Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Die SPD-Fraktion ist auch der Meinung, dass Strafe wehtun muss, wenn sie abschrecken soll. Wir legen deshalb Sanktionen bis zu 10 % des Auftragswertes fest. Diese Strafe muss in unserem Entwurf der Auftragnehmer auch für Vergehen seiner Subunternehmer zahlen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn gerade im Baugewerbe und bei Großaufträgen wird kaum mit eigenem Personal, sondern nur noch mit Subunternehmerketten gearbeitet. Subunternehmer – ich zitiere aus Ihrem Entwurf – agieren „in eigener Verantwortung“. Damit fallen Sie hinter die Regelungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes zurück, und Sie zementieren die mafiösen Strukturen, die im Baugewerbe existieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das ist unverschämt, was Sie da erzählen!)

Unternehmen, die von der öffentlichen Hand Aufträge erhalten, sollen nach Überzeugung der SPD grundsätzlich nach Tarif bezahlen. Beim Einsatz von Subunternehmern werden nach Ihrem Entwurf Tariftreueerklärungen bei Aufträgen unter 10.000 € gar nicht erst gefordert. Dann braucht man doch den Auftrag nur klein genug zu stückeln, und schon ist man am Gesetz vorbei.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Wer macht das denn? – Weitere Zurufe von der CDU)

Wer solche wachsweichen Regelungen formuliert, der will auch nicht, dass sie eingehalten werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich nehme Ihnen ab, dass Sie versucht haben, die CDU-Fraktion, die dieses Gesetz nicht wollte, zu überzeugen.

Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ich bin fast am Ende. – Ausdrücklich anerkennen will ich die Aufnahme des Bereichs Verkehr, des ÖPNV. Dieser Bereich war vorher nicht enthalten, ebenso wenig wie die Vertragsübernahme bei einem Betreiberwechsel. Wir wollen gar nicht schlechtreden, dass sich Tariftreue endlich im Gesetz wiederfindet und wir in Hessen nicht mehr zu den drei Schlusslichtern in Deutschland ohne Tariftreueregelungen gehören werden. Aber bei den entscheidenden Themen – Kontrollen, Sanktionen und Nachunternehmereinsatz – sind Sie auf halber Strecke gescheitert.

Frau Kollegin, letzter Satz.

Letzte Woche haben Sie in Ihrer Pressemeldung geschrieben – das ist mein letzter Satz –: „Fairer Wettbewerb ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn wir höchste Standards an Transparenz und Nachhaltigkeit bei der Auftragsvergabe anlegen.“ Dem fügt die SPD hinzu: Aber nur, wenn wir das Gesetz auch effektiv gestalten, klare Regelungen formulieren und sie auch wirksam kontrollieren. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Barth. – Als nächster Redner spricht Kollege Klose für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Tat: Öffentliche Aufträge stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Deshalb sind Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht, mit öffentlichen Mitteln möglichst wirt

schaftlich umzugehen und den interessierten Unternehmen einen fairen Wettbewerb zu garantieren.

Dafür braucht es klare Regelungen. Mit diesem Entwurf für ein neues Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz legen Ihnen die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Regelungen heute vor – eines der ersten Gesetzesvorhaben der neuen Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Mit diesem Gesetz machen wir Hessen ein gutes Stück gerechter. Wie wir es in unserem Koalitionsvertrag vereinbart haben, werden Tariftreue und Mindestentgeltzahlung für jeden, der einen öffentlichen Auftrag ausführen will, zur Verpflichtung – auch für Nach- oder Verleihunternehmer. Dies gilt erstmals auch für Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs. Auch das ist ein großer Fortschritt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit diesem neuen Vergabe- und Tariftreuegesetz machen wir Hessen auch um ein gutes Stück sozialer und ökologischer. Genauso wie wir es in unserem Koalitionsvertrag vereinbart haben, eröffnen wir Land und Kommunen die Möglichkeit, neben der Wirtschaftlichkeit auch neue soziale und ökologische Kriterien anzuwenden.

Mit diesem neuen Vergabe- und Tariftreuegesetz machen wir die öffentliche Auftragsvergabe in Hessen transparenter und sorgen damit für noch mehr Fairness im Wettbewerb. Auch das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit diesem neuen Gesetz schaffen wir eine noch bessere Balance zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen und Erwartungen an öffentliche Auftragsvergaben und der praktischen Handhabung, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen in unserem Land besonders wichtig ist. Damit zeigen wir ein weiteres Mal, dass diese neue Landesregierung aus CDU und GRÜNEN es mit der Verwirklichung des Dreiklangs aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit ernst meint.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit der Tariftreue als neuem Schwerpunkt verpflichten wir die Auftragnehmer selbst, aber auch ihre Nach- und Verleihunternehmen, zur Abgabe einer Tariftreueerklärung. Ohne eine solche Erklärung gibt es keine Beauftragung. Gleiches gilt für die Einhaltung des Mindestlohns. Zur Kontrolle dieser Erklärung werden den Auftraggebern durch § 9 unseres Gesetzes die erforderlichen Instrumente an die Hand gegeben. So schieben wir Lohndumping einen Riegel vor.

Frau Barth, Sie haben uns sehr deutlich für die Kontrollmöglichkeiten zur Tariftreue in unserem Gesetzentwurf kritisiert. Ich frage Sie aber, ob Sie sich eigentlich angesehen haben, was die SPD auf Bundesebene zu dem Thema hinbekommen hat. Der Bund vergibt nämlich auch reichlich öffentliche Aufträge.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was also findet sich in Ihrem Koalitionsvertrag in Berlin zum Thema Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen? Ich darf zitieren:

Wir werden eine europarechtskonforme Einführung vergleichbarer Regelungen

gemeint sind Tariftreueregelungen –

auch auf Bundesebene prüfen. Im Ergebnis dürfen damit keine bürokratischen Hürden aufgebaut werden.

Das war es zu diesem Thema. Da wollen Sie uns in Hessen allen Ernstes vorwerfen, wir seien zu unkonkret. Wir liefern, wo wir mitregieren – Sie zaudern, Herr Merz. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Alle Nach- und Verleihunternehmen müssen die gleichen Pflichten zu Tariftreue und Mindestlohn erfüllen wie die Hauptauftragnehmer. Die Auftraggeber können das selbst kontrollieren. Sie bekommen mit unserem Gesetz das Recht, Einblick in Abrechnungen und Geschäftsunterlagen zu nehmen, wenn sie einen Anlass dafür sehen.

Frau Barth, bei dem Beispiel, das Sie eben selbst angeführt haben, wäre doch genau dieser Anlass gegeben. Daher verstehe ich Ihre Kritik nicht. Das wäre nämlich exakt ein solcher Fall, in dem es der Prüfstelle erlaubt ist, in diese Unterlagen hineinzuschauen und ein Nach- oder Verleihunternehmen hinauszuschmeißen, das diese Verpflichtung nicht einhält. Das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, die Transparenzregelungen in Hessen zu verbessern. Auch hier liefern wir, und zwar in beide Richtungen.

Die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung sind schon in der Bekanntmachung anzugeben. Das ist gut für die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Zudem müssen die vergebenen Aufträge künftig schon ab einem Volumen von 15.000 € in der Hessischen Auftragsdatenbank veröffentlicht werden, statt wie bisher erst ab 25.000 €. Auch das ist ein Beitrag zu mehr Transparenz und fairem Wettbewerb.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit unserem Gesetz geben wir den Vergabestellen des Landes und der Kommunen erstmals die Möglichkeit,

(Elke Barth (SPD): Nicht erstmals!)

konkrete soziale Kriterien bei ihren Ausschreibungen zu verlangen, beispielsweise die erste Ausbildungsleistung, die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und die besondere Förderung von Frauen oder Menschen mit Behinderungen.

Wir ermöglichen aber auch, ökologische Kriterien wie die Verwendung fair gehandelter oder ökologisch nachhaltiger Produkte zu verlangen. Das heißt z. B., dass bei der Ausschreibung eines Auftrags für einen Caterer einer öffentlichen Kantine verlangt werden kann, dass dort nur fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt wird, oder dass künftig Energieeffizienzkriterien bei der Beschaffung elektrischer Geräte vorgegeben werden können. Auch dies ist ein echter Fortschritt für die Vergabestellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es ausdrücklich richtig, dass wir es den Kommunen selbst überlassen, zu entscheiden, ob sie solche zusätzlichen Kriterien neben der Wirtschaftlichkeit anwenden und, wenn ja, welche. So geben wir ihnen die Instrumente an die Hand, die sie brauchen, um mehr passgenaue Nachhaltigkeit im hessischen Vergabewesen zu verlangen.

Das ist die richtige Balance, die dafür sorgt, dass dieses Gesetz praktikabel und mittelstandsfreundlich bleibt. Genau diese Balance war bereits in unserem grünen Gesetzentwurf enthalten, den wir 2012 hier beraten haben.

Es wurde eben kritisiert, dass wir keine neue umfangreiche Behörde schaffen, um Nachprüfungen durchführen zu können. Vielleicht ist Ihnen das nicht bekannt, aber es gibt in dem Sinne, wie sie unser Gesetz ermöglicht, bereits fünf Nachprüfungsstellen für die VOB in Hessen: eine bei der Landesstraßenbaubehörde für die Vergabe von Hessen Mobil, eine bei der Oberfinanzdirektion in Frankfurt für die Hochbaumaßnahmen des Landes und jeweils eine für Kommunen und Zuwendungsempfänger bei den drei Regierungspräsidien.

Solche Nachprüfungsstellen werden wir auch für die Vergabe nach der VOL schaffen – ohne eine neue große eigenständige Behörde schaffen zu müssen, wie es Ihnen offensichtlich vorschwebt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende der Rede kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Dieses Gesetz stellt sicher, dass alle Vergaben mittelstandsgerecht auszuführen sind, dass sie fair und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerechter sind und dass auch der ÖPNV erstmals erfasst wird.