Die spannende Frage ist allerdings,was das in der Realität bedeutet. Denn was nicht geht, ist, hier hehre Worte zu finden und dann, wenn es in Regionalversammlungen, in Regierungspräsidien um die Regionalpläne oder vor Ort um die Entscheidung geht, wieder auf der anderen Seite der Barrikade zu stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, das werden wir uns sehr genau anschauen.
Zweiter Punkt. Ich finde es sehr spannend, dass Sie gesagt haben, dass Wasserkraft und Geothermie eine geringe Rolle spielen werden. Sie haben die Windkraft nicht genannt. Auch da werden wir sehr genau hinschauen, was das in der Realität bedeutet, wenn wir über Gebiete reden, welche Prozentsätze vorgegeben werden, welche Gebiete vorgegeben werden, wie sich die der Union und der FDP angehörenden Regierungspräsidenten verhalten, wie es in der Regionalversammlung aussieht. Da werden wir sehr genau hinschauen.
Jetzt zu den Sachen, die ein bisschen schwieriger werden. Sie haben richtigerweise den Netzausbau angesprochen. Wir haben im Jahr 2007 über ein Erdkabelgesetz geredet. Die, die es abgelehnt haben, sind die, die damals und auch jetzt die Mehrheit haben. Wir werden uns über die Frage auseinandersetzen müssen, was wir alle miteinander dazu beitragen können, dass der notwendige Netzausbau vorgenommen wird, und zwar bei größtmöglicher Akzeptanz der Bevölkerung. Frau Puttrich, da werden wir viel zu tun haben.
Jetzt komme ich zu den Sachen, die richtig ärgerlich sind: Zu den entscheidenden Fragen des Atomgesetzes haben Sie nichts gesagt. Frau Puttrich, Sie sind nicht nur die Ministerin. Sie sind nicht nur von CDU und FDP benannt. Sie sind auch die Chefin der Atomaufsicht in Hessen.
Die erste Frage, die sich sehr schnell stellen wird, ist die Frage: Sind Sie der Meinung, dass bei einer Verlängerung der Laufzeiten um acht Jahre und damit einem mindestens acht Jahre längeren Fortbestand der Atomabteilung in Ihrem Ministerium keine Zusatzbelastung des Landes Hessen erfolgt? Bei der Frage, ob der Bundesrat zustimmungspflichtig ist oder nicht, handelt es sich um eine sehr spannende Frage. Frau Puttrich, darauf wollen wir von Ihnen Antworten hören.
Ich finde es sehr schön, dass Sie gesagt haben, Sicherheit sei nicht verhandelbar.Die spannende Frage ist aber,Frau Puttrich: Ihr damaliger Kollege in der CDU/CSUBundestagsfraktion und Bundesumweltminister hat vor zwei Wochen richtigerweise gesagt: Es kann nicht sein, dass wir ohne Nachrüstung die Laufzeiten von Kraftwerken verlängern, die noch nicht einmal einem Aufprall eines A 320 standhalten. – Da hat Herr Röttgen recht.
Die spannende Frage ist: Was sagt eigentlich die Chefin der Atomaufsicht dazu, welche Nachrüstungsbedingungen bei Biblis herrschen, wenn Sie die Laufzeiten verlängern wollen?
Werden wir über die Frage reden, ob 60 cm Hülle ausreichen? Ich bin gespannt, was Ihre Haltung dazu ist. Zur Frage der externen Notstandswarte: Warum ist denn am Ende darauf verzichtet worden, dass die noch nachträglich eingebaut wird? Weil im Jahr 2000 ein Atomkonsens verhandelt wurde, der besagt hat, Biblis A und B werden bald abgeschaltet.
(Florian Rentsch (FDP): Da fliegen keine Flugzeuge durch die Luft! Was für eine lächerliche Argumentation!)
Kollege Rentsch, die externe Notstandswarte – Sie kennen sich da nicht so aus – hat nicht nur etwas mit Flugzeugabstürzen zu tun, sondern auch mit Störfällen, die in der Anlage passieren.
Ich komme zum Schluss. – Frau Puttrich, werden Sie als verantwortliche Ministerin und als Chefin der Atomaufsicht in Hessen dafür sorgen, dass diese Nachrüstung jetzt passiert, oder nicht? Wenn nein, werden Sie sich gegen eine Verlängerung der Laufzeiten von Biblis A und B wenden?
Frau Ministerin, diese Frage werden Sie beantworten müssen. Deswegen kann ich Ihnen nur raten – Herr Präsident, letzter Satz –: Wenn Sie sagen, Sicherheit ist nicht verhandelbar, und sich die momentane Debatte betrachten und das wirklich ernst meinen, dann werden Sie sich am Ende auch gegen diesen Kniefall vor der Atomlobby wenden müssen, den die von Ihnen getragene Bundesregierung am Sonntag vollführt hat. Wir sind gespannt auf die nächsten 92 Tage, wenn es um die Formulierungen im Atomgesetz geht, ob dann immer noch gilt: Sicherheit ist nicht verhandelbar. – Vielen Dank.
Schönen Dank. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Fraktionsvorsitzende, Herr Wagner. Bitte schön. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat in seiner Regierungserklärung sehr demonstrativ und mit großer öffentlicher Beeindruckung festgestellt, dass wir uns alle miteinander darum bemühen wollen, künftig das Sachargument vor die Polemik zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich stelle allerdings fest, es bedarf beider Seiten, dass das hier auch zur Praxis wird. Es bedarf nicht nur des Angebots und des guten Willens unsererseits, sondern auch des entsprechenden Echos.
Ich will Herrn Schäfer-Gümbel Folgendes sagen.Hier tritt nach acht Tagen Amtszeit zum ersten Mal eine junge Landesministerin auf. Es ist ein parlamentarischer Brauch, dass man ihr Gelegenheit gibt, ihre Argumente ohne Unterbrechung und Schreierei vorzutragen, damit Sie sie verinnerlichen und sich dann mit ihnen auseinanderzusetzen können.
Ich finde es einen ganz schlechten parlamentarischen Stil, insbesondere von der SPD – das ist mir besonders aufgefallen; da gab es innerhalb der Opposition unterschiedliche Stilformen –, dass Sie in dieser Art und Weise bei der
ersten Rede einer Ministerin hier jegliche parlamentarische Fairness und Höflichkeit vermissen lassen.
Ich will in dem Zusammenhang gleich Folgendes sagen: Wir haben zum Glück unterschiedliche Konzepte; aber das Geschäft des politischen Gegners hier als „schmutziges Geschäft“ zu diffamieren, ist auch unparlamentarisch und schadet dem Ansehen der gesamten Politik, leider nicht nur Ihrem Ansehen, sondern auch dem Ansehen aller Politiker in diesem Hause. Deshalb verwahre ich mich gegen diese Beleidigungen des Parlamentarismus und des Politikers.
Drittens. Herr Schäfer-Gümbel, was Sie im Hinblick auf die Feststellung der Ministerin gesagt haben, dass sie auf dem Boden des Koalitionsvertrags steht,war auch nicht in Ordnung.
Halt, warten Sie doch bitte einmal, Herr Rudolph. Hören Sie zu,und dann setzen Sie sich damit gern einmal auseinander, aber nicht erst schreien und dann denken. So geht das hier wirklich nicht.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Rudolph (SPD): Der Koalitionsvertrag ist kein Rechtsurteil!)
Es ist ausdrücklich so, dass sich die von Ihnen angesprochene Sicherheit, die auch im Rahmen der Atomaufsicht zu beachten ist, und die politische Verantwortung innerhalb einer Koalition gegenüber einer politischen Verabredung nicht ausschließen. Herr Schäfer-Gümbel, das, was Sie hier konstruiert haben, ist jenseits jeglicher Realität.
Dann lassen Sie mich bitte Folgendes zur Sicherheit sagen.Ich will Ihnen zunächst einmal etwas aus dem vor wenigen Tagen beschlossenen Konzept vortragen. Da steht wortwörtlich – damit Sie das einfach einmal als Faktum zur Kenntnis nehmen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt –:
Darüber hinaus werden die Regelungen über Sicherheitsanforderungen an die deutschen Kernkraftwerke im Rahmen einer 12. Atomgesetz-Novelle erweitert und auf technisch höchstem Niveau fortgeschrieben.
Nehmen Sie das bitte einfach zur Kenntnis. Das ist Bestandteil der politischen Verabredung in Berlin,und es gehört deshalb auch als Faktum zur gesamten Diskussion.
Meine Damen und Herren, ich bin noch immer bei der Sicherheit. Der damalige Landesumweltminister Karlheinz Weimar hat im Jahre 1991 am Ende seiner Amtszeit 55 Sicherheitsauflagen für Biblis vorgesehen gehabt. Von diesen 55 Sicherheitsauflagen sind in der rot-grünen Regierungszeit von 1991 bis 1999 gerade neun umgesetzt worden. Meine Damen und Herren, wo ist da Ihr Sicherheitsbedürfnis gewesen?
Viertens. Der Landesumweltminister Dietzel hat dann in den Jahren 1999 ff.82 Sicherheitsauflagen angeordnet und
umgesetzt mit der Folge, dass in Biblis für 1,2 Milliarden c zusätzliche Sicherheit geschaffen wurde und dass die Sicherheit von Biblis heute den Standards der Internationalen Atomenergiebehörde entspricht. Auch das ist die ganze Wahrheit, wenn Sie hier immer so die Sicherheit nach vorne rücken.