer Stellenbesetzungsquote von 99,7 % angefangen haben: Sieben Stellen waren in unserem Bundesland noch offen. Das hat es noch nie gegeben.
All das sind nicht die großen Fragen. Aber das sind die Fragen, die wir beantworten müssen. Das erwarten die Menschen von uns. Es ist schon erstaunlich, dass wir in
diesem Bundesland zusätzlich zu den Lehrern, die wir 1999 vorgefunden haben, knapp 6.500 – wenn ich richtig gerechnet habe – eingestellt haben. All das ist zwar richtig; aber es ist sozusagen die Grundlage einer guten Arbeit.Wir haben die Schulen besser ausgestattet. Die Schulen haben durch diese Kultusministerin auch besseres Lernmaterial zur Verfügung gestellt bekommen; denn wir haben den Etat deutlich erhöht.
Aber die wahre Frage ist, wie wir es schaffen, den Unterricht so zu organisieren, dass er sowohl spannend für die Schüler als auch leistbar für die Lehrer und die Eltern ist. Das ist die große Herausforderung.Wir leben in einer Informationsgesellschaft, in der sich sehr viel fundamental geändert hat. Man kann in keine Klasse mehr kommen, in der sich die Lehrer nicht mit 25 bis 28 Schülern und gleichzeitig mit 25 Handys auseinanderzusetzen haben. Die Kommunikationswege haben sich vollständig geändert. Die Kinder haben heute kein Basiswissen mehr im Kopf, sondern wissen häufig nur noch, wo sie etwas im Internet finden.
Das sind die großen Aufgaben, die unser Bildungssystem zu bewältigen hat. Ich bin froh, dass die Kultusministerin dort voranschreitet und Konzepte entwickelt, wie man Lehrer, Eltern und Schüler fit für diese Zukunft machen kann. Das sind die Fragen, um die es geht.
Ja, wir haben die Betreuungsangebote verbessert. Es gibt mehr Ganztagsangebote. G 8 und G 9 habe ich erwähnt.
Außerdem – das ist eines unserer Kernanliegen – wollen wir die Organisationsform der Schulen so gestalten, dass eben die Bedürfnisse, von denen ich gerade gesprochen habe und die in Hessen ganz unterschiedlich sein können, vor Ort besser befriedigt werden können. Das ist die selbstständige Schule. In diesem Zusammenhang höre ich vom Kollegen Wagner von den GRÜNEN häufig, all das gehe ihm nicht schnell genug.
Wissen Sie – das ist jetzt auch an die GRÜNEN gerichtet –, ich glaube, der größte Fehler wäre, Projekte, die die Verwaltung in Hessen vom Kopf auf die Füße stellen und die es so noch nie gegeben hat, mit Hektik und unter Zeitdruck durchzuführen. Hier bewährt sich Sorgfalt vor Schnelligkeit. Hier muss jeder Schritt überdacht werden, und trotzdem müssen die Schritte gemacht werden. Dorothea Henzler, unsere Kultusministerin, betreibt das mit Ruhe und Sorgfalt, ohne Schulen, Schüler und Lehrer zu überfordern. Das ist der richtige Weg.
Ich sage Ihnen: Wir schaffen die selbstständige Schule deshalb, weil wir wollen, dass die Verantwortung dort gebündelt wird, wohin sie gehört. Es ist nicht die Aufgabe von Staatlichen Schulämtern und Ministerien, den Menschen vor Ort – z.B.in Oberkaufungen,wo ich zur Grundschule gegangen bin – Vorschriften zu machen, wie sie die Schule organisieren. Wenn die Gemeinschaft aus Schülern, Eltern und Lehrern dort einen anderen Schritt gehen, zu anderen Organisationsformen finden und sich auch, was das Schulumfeld betrifft, anders organisieren möchte, müssen wir ihr diese Freiheiten geben. Deshalb glaube ich, dass die 105-prozentige Versorgung mit Lehrern das richtige Ziel ist, das wir anpeilen.
Herr Kollege Al-Wazir, das ist der richtige Weg, weil wir damit die Schulen überhaupt erst in die Lage versetzen, das zu machen. Genauso verhält es sich mit dem Thema „Schulbudget und selbstständige Schule“. Das sind die Voraussetzungen, die man braucht, um die Schule in die Verantwortung zu entlassen und ihr die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu organisieren.Wenn wir das in Hessen in den nächsten Jahren hinbekommen werden, haben wir einen Paradigmenwechsel geschafft, der dafür sorgen wird,dass sich die Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler, aber auch die Rahmenbedingungen für Eltern und Lehrer fundamental verbessert haben werden. Deshalb machen wir das.
Daher muss als Überschrift über unserer Schulpolitik, aber auch über anderen Bereichen unserer Politik stehen, dass wir uns den Herausforderungen unserer Zeit ohne Ideologie stellen. So haben wir es – darüber werden wir noch in dieser Woche diskutieren – im Schulsektor z. B. geschafft, dass Kinder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Hessen eine Schule besuchen können. Das ist auch ein Verdienst dieser Landesregierung.
Aber es ist genauso richtig, dass es den Fraktionen gemeinsam gelungen ist, die Zukunft von Haupt- und Realschule neu zu organisieren. Wir haben das hier im Rahmen einer sehr intensiven Schuldebatte zustande gebracht. Haupt- und Realschule werden in Hessen in Zukunft eine Mittelstufenschule bilden – jedenfalls wenn die Schulen diesen Weg gehen wollen. Es gibt für die Schülerinnen und Schüler einen Eingang in diese Mittelstufenschule, aber zwei Ausgänge. Das zeigt, dass wir uns den Bedürfnissen der Menschen vor Ort anpassen wollen. Wenn Hauptschulen nur noch als Restschulen betrachtet werden – was ich sehr bedauere, was in vielen Teilen des Landes aber der Fall ist –, müssen wir reagieren. Das haben wir getan. Mit dem neuen Schulgesetz werden wir das regeln.
Dieselbe Grundphilosophie gilt für die Bildungsstandards. Wir wollen im Rahmen der Bildungsstandards gewährleisten, dass die Kinder mehr Freiheit bekommen, wie sie ihr Lernverhalten organisieren und die Lerninhalte letztendlich aufnehmen.Wir geben nicht mehr strikt vor, sondern wir setzen Rahmen, innerhalb deren sich die Schule bewegen kann. Auch das ist ein Paradigmenwechsel, der aus meiner Sicht völlig richtig ist.
Genauso richtig ist es, dass wir die Schule professionalisieren. Die Führungsakademie für Lehrerinnen und Lehrer ist ein Schritt in die Richtung, dass Lehrerinnen und Lehrer, die in einer Schule die Leitungsfunktion innehaben – die viel komplexer ist, als wir das im Hessischen Landtag manchmal diskutieren –, professionalisiert werden. Auch das, nämlich die Tatsache, dass wir diesen Bereich professionalisieren, zeigt, dass wir die Schule als Partner begreifen.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben die Einladung ausgesprochen, im Hessischen Landtag gemeinsam über Ihren Entwurf zu diskutieren.Aber ich sage auch,Ihr Entwurf muss sich an die Realitäten anpassen. Ich schlage kein Gesprächsangebot Ihrerseits aus, sage aber auch, dass Sie in Ihrem Entwurf die unzähligen Initiativen dieser Landesregierung und der beiden Fraktionen, die
schon unternommen worden sind, berücksichtigen müssen. Das ist viel mehr, als Sie gerade öffentlich behauptet haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Schäfer-Gümbel hat auf das Thema Wirtschaftspolitik besonderen Wert gelegt. Er hat den Herrn Wirtschaftsminister gelobt, und das kann man auch so stehen lassen. Da hatte er absolut recht.
Schade, dass Sie immer gleich in die alten Reflexe verfallen. Das muss man doch einmal so stehen lassen.
Herr Kaufmann, ich will es Ihnen erklären: Der Herr Ministerpräsident hat uns gebeten, dass wir versuchen, nicht mehr in die alten Rollen zurückzufallen.Ich gebe zu, wir haben nie wirklich erwartet, dass Sie das schaffen. Aber vielleicht geben Sie sich noch einmal einen Ruck und versuchen, uns in diesem Haus zu überraschen.
Ich gebe zu, der Frank-Peter Kaufmann, den wir hier kennen, ist mittlerweile sehr vorhersehbar. Nächstes Mal haben Sie die Möglichkeit, uns zu überraschen. Ich glaube, Sie würden sich den Applaus des Hauses verdienen.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik ist eines der zentralen Felder,die wir in unserem Bundesland brauchen, um all das zu finanzieren, worüber ich gerade gesprochen habe. Eine aktive Bürgerschaft, eine tolle Bildungspolitik,eine interessante,richtig geschneiderte Sozialpolitik, die wirklich Bedürftigen hilft – all das hat irgendwo eine Ursache. Das hat die Ursache bei Menschen und Unternehmen,bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie bei Arbeitgebern, die ihre Steuern zahlen, die in der Lage sind, Ideen zu haben, sich gelegentlich auch mit Kapital am Kapitalmarkt selbst zu verschulden, um eine Firma an den Markt zu bringen. Frau Kollegin Schulz-Asche, die gehen teilweise sehr viel mehr Risiko als mancher Abgeordneter ein, der hier nur durch Zwischenrufe glänzt. Das glaube ich schon.