Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Es wird momentan der Eindruck erweckt, dass man, wenn die Atomkraftwerke und die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, einen Schalter umlegen könnte, und sofort könnte regenerative Energie diese Verluste im Netz ersetzen. … Jeder, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, weiß Bescheid. Worüber wir diskutieren bzw. was wir zur Grundlage unserer Aktuellen Stunde gemacht haben, ist eigentlich nur ein erster Schritt zur ausreichenden Integration von regenerativer Energie ins Stromnetz. Neue Energie braucht neue Netze.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Was für wahre Worte. Von wem stammen diese wahren Worte? Von René Rock, damals noch Mitglied einer Regierungsfraktion, heute Faktionsvorsitzender der FDP hier.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, nein!)

Das haben Sie gesagt, und Sie wollen uns erzählen, dass Sie schon immer gegen SuedLink waren. Das ist ja wohl eine absolute Unverschämtheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben jegliche Glaubwürdigkeit bei dem Thema Energiepolitik über Bord geschmissen. Sie haben früher einmal Verantwortung übernommen. Heute reicht Ihnen das Label einer Protestpartei. Das ist nicht meine Sache. Das müssen Sie entscheiden, ob das gut für Sie ist oder nicht.

(René Rock (FDP): Das haben wir! – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Was mich aber wirklich ärgert, ist, dass Sie den Menschen Sand in die Augen streuen. Sie streuen ihnen Sand in die Augen; denn Sie tun so, als ob man hier auf Landesebene – ob Thüringen oder Bayern oder der Hessische Landtag – beschließen könnte, wo diese Trasse entlangläuft. Am Ende entscheidet das die Bundesnetzagentur. Das wissen Sie eigentlich auch, Herr Kollege Rock.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Rock (FDP): Seehofer hat schon Einfluss genommen, würde ich einmal sagen! – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Herr Kollege Rock, wir haben im Gegensatz zu Ihnen von Anfang an die gleichen Linien. Wir halten diese Linien, auch wenn sie unbequem sind. Wir glauben ganz fest, dass es die einzige Linie ist, die auch nachhaltig trägt und den Menschen hilft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der erste Punkt. Frau Kollegin Schott, wir stehen im Gegensatz zu Ihnen voll und ganz zur Energiewende. Man kann nämlich nicht nur die Sonnenseite genießen und sagen: Wunderbar, dezentrale Energie – Wertschöpfung vor Ort. Energiewende ist auch sichtbar.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Stromtrassen sind sichtbar. Wenn man von Atomkraft wegkommen möchte und wenn man Kohlekraftwerke abschalten will – das wusste Kollege Rock damals noch –, muss man eben Versorgungssicherheit sicherstellen. Wir haben enorm aufgeholt bei dem Ausbau erneuerbarer Energien im Süden, gerade hier in Hessen. Wir haben gerade das tausendste Windrad eingeweiht. Aber unser Stromimportbedarf ist immens, weil wir eine sehr starke Industrie

haben. Davor können Sie doch nicht einfach die Augen verschließen, Frau Kollegin Schott.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir brauchen Import, und wir sind froh, dass im Norden auch entsprechend viel Windstrom erzeugt wird – teilweise 300 % mehr, als wir brauchen – und dass wir diesen Windstrom mit SuedLink auch bekommen können. Insofern ist es richtig: Wir brauchen einen Trassenausbau. – Nicht den, den die Bundesnetzagentur dargestellt hat. Aber einen priorisierten Netzausbau brauchen wir. Dazu stehen wir; denn wir stehen voll und ganz zur Energiewende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dirk Landau (CDU) – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Bei der FDP ist wenigstens das mittlerweile konsequent. Die FDP will keine Trassen. Sie sagt auch klar, sie will keine erneuerbaren Energien. Sie sagt, sie möchte weder hier erneuerbare Energien haben noch im Norden. Sie wollen Kohlekraft. – Stimmt, dann braucht man keine Trassen. Herr Kollege Rock, dann muss man aber auch so ehrlich sein, zuzugeben, dass Ihnen Klimaschutz vollkommen egal ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dirk Landau (CDU))

Frau Kollegin Schott, Sie müssen sich schon einmal fragen lassen, ob es nicht irgendwie absurd ist, dass Sie Seite an Seite mit der FDP gegen Stromtrassen schreiten.

(Zurufe des Abg. René Rock (FDP) und von der LINKEN)

Ich werde nicht vergessen, dass Sie in einer Debatte die Trassen sogar „Monstertrassen“ genannt haben. Das Thema kenne ich eigentlich nur von früheren Debatten über Windkraft. Da wurde gegen die Energiewende enorm angestachelt. Sie sollten sich doch einmal fragen, ob Sie hier noch auf der richtigen Seite stehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Judith Lannert (CDU))

An die Kollegen der SPD würde ich auch gerne einmal die Frage richten, welche Position jetzt eigentlich gilt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat immer gesagt: Wir brauchen SuedLink. – Er hat auch immer mit mir gemeinsam auf Podien entsprechend Stellung genommen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Kollege Gremmels, jetzt sagen Sie, es ist jetzt so entschieden, aber eigentlich bräuchten wir es nicht. Das ist schon ein Widerspruch, bei dem Sie einmal aufklären müssten, was denn eigentlich Sachlage ist.

(Zurufe des Abg. René Rock (FDP) und von der SPD)

Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass wir dazu bereit wären, wenn SuedLink entsprechend durch Hessen verlaufen sollte. – Wir haben aber auch immer gesagt, wir brauchen dann verträgliche Lösungen. Wir wollten mehr Transparenz, damit die Bürgerinnen und Bürger sich auch beteiligen können. Wir haben gesagt, wir brauchen mehr Erdverkabelung. Auch das ist am Ende so gekommen. Man kann eben beides: Man kann Kurs halten und trotzdem die Anliegen der Menschen ernst nehmen, Herr Kollege Rock.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. René Rock (FDP))

Was Sie machen, ist das Sankt-Florians-Prinzip, Herr Kollege Rock. Das ist genau das, was wir nicht tun bei energiepolitischen Fragen.

(Zurufe der Abg. Timon Gremmels (SPD) und René Rock (FDP))

Ich nenne einmal das Thema, das für GRÜNE besonders schwierig ist: Atomkraft. Was machen wir mit den radioaktiven Abfällen? Herr Kollege Rock, wir sind im Gegensatz zu Ihnen sicherlich nicht verantwortlich für die radioaktiven Altlasten.

Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende kommen.

(René Rock (FDP): Anja Siegesmund! Kennen Sie diese Frau? Sagen Sie einmal etwas!)

Ich kenne die Person. – Ich wollte sagen: Wir haben auch bei dem Thema Endlagersuche immer dafür gestanden, wir machen kein Sankt-Florians-Prinzip; denn das blockiert am Ende alles. Wir sagen, es muss klar auf fachliche Kriterien gestützt sein. Ich kann auch feststellen, der letzte Trassenverlauf, den auch TenneT entsprechend bewertet hat, ist eine östliche Route. Nach fachlichen Kriterien durch die Erdverkabelung ist es eine Route, die nicht durch Hessen verläuft; und ich bin sicher, dass das Wirtschaftsministerium, wie es bisher Linie gehalten hat, auch weiterhin genau schauen wird, dass fachlich geprüft wird.

(Zurufe der Abg. Jürgen Lenders (FDP) und Gerhard Merz (SPD))

Insofern ist das die Linie, die am Ende trägt: nicht das Sankt-Florians-Prinzip, sondern nach fachlichen Kriterien mitreden und genau prüfen. So machen wir das hier in der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Al-Wazir. Herr Staatsminister, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Energiewende ist eine der größten Aufgaben unserer Zeit.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Herr Kollege Rock, von ihr hängt ab, ob wir die Erwärmung der Erdatmosphäre in den Griff bekommen. Da geht es nicht nur um ein paar Striche auf dem Thermometer, sondern es geht um die Existenz von Küstenländern, es geht um Flucht- und Wanderungsbewegungen, die weit über das hinausgehen, was wir heute erleben. Das muss

man vielleicht bei manchen kleinen Karos, die gezeichnet werden, immer wieder am Anfang einer solchen Debatte erwähnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In Deutschland haben wir uns vor Jahren auf den Weg gemacht und haben begonnen, unsere Energieversorgung schrittweise auf erneuerbare Quellen umzustellen. Das Ziel ist, von der Atomkraft und von klimaschädlichen Brennstoffen wie Kohle und Öl wegzukommen. Ich will das an dieser Stelle noch einmal sagen: Vor wenigen Wochen wurde der Rückbau des Atomkraftwerks Biblis offiziell gestartet. Das Zeitalter der Atomenergie in Hessen ist endgültig zu Ende.

(René Rock (FDP): Wo kommt unser Strom jetzt her?)

Herr Kollege Rock, genau diese Frage wollte ich Ihnen stellen. Wo kommt unser Strom eigentlich her? – Wenn wir am Ende unsere Energieversorgung dauerhaft sichern wollen und sie gleichzeitig umweltfreundlich gestalten wollen, dann müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen und gleichzeitig unsere Stromsysteme besser miteinander vernetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Rock (FDP): Kennen Sie die Statistik? – Abg. René Rock (FDP) hält eine Statistik hoch.)

Herr Kollege Rock, Sie haben sich wohl offensichtlich seit 2011 verändert; Sie sind inzwischen eher auf der energiepolitischen Agenda von Donald Trump unterwegs. Das ist erlaubt.