Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Greilich, ich darf mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen unserer Arbeitsgruppe Datenschutz sehr herzlich bedanken, aber insbesondere auch bei den Referentinnen und Referenten, weil die für uns herausragende Arbeit geleistet haben. Ich denke, das sollte man an der Stelle schon einmal erwähnen.

(Beifall)

Jetzt ist Schluss mit den Nettigkeiten.

(Zurufe von der CDU: Uiuiui! – Peter Beuth (CDU): Wir zittern schon! – Zuruf des Abg. Thors ten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie sind ja noch wach. Ich glaube, dass man auch auf die Punkte eingehen muss, lieber Kollege Peter Beuth, die Herr Prof. Ronellenfitsch im 38. Datenschutzbericht zu Recht kritisch angesprochen hat.

Sie haben es sehr herrlich pointiert und unterhaltsam gemacht. Sie haben es der Politik überlassen, dies zu bewerten. Das werde ich auch tun. Sie haben sieben Punkte angesprochen. Ihre magische Zahl war heute 7. Ich glaube, ich habe fünf herausgegriffen, um auf sie im Einzelnen einzugehen.

Der Dauerbrenner HSOG. Meine Damen und Herren, das hessische Polizeirecht hat leider noch immer Regelungen, die schlicht verfassungswidrig sind. Es gehört an einem solchen Tag auch dazu, dass man die hier benennt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Herr Prof. Ronellenfitsch, ich habe sehr viel Verständnis dafür, dass Sie es nicht in dieser Deutlichkeit machen können. Aber wir als Politiker können das tun. Herr Kollege Greilich, die neue Regelung zur Kennzeichenerfassung, die Sie hier so gepriesen haben, wird gerade beklagt.

(Minister Boris Rhein: Jeder kann klagen! – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Lieber Innenminister, ich bin sehr sicher, dass Ihre Regelung dabei durchfallen und für verfassungswidrig erklärt wird.

(Beifall bei der SPD – Minister Boris Rhein: Da la- che ich mich kaputt! – Peter Beuth (CDU): Das ist am Ende eine Rechtsfrage!)

Herr Prof. Ronellenfitsch hat den Vertrauensschutz der Berufsgeheimnisträger angesprochen, der in § 12 HSOG neu geregelt wurde. Das hessische Gesetz hat andere Regelungen bezüglich der Berufsgeheimnisträger als die Strafprozessordnung. Die Regelung im § 12 HSOG ist für

uns nicht nachvollziehbar. Wir können sie nicht verstehen und halten sie auch für verfassungswidrig. Was ist der Unterschied zwischen den Geheimnissen, die man einem Psychiater und die man einem Anwalt anvertraut? Da nehme ich gerade meine Berufsgruppe als gutes Beispiel. Es wurde ausgeschlossen, dass der besondere Geheimnisschutz auch für das Anvertrauen von Geheimnissen bei Psychiatern gilt. Das finden wir nicht nachvollziehbar. Auch da werden wir nachhaken und es gegebenenfalls überprüfen lassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Barbara Cárde- nas (DIE LINKE))

Auch den erweiterten Einsatz der Videoüberwachung sieht der Datenschutzbeauftragte sehr kritisch. Seine Ausführungen zur Transparenz wurden glücklicherweise mit in das Gesetz aufgenommen. Dennoch bleiben Zweifel daran übrig. Auch die Videotechnik zur Verkehrsüberwachung, die Quellen-TKÜ, also Telekommunikationsüberwachung, und die Rasterfahndung werden als Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung gesehen, die besonderen verfassungsrechtlichen Schranken unterliegen. Meine Damen und Herren, hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Diesen wird die SPD-Fraktion auch einfordern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kollegin Enslin hat es zu Recht angesprochen: Insbesondere mit den Krankendaten gibt es nach wie vor große Probleme. Ich glaube, in dem Bereich brauchen wir die notwendige Sensibilität. Der Datenschutzbeauftragte hat es angesprochen: Das gilt insbesondere bei den medizinischen Versorgungszentren. Stellen Sie sich vor, Sie gehen als Patient neuerdings in medizinische Versorgungszentren, die es jetzt überall, gerade im ländlichen Bereich, gibt. Dort werden viele ärztliche Fachpraxen zusammengezogen. Diese Daten werden dort in Computer eingegeben, und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in diesen Praxen arbeiten, haben Zugriff. Da muss man sich sehr wohl überlegen, wie man da einen besonderen Schutz installieren kann. Auch deshalb ist Ihre Arbeit so wichtig, auf solche Probleme hinzuweisen.

Der Datenschutzbeauftragte hat darauf hingewiesen, was die Voraussetzungen dafür sind. Sie haben sehr dezidiert eingefordert, dass das Einwilligungs- und Widerspruchsrecht des Patienten hinreichend geregelt sein muss, dass mehr Transparenz für den Patienten hergestellt wird, dass eine Differenzierung der Zugriffsrechte erfolgt – denn nicht alle müssen auf alles zugreifen – und dass Maßnahmen zur Revisionssicherheit geleistet werden. Man muss schon manchmal darüber nachdenken, ob eine technische Alternative zu einer Papiereinwilligung und Rechtssicherheit gewährleistet werden können.

Der Hessische Datenschutzbeauftragte hat dies alles gemeinsam mit den Regierungspräsidien, mit den Krankenversicherungen und den Landesärztekammern besprochen und ein Konzept erarbeitet. Dafür sind wir Ihnen sehr, sehr dankbar und glauben, dass das ein wertvoller Hinweis für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen ist.

Frau Kollegin Enslin hat es auch schon angesprochen: Der Datenschutzbeauftragte hat in den Kapiteln 4.8.3 und 4.8.4 die Landesverwaltung aufgefordert, den Einsatz von SAP R/3 datenschutzgerecht zu gestalten. Dazu gehöre die Umsetzung der gesetzlichen Löschfristen ebenso wie die technische Sicherstellung, dass nur im Umfang der erteilten Berechtigungen auf die Personaldaten zugegriffen werden kann.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich weise darauf hin, dass es noch ein paar Punkte gibt, die wir sehr aufmerksam werden beobachten müssen. Herr Prof. Ronellenfitsch, Sie haben glücklicherweise darauf hingewiesen. Es ist unsere Aufgabe, sie politisch aufzugreifen. Es ist auch unsere Aufgabe, im Parlament Ihre wertvolle Aufgabe umzusetzen und die entsprechenden Regelungen von dieser Landesregierung einzufordern. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Innenminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Ronellenfitsch, es ist eine gute Tradition, aber ich mache es auch, weil ich es wirklich so empfinde: Ich möchte Ihnen und Ihren Mitarbeitern ein ganz herzliches Dankeschön im Namen der Landesregierung für die gute und sehr konstruktive Zusammenarbeit sagen, die zwischen Ihrem Haus und der Landesregierung besteht. – Was man aus diesem sehr konstruktiv-harmonischen Verhältnis nicht schließen sollte und darf, ist, dass es eine unkritische Haltung des Hessischen Datenschutzbeauftragten gegenüber den Projekten der Landesregierung gebe. Das kann man nicht sagen, das soll auch nicht so sein. Das ist auch nicht der Sinn dieser Einrichtung.

Es gab vielmehr im Berichtszeitraum einige Themen, die der Hessische Datenschutzbeauftragte sehr kritisch begleitet hat. Ich muss in Parenthese hinzufügen: Ich finde es auch gut, dass das so ist.

Die Landesregierung verfolgt nicht nur das Ziel, die Anforderungen des Datenschutzes in allen Bereichen zu erfüllen, sondern wir sind darüber hinaus auch bestrebt, Einvernehmen mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten in den diskutierten datenschutzrechtlichen Fragen zu erreichen.

Herr Prof. Ronellenfitsch, Sie und Ihre Behörde sind für uns nicht nur ein Mahner und ein Warner – das sind Sie auch –, wir empfinden Sie als einen sehr wichtigen Ratund Hinweisgeber in Sachen Datenschutz, als einen Experten, der uns darauf hinweist, wenn einmal etwas nicht so ist, wie es sein sollte.

Ich denke, unser Bericht macht sehr deutlich, dass wir sofort reagieren und versuchen, die Dinge so schnell wie möglich zu regeln. Das, was Frau Enslin angesprochen hat, sind Dinge, die manchmal in der Verwaltung ihren längeren Lauf und ihren längeren Weg haben. Ich bedauere das, manchmal könnte es schneller gehen. Aber am Ende ist es so, dass wir es geregelt haben.

Genauso war das auch bei einem Thema, das für einen Innenminister von besonderer Bedeutung ist. Frau Kollegin Faeser hat darauf hingewiesen. Ich spreche natürlich vom Einsatz der automatischen Kennzeichenlesegeräte, deren gesetzliche Verankerung im damaligen HSOG in § 14 Abs. 5 das Bundesverfassungsgericht im März 2008 aufgehoben hat, weil es an einer hinreichend klaren Be

stimmung des Anlasses und des Verwendungszwecks der automatisierten Erhebung gefehlt hat. Ich will das ganz klar sagen: Kennzeichenlesegeräte sind ein unverzichtbares Instrumentarium im Kampf gegen die Kriminalität.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Deswegen ist es für uns besonders wichtig gewesen, in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten eine lupenreine und eine den Buchstaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Regelung zu finden. Diese Regelung, der neue § 14a HSOG, ist seit Ende 2009 in Kraft. Er setzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 : 1 und Wort für Wort um. Frau Kollegin Faeser, deswegen sind diese Geräte zur Schaffung von mehr Sicherheit in Hessen seit dem 01.01.2011 glücklicherweise wieder im Einsatz.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Wolfgang Grei- lich (FDP))

Sehr verehrte Kollegin, bei aller Sympathie und bei allem Respekt, über den Einsatz und die Rechtsgrundlage dieser Geräte ist sehr viel Unsinn geredet worden. Fakt ist: Sowohl der Einsatz als auch die Rechtsgrundlage für den Einsatz sind verfassungsgemäß. Jetzt haben Sie einen sogenannten Experten herangezogen, ich glaube, Herrn Dr. Dr. Pausch. Bei Herrn Dr. Dr. Pausch, der unsere Rechtsgrundlage als verfassungsmäßig nicht haltbar dargestellt hat, muss man eines wissen: Er ist der Vorsitzende der Sozialdemokraten in der Polizei. – So viel zur Parteilichkeit und Unparteilichkeit der Experten.

Frau Kollegin Faeser, ob das jemand beklagt hat oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Wir sind in einem Rechtstaat, da kann jeder jede Regelung jederzeit beklagen. Das ist gut so. Das wünschen wir uns so. Am Ende ist es aber so, wie Herr Kollege Beuth gesagt hat, es handelt sich um eine Rechtsfrage und nicht um eine Nancy-Faeser-Meinungsfrage, was verfassungsgemäß ist und was nicht.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Die Kennzeichenlesegeräte werden in Hessen nicht flächendeckend eingesetzt. Kennzeichenlesegeräte werden in Hessen nicht dauerhaft eingesetzt. Sie erzeugen keine Bewegungsbilder, und sie werden nicht längerfristig, sondern punktuell und lagebezogen eingesetzt. Es werden nicht massenweise Autokennzeichen gespeichert. Es werden auch keine – wie Sie wider besseres Wissen in einer Pressemitteilung erklärt haben; darüber habe ich mich sehr geärgert; am schönsten an den Pressemitteilungen, die Ihr Haus verlassen, sind die Bilder, die Sie von sich einstellen –

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Bilder von Fahrzeuginsassen, auch wenn Sie im Auto säßen, Frau Kollegin Faeser, angefertigt. Das Gerät ist technisch überhaupt nicht in der Lage, solche Bilder anzufertigen. Es hat noch nicht einmal einen Lichtblitz, mit dem man die Fahrzeuginnenausstattung aufhellen könnte. Das Gerät – das muss man eben zur Funktionsweise dieses Geräts wissen – erfasst für den Bruchteil einer Sekunde das Kennzeichen, gleicht es mit dem Fahndungsbestand ab und löscht die Information im selben Moment aus; es sei denn, es ist ein Treffer erfolgt, weil jemand zur Fahndung ausgeschrieben ist oder weil gegen jemanden ein Haftbefehl vorliegt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Hervorragendes Gerät!)

In so einem Fall muss ich ganz ehrlich sagen: So muss es auch sein, und so ist es auch richtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Also das war wieder einmal ein Sturm im Wasserglas, den ich nicht nachvollziehen kann. Jetzt will ich einmal ungefähr das wiedergeben, was Herr Prof. Ronellenfitsch im Innenausschuss gesagt hat: Ich frage Sie schon: Welche andere Funktion als die, erfasst zu werden, hat denn eigentlich ein Kennzeichen? Das ist der Sinn eines Kennzeichens; denn wenn man es nicht erfassen wollte, bräuchte man kein Kennzeichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es geht bei Kennzeichenlesegeräten nicht darum, eine Vorratsdatenspeicherung zu veranlassen. Es geht um die Kennzeichenerfassung zu einem bestimmten Zweck. Wenn dieser Zweck plausibel ist, wenn es darum geht – auch hier zitiere ich wieder Herrn Prof. Ronellenfitsch –, einen Triebtäter zu verfolgen oder jemanden, der schwers te Delikte begangen hat, dann kann man dieses Instrument nicht nur nutzen, sondern, ich finde, dann muss man es geradezu nutzen, wenn man die Sicherheit der Bürger gewährleisten will.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es erwähnt, im Laufe des Jahres wird die Datenschutzaufsicht für den nicht öffentlichen Bereich, also für Wirtschaft und Private, dem Hessischen Datenschutzbeauftragten übertragen. Die Beispiele, die Herr Prof. Ronellenfitsch genannt hat, sind bedrohlich. Wir haben uns über den Katalog dieses Versenders unterhalten. Das einzige Sinnvolle in diesem Katalog ist die Strickleiter, die man offensichtlich herunterlassen kann oder die man kaufen kann, um möglicherweise aus gefährlichen Situationen zu kommen. Das andere, das Sie beschrieben haben, ist in der Tat bedrohlich.

Dabei handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Änderung von Zuständigkeiten, wie das manchmal in der Verwaltung ist. Es handelt sich in der Tat um eine ziemlich einschneidende Veränderung für den Datenschutz in Hessen. Wenn in diesem Jahr der 24. und damit letzte Bericht der Landesregierung zur Erörterung der Landesregierung im Landtag ansteht, wird die Landesregierung nicht mehr für den Vollzug der Aufsicht zuständig sein.