Protokoll der Sitzung vom 17.05.2011

mache ich –, dass Sie zur Landtagswahl 2013/14 nach dem Motto vorgehen, alles ist vergessen, und deshalb weiterarbeiten können. Die Klatsche bei der Kommunalwahl für die hessische FDP war Ihnen wohl nicht Denkzettel genug.

Ich meinte: gleich.

(Zuruf von der CDU: Sie als SPD haben ja ein ganz herausragendes Ergebnis bei dieser Wahl geholt! Sie waren ja ganz stark! – Gegenruf von der SPD)

Herr Hahn, Sie haben – –

Frau Kollegin Hofmann!

Letzter Satz. – Herr Hahn, Sie haben selbst den Satz propagiert, es müsse intelligent gespart statt dumm gekürzt werden. Diesem Anspruch werden Sie selbst nicht gerecht. Nehmen Sie dieses Gesetz zurück.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Okay, heute sind wir lieb und großzügig. – Herr Kollege Wilken hat als Nächster das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Schuldenbremser hier im Haus! Ich bin sehr dankbar, dass der Justizminister deutlich gemacht hat, in welchem Zusammenhang die beiden heutigen Tagesordnungspunkte stehen. Wir sind jetzt beim Lackmustest, was es heißt, zu sparen, dass es quietscht und kracht; wir haben es in der einen oder anderen Veranstaltung in den letzten Wochen und Monaten an den zu schließenden Justizstandorten gesehen.

Sie alle haben mitbekommen, von wie viel Fatalismus die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an diesen Standorten erfüllt sind, weil sie von unseren Beratungen nichts erwarten, nicht erwarten, dass wir in der Lage sind, einen schlechten Gesetzentwurf hier noch zu qualifizieren und das, was Sie planen, Herr Justizminister, zurückzunehmen. Armes Hessen, kann ich da nur sagen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Regierung ist uns bis heute entweder schuldig geblieben, die Karten auf den Tisch zu legen, was bei den Schließungen im Jahr 2004 wirklich eingespart worden ist, oder sie musste ganz, ganz, ganz kleine Brötchen backen und deutlich machen, dass eben keine Kosten entfallen sind, sondern im Gegenteil für wertvolle Immobilien aus der letzten Schließungsreihe am Markt nur 1 € realisiert werden konnte. Genau das steht uns jetzt wieder bevor. Machen Sie uns doch nicht vor, dass auf diese Art und Weise überhaupt Kosten einzusparen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, selbst wenn es so wäre, dass Sie Kosten einsparen, dann

„sparen“ Sie die nicht, sondern Sie verteilen wieder einmal um. Die Belastungen müssen nämlich demnächst andere tragen – die Menschen, die weiter fahren müssen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, die Menschen, die weiter fahren müssen, um Recht gesprochen zu bekommen. Auf deren Schultern lasten Sie die Kosten um.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Justizminister, Sie haben gesagt – natürlich zu Recht –: Auch die Justiz ist nicht davon ausgenommen, zu prüfen, wo man sparen kann. – Aus Ihrer Sicht ist das richtig. Ich verstehe das aber immer noch so: Wenn wir ein Rechtsstaat sind – und wir sind ein Rechtsstaat –, dann müssen wir diesen Rechtsstaat auch finanzieren. Sie schlagen aber vor, dass sich die Justiz aus der Fläche zurückzieht und damit geschwächt wird. Dem werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN – Beifall bei Abgeordne- ten der SPD)

Eine letzte Bemerkung. Ich war letzte Woche in Bad Arolsen. Wie Sie wissen, liegt das in unmittelbarer Nähe zum Nachbarland Nordrhein-Westfalen. Dort, in unmittelbarer Nähe, wird ein ganz, ganz kleines Gericht, genauso klein wie das Gericht in Bad Arolsen, von der rot-grünen Landesregierung, die von uns toleriert wird, nicht geschlossen. Das erinnert mich daran, was an anderer Politik hier in Hessen eigentlich möglich gewesen wäre, wenn Sie denn gewollt hätten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Abg. Honka, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem vom Herrn Kollegen Wilken zuletzt angeführten Beispiel könnte man so viel sagen, dass vorhin schon über das Land Nordrhein-Westfalen, seine Neuverschuldung, den Umgang mit dem Haushaltsrecht und den Umgang der dortigen Regierung mit demselben gesprochen wurde. Von daher gesehen lohnt es sich nicht, darüber noch ein Wort zu verlieren.

Meine Damen und Herren, wir sprechen heute – das ist angeklungen – zu einem Thema, das wir bereits vor knapp elf Monaten hier im Hause ausführlich besprochen haben, nämlich über die Situation, dass auch im Bereich der hessischen Justiz gespart werden muss. Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorliegen, der ganz konkret benennt, welche fünf Arbeitsgerichte geschlossen werden, welche fünf Amtsgerichte geschlossen werden, welche Zweigstellen und Außenstellen der ordentlichen Gerichtsbarkeit geschlossen werden und welche Synergieeffekte wir uns daraus erhoffen.

Wir hatten damals eine ausführliche Aussprache. Es ist bereits zur Sprache gekommen: Das Projekt hieß „Kompensation und Konsolidierung“ – KuK. Ich erlaube mir, in dieser Runde dazu zu sagen: Ein drittes K fehlt, Herr Minister, denn man müsste eigentlich auch „und Kommunikatikon“ sagen. Wir haben in Hessen nämlich Kommunikation zwischen dem Ministerium und den betroffenen Gerichtsbarkeiten betrieben. Es ist schon angesprochen

worden, wer hier mit dabei war, wer in den Runden saß. Es wurde also nicht im stillen Kämmerlein etwas ausgekungelt, wie es uns z. B. die Freunde in Rheinland-Pfalz vormachen. Welche Gerichte geschlossen werden, erfährt man dort aus der Zeitung. Ich zitiere eine Überschrift aus der „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom letzten Samstag: „Justiz geht mit Rot-Grün hart ins Gericht“. So geht es eben in einem Bundesland zu, wenn Schließungspläne im stillen Kämmerlein bei Koalitionsverhandlungen beschlossen werden, auf diese Weise verkündet werden und am Ende ein Oberlandesgericht und die zugehörige Staatsanwaltschaft vom schönen Koblenz ins herrliche beschauliche Zweibrücken verlegt werden – knapp 200 km entfernt. Das ist echte „Bürgerfreundlichkeit“, und – vor allen Dingen – was die Frage der Kommunikation angeht, ist das wohl ein absolut gescheitertes Beispiel.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es ist das Zitat gefallen: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. – Mancher fragt sich vielleicht, ob das vielleicht etwas damit zu tun hat, wer der Justizminister in RheinlandPfalz war – das war der Kollege Dr. Bamberger – und was er sich mit der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts anzustellen in seiner eigenen Nachfolge noch erlaubt hat. Ich will in einem kleinen Ausblick nur daran erinnern, dass er es wirklich geschafft hat, in einer bundesweit einmaligen Aktion dafür zu sorgen, dass ein Gerichtspräsident vom Bundesverwaltungsgericht seines Amtes enthoben worden ist, weil das gesamte Ernennungsverfahren inklusive der Blitzüberreichung der Urkunde vollkommen rechtswidrig war.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Günter Rudolph (SPD): Was hat das mit Hessen zu tun? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Hofmann, ich habe ja gesagt: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. – Ich weise noch einmal darauf hin: Die Presse bezeichnet es als „eine Ohrfeige vom Bundesverwaltungsgericht“. Ich denke, das ist vollkommen richtig. Ich wünsche dem Herrn Kollegen Hartloff, der neuer Justizminister wird, viel Vergnügen bei der Aufarbeitung dieser Situation. Das gehört aber anscheinend zum Leben dazu.

Ein zweites Beispiel für „Kommunikation“: die Schließung von Verwaltungsgerichten. Auch die sind zwischen Rot und Grün im stillen Kämmerlein ausgekungelt worden. In Rheinland-Pfalz soll es drei Standorte weniger geben. Wie wird es verkündet? Man verkündet einfach nur: Es sind drei Standorte. – Im Gegensatz zum Verfahren beim OLG hat man hier die Anzahl der Standorte benannt, aber man sagt den Menschen an keinem der Standorte in Rheinland-Pfalz, wen es treffen wird. Auch da muss man wieder sagen: gescheiterte Kommunikation. Hier ist der Weg, den wir in Hessen eingeschlagen haben, eindeutig der bessere gewesen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Kurz zusammengefasst kann man an der Stelle nur sagen: König Kurt und seine rot-grünen Knappen verstehen die Menschen einfach nicht, und die Menschen verstehen das nicht, was in diesem Koalitionsvertrag niedergeschrieben worden ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was tut das hier zur Sache? – Günter Rudolph (SPD): Wir verhandeln in Wiesbaden, nicht in Mainz! Da verwechseln Sie was!)

Wenn Sie sich die Schlagzeilen anschauen, die wir auch in Hessen hatten, dann sehen Sie, dass die Menschen von diesen Vorschlägen in der Tat nicht nur begeistert sind. Die Schlagzeilen sind aber wesentlich weniger laut als das, was Sie gerade in Rheinland-Pfalz erleben.

Von daher gesehen komme ich zum Schluss meiner Rede, denn wir wollen ja bei einer allgemeinen Diskussion über das Sparen auch etwas Redezeit sparen. Es geht im Moment darum, dass wir hier nicht mehr nur reine Sonntagsreden halten, sondern wir reden heute in diesem Landtag über einen konkreten Gesetzentwurf, über harte Fakten und über die Realität. Es zeigt sich im Moment in der Diskussion ganz eindeutig, dass die einen sich auf die Sonntagsreden verstehen und die anderen für das Handeln zuständig sind. Wir sind gerne für das Handeln zuständig, und wir bleiben für das Handeln zuständig. Von daher gesehen will ich einen kurzen Satz aus der Rede aus dem letzten Jahr zitieren: „Wir sparen im Bereich der Justiz, aber wir sparen nicht an der Justiz in Hessen.“ – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Dr. Jürgens für die Fraktion DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Honka, Sie haben sich offenbar in der Rheinseite und im Landtag geirrt, denn Sie haben ausschließlich zu Rheinland-Pfalz geredet und zu Hessen nichts gesagt. Das wird meines Erachtens dem Thema nicht gerecht. Wir müssen uns schon um die Situation hier in Hessen kümmern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Justizminister Hahn hat sich im Kampf gegen die Spitze seiner Partei aufgerieben und an seiner innerparteilichen Karriere gebastelt – mit eher kläglichem Ergebnis, wie wir wissen. All das könnte uns egal sein, wenn wir nicht auf der anderen Seite feststellen müssten, dass er offensichtlich die Lust an seinen Aufgaben als Justizminister verloren hat.

Der Gesetzentwurf, der jetzt, zwischen dem Rostocker Parteitag und der Justizministerkonferenz, zu später Stunde vorliegt, ist nichts anderes als eine lustlose Aneinanderreihung bürokratischer Versatzstücke. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird im Grunde genommen das wiederholt, was Sie uns anlässlich der Regierungserklärung im Jahr 2010 schon einmal erzählt haben. Es hat keine neue Entwicklung gegeben; kein Erkenntnisgewinn ist hinzugekommen.

(Zuruf von der CDU: Es war damals richtig ge- macht!)

Herr Justizminister, man sucht in Ihrem Entwurf z. B. vergeblich nach Ausführungen zur Bedeutung einer funktionierenden Justiz als dritter Gewalt oder zum Stellenwert einer flächendeckenden Versorgung mit Justizdienstleistungen. Man hört nichts über die nachteiligen Folgen für die aufzugebenden Justizstandorte, für die Bevölkerung

sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie setzen sich nicht mit den Folgekosten der vorgesehenen Gerichtsschließungen für Prozessparteien, Zeugen, Rechtsanwälte und Gerichtspersonal auseinander – von dem größeren Zeitaufwand, der bei allen Beteiligten erforderlich ist, ganz zu schweigen. Bei Ihnen – das ist das Problem – sind die Gerichte nichts anderes als Rechengrößen in der Bilanz des Justizhaushalts.

(Lachen des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Genau das ist es übrigens, was die FDP ins Verderben geführt hat: Sie reduzieren die komplexe Lebenswirklichkeit auf Zahlenreihen, Bilanzen und Statistiken. Das wird den Menschen nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie präsentieren uns heute Justizpolitik als Zahlenspiel und reduzieren die Standortfragen auf rein fiskalische Aspekte. Sie bleiben damit weit hinter den Anforderungen zurück, die an einen Justizminister in diesem Zusammenhang gestellt werden müssen.

Meine Damen und Herren, ich habe in der Debatte über die Regierungserklärung, die schon mehrfach erwähnt worden ist, dargelegt, dass die Reduzierung der Zahl der Gerichtsstandorte natürlich nicht von vornherein den Rechtsstaat in Gefahr bringt. Ich habe darauf hingewiesen, dass es aus Sicht meiner Fraktion darauf ankommt, dass wir eine Abwägung zwischen den Belastungen, die wir den Standortgemeinden, den rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürgern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie allen anderen zumuten, auf der einen Seite und den Vorteilen auf der anderen Seite vornehmen müssen, die sich durch die Strukturveränderungen in den Arbeitsabläufen der Justiz und im Justizhaushalt vielleicht ergeben.

Zu den Belastungen ist schon einiges ausgeführt worden. Ich will nur darauf hinweisen, dass, wer immer aus Rotenburg an der Fulda künftig einen Arbeitsgerichtsprozess führen will, sei es als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer, nicht mehr 22 km bis Bad Hersfeld, sondern 78,5 km bis nach Fulda fahren muss. Das ist schon einmal etwas. Sogar bis zum Arbeitsgericht Kassel wäre es nicht so weit. Das wären nur 58 km.

Wer aus Hadamar zum Arbeitsgericht Limburg muss, hat heute 12 km zurückzulegen. Künftig hat er, da er nach Wiesbaden fahren muss, 58 km zurückzulegen. Beide Gemeinden sind übrigens Standorte großer Einrichtungen mit vielen Arbeitnehmern. Es gibt da natürlich auch Streitigkeiten. Bei Arbeitsgerichtsprozessen müssen die Leute in der Regel erscheinen, weil die Güteverhandlung obligatorisch ist. Sie haben keine Kostenerstattung, weil die Kosten immer selbst zu tragen sind, selbst wenn sie am Ende obsiegen. Das heißt, hier werden in der Tat Kostenverlagerungen vorgenommen.