Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Danke, Herr Kollege Greilich. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Zur Vorbereitung der zweiten Lesung überweisen wir den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Abkommen zur dritten Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik – Drucks. 19/4987 zu Drucks. 19/4880 –

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen, aber es muss eine Berichterstattung erfolgen. Wer übernimmt die Berichterstattung für Herrn Abg. Reif? – Herr Kollege Bellino. Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen in Vertretung des verhinderten Kollegen Reif sehr gerne die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung vortragen.

Der Ausschuss hat sich am 8. Juni 2017 intensiv mit dieser Thematik befasst und kam zu dem Ergebnis – ich zitiere –: Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung empfiehlt dem Plenum einstimmig, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bellino.

Ich lasse über den Gesetzentwurf abstimmen. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Somit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung einstimmig angenommen und zum Gesetz erhoben worden. Vielen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Drucks. 19/4994 zu Drucks. 19/4827 –

Es ist zwar keine Aussprache vorgesehen, aber der Bericht muss gegeben werden. Herr Kollege May, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Ich darf Ihnen die Beschlussempfehlung vortragen: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum einstimmig, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege May.

Ich lasse abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen im Hessischen Landtag. Damit ist der Gesetzwurf einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf wird zum Gesetz erhoben. Vielen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Große Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Schwermetallverseuchung durch K+S-Rückstandshalde Hattorf – Drucks. 19/4778 zu Drucks. 19/4354 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten je Fraktion. Als Erste spricht Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie gefährlich die Halden mit ihren salzhaltigen Abwässern sind, hat die Freisetzung von Schwermetallen, insbesondere Aluminium, in das Grundwasser unterhalb der Halde Hattorf deutlich gezeigt. Erst durch das Nutzungsverbot von Gewässern zum Schutz der Menschen, ausgesprochen im Juli letzten Jahres vom Thüringer Landesamt, ist das Problem öffentlich geworden. Das heißt aber nicht, dass die zuständigen hessischen Behörden nicht schon viele Jahre früher von der Verseuchung gewusst haben.

Bereits 2010 wurden das Regierungspräsidium Kassel sowie das HLNUG und die thüringischen Behörden durch einen Eigenbericht von K+S zur Grundwasserüberwachung im Umfeld der Halde Hattorf über die Anreicherung der Giftstoffe im Grundwasser informiert. Weder habe es das RP Kassel für nötig gehalten, das Ministerium zu informieren, so die Darstellung der Landesregierung, noch K+S aufgefordert, Maßnahmen gegen die Grundwasserverseuchung zu ergreifen.

Die Begründung, warum weder das Ministerium informiert worden ist noch Anordnungen vom RP an K+S ergangen sind, lautet, der durch Schadstoffe beeinflusste schweben

de Grundwasserleiter trete in Hessen nicht zutage, und der Hauptgrundwasserleiter ströme Ulster und Werra zu, fließe also nach Thüringen. Das ist die Antwort der Landesregierung. Weiter heißt es, auch oberflächliche Austritte von Haldensickerwasser beeinflussten Grundwässer, seien aber auf hessischer Seite bisher nicht beobachtet worden. Der Hauptgrundwasserleiter im Umfeld der Halde Hattorf sei auf hessischer Seite bisher nicht genutzt worden.

Auf thüringischer Seite wird das Grundwasser sehr wohl genutzt und tritt in einer Quelle aus. Das wussten auch die Beamten des RP Kassel. Es hat sie aber laut Hessischer Landesregierung nicht interessiert, weil wir in Hessen das Wasser nicht nutzen. Mehr Sankt-Florian-Prinzip geht wohl nicht.

Damit so etwas nicht passiert, gibt es Umweltgesetze, die aber vom RP Kassel nicht eingehalten wurden. Bereits 2010 galt das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie. Das Verschlechterungsverbot gilt nicht nur für Fließgewässer, wie uns das Umweltministerium in den vorliegenden Antworten weismachen möchte. Es gibt in der Wasserrahmenrichtlinie keine unterschiedlichen Verschlechterungsverbote für Grund- und für Fließwasser. Frau Ministerin, das ist Quatsch. Sie versuchen, mit juristischen Spitzfindigkeiten von den Versäumnissen des RP und der Landesregierung abzulenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Streit darüber erübrigt sich; denn in Europa steht das Grundwasser unter einem besonderen Schutz. Im Wasserhaushaltsgesetz wird unmissverständlich klargemacht, dass noch nicht einmal die Möglichkeit einer Gefährdung des Grundwassers durch Abfalllagerstätten bestehen dürfe. Aus der Hattorfer Halde treten aber Salze, Aluminium und Schwermetalle aus. Das wenigstens hätte dem RP auffallen müssen. Die Untätigkeit des RP Kassel im Jahr 2010 und in den Folgejahren ist ein schweres Versäumnis.

Jetzt – von der Landesregierung nicht geahndet, sondern durch die dummdreisten Antworten auf unsere Fragen legitimiert – hat sich die hessische Umweltministerin dieses Problems angenommen.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie hätten nach Kenntnisnahme – wann immer das gewesen sein mag – sofort einschreiten müssen. Die Haltung der Hessischen Landesregierung im Frühjahr 2017 ist beschämend. Sie gehen mit den Menschen auf der Thüringer Seite um, als ob sie weniger schutzbedürftig wären als Hessinnen und Hessen – sozusagen Menschen zweiter Klasse, denen man den Dreck aus Hessen einfach vor die Füße kippen kann. Ich finde das empörend.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der Hessischen Landesregierung gab es bis jetzt kein Bedauern darüber, dass die eigenen Behörden nicht sofort reagiert haben, und keinen Hinweis z. B. darauf, dass man das anders hätte handhaben können und müssen oder dass die Kommunikation unglücklich gewesen sei. Sie legimitieren diese Haltung, nämlich dass es den hessischen Behörden komplett egal ist, was aus Giftstoffen aus Hessen auf Thüringer Seite wird. Frau Ministerin, falls Sie es noch nicht mitbekommen haben sollten: Der Kalte Krieg ist seit Jahrzehnten beendet.

(Holger Bellino (CDU): Wer hat denn die Werra so dreckig gemacht? Ihre Vorgängerpartei! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ja, denn sie haben auf die Versenkung verzichtet, weil sie festgestellt haben, dass sie irreparable Schäden verursacht. Das sollten Sie sich einmal hinter die Löffel schreiben.

(Holger Bellino (CDU): Bitterfeld lässt grüßen! – Weitere Zurufe von der CDU)

In der Antwort auf die Große Anfrage teilt die Hessische Landesregierung mit, dass sie einen Austausch zwischen Thüringen und Hessen, der über die Verbreitung der Information über das Monitoring zur Halde Hattorf hinausgeht – ich zitiere –, „nicht für erforderlich“ hält. Wir sehen das deutlich anders. Das Land Hessen muss die enge Zusammenarbeit mit den thüringischen Behörden suchen und Verfahren zur Aufarbeitung der Halde und der Wiedereinlagerung der Rückstände unter Tage vorantreiben.

K+S muss mittelfristig auf diese Verfahren verpflichtet werden. Falls Sie Zweifel daran haben, dass das geht: Dass eine Regierung das machen kann und zur Einhaltung des Gewässerschutzes sogar dazu angehalten ist, ein privates Unternehmen auf ein bestimmtes Produktionsverfahren zu verpflichten, teilt die EU-Kommission Deutschland und somit auch dem Land Hessen in einem Schreiben vom Oktober 2015 mit. Es ist schlimm genug, dass von den Rückstandshalden überhaupt Salzabwasser in das Grundwasser gelangt. Das muss von K+S gestoppt werden.

Bereits zum zweiten Mal fragen wir das hessische Umweltministerium, ob auch an anderen hessischen Haldenstandorten Giftstoffe mobilisiert werden können. Ein Jahr, nachdem die Problematik öffentlich geworden ist, aber sechs Jahre, nachdem die hessischen Behörden von der Wasserverseuchung erfahren haben, erhalten wir als Antwort, dass die mögliche Freisetzung von Schwermetallen und Aluminium an anderen Haldenstandorten – ich zitiere – „derzeit nicht bewertet“ ist. Viele Millionen Kubikmeter Trinkwasser können gefährdet sein, und die hessischen Behörden schaffen es mehr als sechs Jahre lang nicht, herauszufinden, ob das so ist. Das ist doch unfassbar. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass so etwas in diesem Land passieren kann. Hier passiert es aber tatsächlich.

K+S hat eine Haldenerweiterung beantragt. Da sollten solche Informationen doch grundlegend sein. Tatsächlich war die Verseuchung von Grundwasser bei dem Erörterungstermin zu der von K+S geplanten Haldenerweiterung am 16. Februar 2016 ein Thema. Das war vier Monate, bevor das Thüringer Landesamt die Notbremse ziehen musste.

Wir zählen jetzt einmal eins und eins zusammen: Die Aufhaldung von Reststoffen ist ein zentraler Entsorgungsweg im Vierphasenplan der hessischen Umweltministerin. Ohne die Option der Aufhaldung hätte dieser Plan nie vorgestellt werden können.

Frau Ministerin, in den Jahren 2015 und 2016 haben Sie und Ihre Fachabteilung sich nach eigenem Bekunden intensiv mit der Aufhaldung und der Abdeckung von Halden beschäftigt. Zeitgleich laufen im RP Kassel das Genehmigungsverfahren zur Haldenerweiterung und der Erörterungstermin mit den einschlägigen Experten. Wollen Sie uns etwa weismachen, dass keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums an dem Erörterungstermin

teilgenommen haben? Frau Ministerin, das glauben wir Ihnen nicht.

Dass Sie und Ihr Ministerium erst im Juli 2016 – sechs Jahre nach dem Vorliegen der grundlegenden Informationen – von dem Problem erfahren haben wollen, ist auch mehr als zweifelhaft. Das Wissen über die Mobilisierung von Schadstoffen durch Salzabwässer gehört zu den Grundlagen.

Dann kommt aus Ihrem Ministerium auch noch diese absurde Erklärung dafür, warum das RP nicht gehandelt und nicht informiert habe. Sie wollten die Schwermetallproblematik unter den Teppich kehren, weil die Aufhaldung und die Versenkung dadurch infrage gestellt werden – ja, auch die Versenkung. Das Problem der Mobilisierung von Giftstoffen durch Salzabwässer betrifft nämlich nicht nur die Halden. Wie der Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen ist, kann die Landesregierung nicht ausschließen, dass durch die Versenkung von Salzabwässern ebenfalls Aluminium und Schwermetalle freigesetzt werden. Es gibt laut Landesregierung seit dem Oktober letzten Jahres sogar erste Hinweise darauf, dass dies im Raum Hattorf und Wintershall der Fall ist.

Frau Ministerin, wann wollten Sie dem Umweltausschuss und der Öffentlichkeit eigentlich mitteilen, dass Schwermetalle und Aluminium auch über die Versenkung in das Grundwasser gelangen können? Mit diesem Wissen können weder die Versenkung noch die Aufhaldung genehmigt werden. Deshalb schweigen Sie über dieses Thema. Es ist wie immer: Wir fordern Sie auf, den Ausschuss, die Parlamentarier und die Öffentlichkeit zu informieren, und wir laufen den Informationen hinterher. Wir bekommen sie erst, wenn ohnehin schon alles öffentlich ist. Ihre Zusicherungen sind an der Stelle nichts wert.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem mit den Haldenabwässern wird in Zukunft größer und nicht kleiner. K+S hat seit 2009 die Menge an Produktionsabwässern verringert. Durch die angewandten Verfahren ist aber die Menge der festen Salzabfälle größer geworden. K+S selbst geht davon aus, dass sich das Volumen der drei großen hessischen Halden bis zum Ende der Produktionsphase sogar verdoppeln wird. Damit vermehren sich auch die Haldenabwässer, und das sind die Abwässer, die wir bis in alle Ewigkeit haben werden, nicht nur während der Produktionsphase. Im Jahr 2015 waren es etwas über 2 Millionen m3. Bis zum Ende der Produktion wird die Menge auf knapp 4 Millionen m3 pro Jahr anwachsen.

Um das Aufkommen der Haldenabwässer zu verringern, sollen die Halden laut Bewirtschaftungsplan abgedeckt werden – aber nur zu 60 %. Das heißt, selbst bei gelingender Abdeckung fallen nach dem Produktionsende jährlich zwischen 800.000 und 2 Millionen m3 Salzabwasser an, also ungefähr so viel wie in den letzten Jahren. Das Problem bleibt uns auf alle Ewigkeit erhalten. Frau Ministerin, das ist keine grüne Umweltpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ob die Abdeckung von Halden dieser Größe und mit solch steilen Flanken technisch überhaupt realisierbar ist, ist mehr als fraglich. Wir haben gefragt, ob der Landesregierung die standsichere Abdeckung einer Rückstandshalde mit ähnlich steilen Flanken bekannt sei.