Sich hierhin zu stellen und bei dem, was wir hier an Politik machen, zu sagen, es stünde nicht die Humanität für diese Menschen im Vordergrund, ist geradezu absurd, Frau Kollegin Faeser. Ich weiß überhaupt nicht, woher Sie das nehmen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich würde mir in dieser Frage wünschen, dass andere SPD-regierte Bundesländer mit SPD-Ministerpräsidentinnen oder -Ministerpräsidenten genau solche großen Anstrengungen für die Integration und den sozialen Zusammenhalt unternehmen wie wir in Hessen. Der Vorwurf von Ihnen geht nach meiner Auffassung vollkommen ins Leere. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dankenswerterweise haben die meisten Vorredner und Vorrednerinnen darauf hingewiesen, dass es eine verbundene Debatte ist; es steht auch ein Antrag von uns noch einmal zur Abstimmung. Deswegen will ich zu Beginn sa
gen, dass unsere grundsätzliche Haltung glasklar bleibt: Flucht ist kein Verbrechen, und niemand darf deshalb in Haft genommen werden.
Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam sind grundsätzlich unverhältnismäßige Maßnahmen. Hessen muss in menschenwürdige Aufnahmestrukturen investieren und darf nicht noch mehr Geld in eine rücksichtslose Abschiebelogistik stecken.
Wir bleiben dabei: Kein Mensch ist illegal. Aus unserer Sicht ist deswegen eine Regelung zur Abschiebehaft überflüssig.
Nichtsdestotrotz enthebt uns das nicht, Sie darauf hinweisen zu müssen, wo Sie mit einer anderen politischen Grundeinstellung offensichtlich etwas reichlich falsch machen. Herr Frömmrich hat sich gerade hierhin gestellt und zu allen kritischen Punkten gesagt, das sei doch vollkommen klar. – Ich frage mich: Warum haben Sie es dann nicht von Anfang an so aufgeschrieben?
Ich hatte schon bei der vorherigen Debatte gesagt, ein bisschen Schizophrenie gehe immer. Sich hierhin zu stellen und zu sagen: „Bitte in zweiter Lesung unverändert annehmen“, und gleichzeitig zu sagen, man bringe Änderungen ein – meiner Meinung nach hätte man das auch anders lösen können; darauf haben schon meine Vorredner hingewiesen.
Deswegen möchte ich noch einmal inhaltlich zu Ihrem Gesetzentwurf kommen, so, wie er im Moment vorliegt. Es gab viele äußerst kritische Stellungnahmen seitens der Diakonie, der Caritas, des Paritätischen, des Hessischen Flüchtlingsrats, der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte und eben auch des Deutschen Anwaltvereins – das ist schon erwähnt worden.
Ich will durchaus noch einmal ein paar Facetten aufgreifen. Erst einmal zur Frage, wann Abschiebehaft überhaupt angeordnet werden darf. Frau Wallmann, Sie haben in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen, dass es Ultima Ratio sein soll, und vor allen Dingen darauf hingewiesen, mit welcher Akribie Sie überzeugen wollen, dass freiwillige Ausreise erfolgt. Frau Wallmann und Herr Frömmrich, entschuldigen Sie, wenn Sie sagen, das sei in Hessen so gut: Wie gut das läuft, durften wir alle in einem Beitrag von „Kontraste“ sehen, in dem unser stellvertretender Ministerpräsident, Herr Al-Wazir, eine mehr als peinlich-arrogante Rolle gespielt hat.
Wenn es die gute hessische Praxis ist, dass wir Menschen unter Vortäuschung eines Gesprächs in ein Büro locken und sie mit Handschellen wieder hinausführen und abschieben, dann bedanke ich mich für schwarz-grüne Abschiebepraxis.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von den GRÜ- NEN: Das war auf Rügen, nicht in Hessen! – Weite- re Zurufe)
Noch einmal zur Ultima Ratio. Die Rechtslage sieht diverse mildere Mittel als Abschiebehaft vor, wie z. B. Kaution oder Bürgschaft, Aufenthaltsbeschränkung, Meldepflichten, Überwachungssysteme, Passhinterlegung. Es wäre begrüßenswert, wenn Sie hier für Hessen Alternativen zur Abschiebehaft als mildere Mittel ernsthaft in Erwägung ziehen würden – jenseits der Tatsache, dass dem Unrechtszustand, keinen Aufenthaltstitel zu haben, ja auch mit der Vergabe eines Aufenthaltstitels durchaus abgeholfen werden könnte.
Dann, es wurde schon angesprochen, die Abgrenzung zur Strafhaft. Gemäß § 3 Ihres Gesetzentwurfs sollen einige Regelungen des Hessischen Strafvollzugsgesetzes entsprechend anwendbar sein, „soweit nicht Eigenart und Zweck der Haft entgegenstehen“. Sie haben angekündigt, hier nachbessern zu wollen. Wir werden uns das genau ansehen. Aber der Anwaltverein hat ausdrücklich davor gewarnt, das Gesetz mit Verweisen auf das Strafvollzugsrecht zu versehen, weil jeder noch so entfernte Eindruck, es handle sich um Strafvollzug, nun einmal unterbleiben muss.
Ich will auch noch einmal zwei Sätze zur Anforderung sagen, Abschiebehaft nah am normalen Leben zu gestalten. Der Gesetzentwurf weist im Moment z. B. eine Regelung auf, die den Bezug von Zeitschriften einschränkt, weil sie Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden könnten. Was das sein soll, verstehe ich nun wirklich nicht. Das Gleiche regeln Sie im Moment für den Radio- und Fernsehempfang. Noch einmal: Das ist kein Strafvollzug. Woher kommt die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt, wenn Zeitungen gelesen werden? Auch da bitte ich dringend, noch einmal nachzuschauen.
Ein dritter Punkt. Unzureichend ist der Zugang zum Internet geregelt. Sie sagen, dass es im angebotenen Umfang der Einrichtung genutzt werden sollen. Wenn Sie – das steht im Moment in Ihrem Gesetzentwurf, der angeblich verbessert werden soll – Menschen heute ihr Mobiltelefon abnehmen, so smart oder wenig smart es auch sein muss, unterbinden Sie dringend notwendige Kommunikation. Es ist in keinster Weise einzusehen, wie das noch eine Gestaltung nah am normalen Leben sein soll, wenn Sie diese Maßnahme umsetzen.
Ich würde gerne konkret mit Ihnen darüber reden, was Sie verbessern wollen – das werden wir dann in der dritten Lesung machen müssen. Ob das wirklich ein gesundes, korrektes Gesetzgebungsverfahren ist, haben Sie mit Ihrer Mehrheit zu verantworten. Meiner Meinung nach wäre das besser und geschickter möglich gewesen. – Danke sehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich glaube, nachdem ich gesagt habe, wie viele Finanzmittel wir im Rahmen der Frage Flucht und Asyl bereitgestellt haben, dass wir von Ihnen da keinen Nachhilfeunterricht brauchen, Herr Kollege Wilken.
Was Sie mit „Flucht ist kein Verbrechen“ überschreiben, ist nicht passend – Flucht ist natürlich kein Verbrechen. Deswegen nehmen wir hier Hunderttausende von Menschen auf, weil sie aus Ländern fliehen, in denen sie verfolgt werden, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden, in denen Krieg herrscht. Es kommen auch viele Menschen hierher, die das Asylrecht wahrnehmen. Der Bundesrepublik Deutschland, die in den letzten beiden Jahren inmitten von Europa, glaube ich, als einziges Land diese humanitäre Katastrophe angepackt und sehr viel geleistet hat, und diesen Menschen, die sich mit sehr viel Engagement um die Flüchtlinge gekümmert haben, so etwas vorzuwerfen, das ist geradezu absurd, Herr Kollege Wilken.
Ich bitte Sie einmal, Herr Kollege Wilken, schauen Sie doch einmal bei sich selbst nach. Freitag, 20. Oktober 2017 im „Spiegel“ – hier geht es um eine Pressekonferenz der Partei DIE LINKE –:
Statt mit der wenig realitätstauglichen Forderung „Offene Grenzen für alle Menschen sofort“ Ängste und Unsicherheitsgefühle zu befördern, sollten wir uns darauf konzentrieren, das Asylrecht zu verteidigen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich antworte gerne auf die Teile Ihrer Rede, Herr Frömmrich, die sich auf die Debatte bezogen haben. Das war aber der geringste Teil.
Mir zu unterstellen, dass ich geringschätzig über die Willkommensbereitschaft vieler Millionen meist ehrenamtli
cher Menschen in diesem Land gesprochen hätte, das ist wirklich eine Unverschämtheit, Herr Frömmrich.
Wir haben bei den entsprechenden Haushaltsanträgen mitgestimmt, die auch für das Land Hessen die finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung stellen.
Herr Frömmrich, ich erinnere Sie an das Bild von unserem stellvertretenden Ministerpräsidenten in dieser Fernsehsendung.