Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das Problem ist, dass viele Unternehmen Geld genug haben, Politikern lukrative Jobangebote zu machen. Das können andere gesellschaftliche Gruppen nicht. Das kann die Erwerbsloseninitiative nicht, das kann die Umweltgruppe nicht. Deswegen unterstützen wir die Forderung von Transparency International, dass es eine dreijährige Karenzzeit zwischen dem Ausscheiden aus einem Regierungsamt und dem Wechsel in die Wirtschaft geben muss, wenn ein Zusammenhang zur vorherigen Tätigkeit besteht, und das vor allem auch bei Unternehmen, die in großem Umfang staatliche Hilfen oder aber auch öffentliche Aufträge erhalten haben, damit nicht der Eindruck entstehen kann,

(Judith Lannert (CDU): Die Redezeit ist zu Ende!)

dass durch lukrative Posten etwas belohnt wird, was in der Regierungszeit politisch umgesetzt wurde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Nächster Redner, Herr Kollege Beuth für die CDU-Fraktion.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie haben es schwer, Herr Beuth!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, Sie haben das getan, was man erwarten durfte. Sie haben mit Begrifflichkeiten wie „anrüchig“, „Geschmäckle“, „Täuschung“, „unappetitlich“, „schwarze Kassen“, „von Skandal zu Skandal“ Ihr Süppchen gerührt, was wir den ganzen Morgen bereits beklagen müssen. Sie beschäftigten sich nicht mit der Sache, sondern Sie beschäftigen sich immer nur mit solchen Fragen. Sie schaden mit solchen Reden dem Ansehen der Politik – und nicht diejenigen, denen Sie in der Debatte Vorwürfe gemacht haben.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Vorwürfe, die Sie hier gemacht haben, sind doch im Übrigen nicht ernst zu nehmen. Lassen Sie mich aber vorneweg wenigstens noch einen Punkt zum Stil sagen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dafür sind Sie zuständig!)

Die Veranstaltung zum Abschied des Ministerpräsidenten, der diesem Land elf Jahre gedient hat,

(Janine Wissler (DIE LINKE): War sehr stilvoll!)

war erstens, Frau Kollegin Wissler, sehr stilvoll. Nach elf Jahren ist es auch angemessen, dass sich eine große Zahl von Menschen von dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen, einem bedeutenden Land in der Bundesrepublik Deutschland, verabschieden will.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nachdem er gesagt hatte, er bleibt fünf Jahre!)

Wenn man davon ausgeht, dass über 2.000 Gäste kommen wollten, um sich bei dem Ministerpräsidenten dieses Landes für seine Arbeit zu bedanken, dann war der Empfang angemessen, ich möchte sogar sagen, eher bescheiden und nicht das, was Sie gerade glauben machen wollten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Machen Sie nur so weiter, Herr Beuth!)

Frau Kollegin Wissler, Stilfragen sind nicht Ihre Sache. Ich erinnere an die Verabschiedung des Ministerpräsidenten dieses Landes in diesem Plenarsaal. Als der Ministerpräsident nach elf Jahren vor die Abgeordneten des Hessischen Landtags getreten ist und sich, wie ich finde, sehr angemessen verabschiedet hat, hätte es sich gehört, dass die Abgeordneten dieses Hauses auch dankbar für die Leistungen dieses Ministerpräsidenten sind. Auch wenn es in der Sache an vielen Stellen unterschiedliche Auffassungen gegeben hat, ist doch unbestreitbar, dass sich Mi

nisterpräsident Roland Koch für dieses Land sehr verdient gemacht hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Für die CDU, aber nicht für das Land!)

Frau Kollegin Wissler, dass Sie und Ihre Genossinnen und Genossen noch nicht einmal in der Lage waren, sich diesem Dank mit Beifall anzuschließen, das kennzeichnet den Stil, den Sie in diesem Hause pflegen: unerträglich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will mich an dem Antrag der Linksfraktion abarbeiten. Ja, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie schreiben: „Politik darf nicht käuflich sein.“ Sie insinuieren mit diesem Antrag, und Sie haben in Ihrer Rede auch deutlich gesagt, dass Sie der Auffassung sind, dass das gerade in den Beispielfällen Roland Koch, Silke Lautenschläger haben Sie noch hineingenommen, und Volker Hoff haben Sie erwähnt,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Und andere!)

anders gewesen sei. Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion stelle ich hier ganz deutlich fest, dass wir diesen unerträglichen Vorwurf zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Ist das alles?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Vorwurf ist unerträglich und unerhört.

Sie beschreiben, dass hier ein Verdacht entstehen könne. Nein, meine Damen und Herren, ein Verdacht der Verquickung der Interessen entsteht nicht. Vielmehr ist es richtig, dass der von Ihnen geschürte Verdacht zu der Verdrossenheit führt, die Sie selbst vorhin am Rednerpult beklagt haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist unglaublich!)

Frau Kollegin Fuhrmann, ich versuche es in aller Ruhe und Freundlichkeit vorzutragen.

Der Haushaltsausschuss dieses Landtags hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Dort sind doch die Fragen gestellt und beantwortet worden. Von den Abgeordneten im Haushaltsausschuss gab es zu der Frage von Verquickungen überhaupt keine Nachfrage. Damit ist das Thema abgeräumt. Es wird deutlich, dass Sie hier nur einen Popanz aufbauen und nicht an der Sache interessiert sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Sagen Sie etwas zur Karenzzeit!)

Ja, ich komme jetzt zu der Frage der Karenzzeiten. – Ich will vorneweg aber noch eines deutlich machen. Wir haben in unserem System nicht vorgesehen, dass diejenigen, die im Landtag oder in der Regierung dienen, dann, wenn sie ausscheiden, für den Rest des Lebens versorgt sind. Auch wenn andere immer anderes erklären – so weit geht es nicht. Wir können natürlich weder als Abgeordnete noch als Regierungsmitglieder mit einem Berufsverbot leben, was Sie uns hier als Lösung anbieten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das gibt es in jeder Firma! – Gegenruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn: Gegen Geld!)

Wir unterliegen in der Regel oder häufig nicht öffentlicher oder gewerkschaftlicher Alimentation, sondern wir müssen auch nach der Politik noch mit unserer Hände Arbeit unser Geld verdienen können. Deswegen dient das, was Sie hier machen, auch nicht dem freien Mandat. Das will ich hier noch einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wenn Sie es denn konsequent durchdenken: Wer wollte denn diese Karenzzeit von drei Jahren bezahlen? Sie haben doch gerade eben an diesem Rednerpult erklärt, dass der Ministerpräsident noch nicht einmal seine Geschäfte abwickeln darf und dafür ein bescheidenes Büro bekommen darf. Dann sind Sie doch die Letzte, die bereit wäre, für ehemalige Regierungsmitglieder oder ehemalige Abgeordnete drei Jahre die Diäten zu bezahlen. Wollen Sie Politiker drei Jahre auf Kosten öffentlicher Mittel spazieren gehen schicken? Nein, meine Damen und Herren, das wollen Sie natürlich nicht, und wir wollen es auch nicht, sondern wir wollen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern die Möglichkeit geben, dass sie nach ihrer politischen Tätigkeit auch tatsächlich wieder ihrem Beruf nachgehen können.

Meine Damen und Herren, zu dem unabhängigen Ethik rat, den Sie vorschlagen, will ich nur deutlich sagen: Wir wollen eher keine Räte, wir wollen lieber Parlamente, wir wollen lieber Demokratie. Lassen Sie uns solche Vorgänge doch im Hessischen Landtag in aller Seelenruhe miteinander besprechen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich finde, dass der Austausch von Wirtschaft und Politik eher hilft, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, was an vielen Stellen nicht gegeben ist. Zusammenhänge, Abläufe und Verfahren sind in den unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und der Politik völlig anders. Deswegen hilft es eher, wenn es hier einen Austausch gibt, und man kann eher beklagen, dass es zu wenig als zu viel Austausch gibt. Auch das will ich hier für die CDU-Fraktion deutlich machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Kollegin Wissler, Ihr Interesse, auch mit diesem Antrag, ist es, kübelweise Dreck zu werfen, um dafür Sorge zu tragen, dass möglichst irgendetwas hängen bleibt. Neid, Missgunst, Hetze, ja, ich sage sogar, Ihr Hass sind der Nährboden dieser Debatte und nicht die Sache.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Da geht es um die Revanche, wahrscheinlich für die eine oder andere im Plenarsaal verlorene Debatte. Ja, es ist der mangelnde Respekt gegenüber den Personen, die diesen Staat tragen, der Sie an dieses Rednerpult getrieben hat und diese Rede hat halten lassen. Ihr Antrag ist eine unerträgliche Heuchelei.

Ich stelle fest: Wir als CDU-Fraktion sind stolz darauf, dass Persönlichkeiten aus unseren Reihen in der freien Wirtschaft angesehen sind. Wir sind stolz darauf, dass sie wegen ihrer Kompetenz geschätzt und auch verpflichtet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Beuth. – Das Wort hat Frau Kollegin Müller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir sind ein bisschen enttäuscht, dass DIE LINKE sich mit ihrem Antrag nur auf Herrn Koch konzentriert und ihm dadurch heute noch einmal eine so große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Auch wir würden gerne noch ernsthaft über das Thema reden. Es ist nämlich nicht ganz so leicht; wir haben es in den verschiedenen Wortbeiträgen schon gehört. Deswegen wäre unsere Bitte, heute nicht den Entschließungsantrag zu verabschieden, sondern noch einmal in aller Differenziertheit und im Dialog im Ausschuss darüber zu reden und dann erst abzustimmen. Ansonsten würden wir uns heute enthalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Antrag enthält einiges Richtiges. Abs. 3 und 4 sind von Transparency International übernommen; auch das unterstützen wir. Aber eine differenziertere Diskussion im Ausschuss wäre notwendig.

Ich will jetzt auf Herrn Koch eingehen, der Anlass dieses Antrags war, wie wir deutlich gehört haben. Dass er sich kurz nach seinem Ausscheiden einen anderen Job sucht, ist von keinem zu kritisieren; dass er in die Wirtschaft geht, im Prinzip auch nicht. Aber wo ein Geschmäckle aufkommt, ist die Frage, ob er aus der Regierungsverantwortung in die Wirtschaft wechselt und dort ein Zusammenhang mit seiner vorherigen Tätigkeit besteht.

Da finden wir es schon bedauerlich, dass erst die Oppositionsfraktionen im Ausschuss nachfragen müssen, wie die Kriterien waren, wie transparent es war und ob ein Zusammenhang besteht oder nicht. Da hätten wir uns gewünscht, dass Herr Koch das vorher offengelegt hätte; dann wäre es auch für viele verständlicher gewesen. Er hat noch kurz vor seinem Abgang in allen Tages- und Wochenzeitungen gesagt, dass er ungerecht behandelt worden sei, weil er unverdient in die Schwarzgeldaffäre hineingezogen worden sei.