Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Herr Schaus, Sie müssen dringend zum Schluss kommen.

Was soll denn das heißen, Herr Frömmrich: „eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung nicht ausgeschlossen“?

So geht es in diesem Gesetz weiter. Das ist unglaublich, unerhört und nicht zustimmungsfähig.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Greilich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass man heute nicht eine Sternstunde des Parlaments erwarten konnte, darauf waren wir eingestellt. Aber das, was Sie uns hier heute bieten, ist etwas ganz anderes, das glatte Gegenteil. Das ist der Tiefpunkt dessen, was ich bis jetzt in diesem Hause erlebt habe.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Das ist der Tiefpunkt, was die Qualität eines Gesetzgebungsverfahrens angeht – dazu komme ich noch –; das ist ein Tiefpunkt, wie eine Regierung und eine sie tragende Mehrheit mit parlamentarischen Rechten umgehen.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist bei denen mittlerweile Standardprogramm!)

Das ist besonders schlimm, wenn man sich dabei klarmacht, dass hier offensichtlich eine Selbstverleugnung der eigenen Fraktionen stattfindet, was ihr Bewusstsein angeht, dass man als Parlament noch etwas zu melden hat. Was uns entgegenschlägt – das haben wir insbesondere bei dem Beitrag des Kollegen Frömmrich gehört –, ist eine Arroganz der Macht, wie sie ihresgleichen sucht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Die Genese dieses Trümmerhaufens von Gesetzgebungsverfahren hat Frau Kollegin Faeser schon ausführlich dargestellt. Ich will mich deswegen nur auf die Kernpunkte beschränken.

Es fing 2014 ganz gut an, als diese Koalition die Idee hatte: Na ja, wir selbst sind ein bisschen überfordert. Wir setzen eine überparteiliche Expertenkommission ein, eine Kommission aus echten Experten. – Das war 2014. Die sollte bei der Erstellung eines solchen Gesetzentwurfs beraten, bei der Frage: Wie können wir es in Hessen besser machen als in der Vergangenheit?

Erster Akt des Dramas war am 10. Oktober, als diese Koalition und dieser Innenminister der gerade selbst eingesetzten Expertenkommission erst einmal sagten: „Na ja, ihr könnt machen, was ihr wollt; aber wir haben es schon“, und einen eigenen Gesetzentwurf vorlegten. Das war eine Brüskierung der Kommission. Ich bin den Mitgliedern der Kommission sehr dankbar, dass sie das bei aller Zurückhaltung in geeigneter Form deutlich gemacht haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Kommission hat am 15. September 2015, nach knapp einem Jahr Arbeit, einen sehr lesenswerten, sehr umfangreichen Bericht vorgelegt – ich habe ihn extra einmal mitgebracht –, weil er in der Tat das enthält, womit man sich auseinandersetzen muss, wenn man über eine Reform des Verfassungsschutzes in Hessen redet. Dafür noch einmal meinen herzlichen Dank an diese Kommission und ihre Mitglieder.

Aber was ist denn daraus geworden, meine Damen und Herren? – Erst einmal gar nichts. Im Herbst 2017 legen Sie

dann einen Entwurf vor. Wenn man vorher den Bericht der Kommission gelesen hat, fragt man sich: Haben Sie den gelesen?

(Nancy Faeser (SPD): Nein!)

Der Minister offensichtlich nicht – oder jedenfalls, wenn er ihn gelesen hat, so, dass er besser nichts davon wissen wollte. Jedenfalls findet sich von dem, was in diesem Expertenbericht vorgeschlagen wird, in Ihrem Gesetzentwurf nichts. Der Bericht ist zur Makulatur abgestempelt worden. Meine Damen und Herren, das ist eine Verhöhnung des Vorsitzenden Prof. Jentsch, des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, des Herrn Dr. Kriszeleit, der Frau Däubler-Gmelin und des Herrn Wieland, die sich alle Mühe gegeben haben, uns bei einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zu helfen. Sie haben das verhöhnt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es war recht eindeutig – es war auch nicht anders zu erwarten –, dass es eine Anhörung gab; und das Ergebnis war vorhersehbar. Bis auf die Polizeigewerkschaften, die die dort vorgesehenen Verstärkungen der Rechte der Polizeibehörden für sinnvoll hielten, gab es niemanden, der Ihre Position geteilt hat, sondern der Gesetzentwurf wurde in der Luft zerrissen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, es gibt eine Schlagzeile in der „taz“, der „Tageszeitung“ – eigentlich ist das nicht mein Blatt, aber es ist eines, das Ihnen vielleicht ein bisschen näher steht –, die lautet: „Schwarz-Grün will Staatstrojaner einsetzen“.

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Kollege Frömmrich, das ist in der Tat ein historisches Verdienst der GRÜNEN. Grün wirkt – aber offensichtlich ein bisschen anders, als Ihre Mitglieder und Ihre Wähler das wünschen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Frömmrich, dafür haben wir dann erlebt, dass Sie sich hier wie üblich, und wie wir das schon kennen, in absolute Oppositionsbeschimpfung flüchten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür brauchen wir Sie nicht!)

Ich hätte fast gesagt: „Schämen Sie sich.“ Aber das steht mir nicht an.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen in Rheinland-Pfalz genau das Gleiche! Herr Kollege Greilich, das müssen Sie uns mal erklären! – Janine Wissler (DIE LINKE): Aber, dass Herr Greilich die „taz“ zitiert!)

Lieber Herr Kollege Wagner, ich habe mich nicht zu der Frage geäußert, ob das richtig ist oder falsch. Ich habe mich zu Ihrer Doppelzüngigkeit geäußert. Das ist das Thema, über das wir heute hier reden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, oh, oh!)

Ich will in der Sache noch unterstreichen, warum dieses Gesetzgebungsverfahren,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

lieber Herr Kollege Boddenberg, so etwas von unterirdisch und unerträglich ist, wie man es sich kaum vorstellen kann.

Sie knallen uns jüngst – direkt vor der Innenausschusssitzung – einen Gesetzentwurf vor. Das ist kein Änderungsantrag zum laufenden Gesetz; materiell ist es ein Gesetzentwurf zur Änderung, zur Neugliederung und zur Neufassung des hessischen Polizeirechts. Das ist etwas völlig anderes als ein Änderungsantrag zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Das, was Sie dort machen, sind massive Veränderungen, aber nicht im Verfassungsschutzrecht, über das wir die ganze Zeit gestritten haben, sondern im hessischen Polizeirecht. Dazu gab es keine Anhörung. Dazu gab es keine Diskussion mit Experten. Auch Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass Polizeirecht etwas anderes ist als Geheimdienstrecht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

Das gehört eigentlich zum kleinen Einmaleins.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Selbst Sie wissen, dass schon die Kontrolle ein bisschen anders ist. Es sollte einen schon nachdenklich machen, warum wohl der Verfassungsschutz anders kontrolliert wird als die hessische Polizei.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

Das hat ganz tief sitzende Gründe. Ich will hier jetzt kein Kolloquium verfassungsrechtlicher Art durchführen. Aber es ist etwas völlig anderes.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Dann packen Sie nicht nur einmal schnell die Themen Staatstrojaner, Onlinedurchsuchung, Quellen-TKÜ vom Verfassungsschutzgesetz ins Polizeirecht und überraschen uns dort mit entsprechenden Regelungen. – Nein, das ist ja nicht alles. Sie haben sich nicht einmal auf das beschränkt, wo Sie mit dünnen, aber immerhin Argumenten sagen: Wir haben über das Thema ja schon einmal gesprochen, zwar nicht bei der Polizei, sondern beim Verfassungsschutz. Die Themen Onlinedurchsuchung, Staatstrojaner waren ja schon einmal Themen der Anhörung.

Was ist denn mit all den anderen Änderungen, die Sie jetzt im Polizeirecht vornehmen? Müsste man sich vielleicht nicht auch einmal darüber unterhalten, dass Sie jetzt Regelungen, die für das BKA gelten, für die hessische Polizei einführen wollen? Muss man sich nicht auch einmal mit Experten in einer Anhörung darüber unterhalten, ob die unterschiedlichen Aufgaben der hessischen Polizei und des BKA vielleicht unterschiedlicher Regelungen bedürfen? – Ich habe die Antworten nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Frömmrich, ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Ich kann das nicht so ohne Weiteres übertragen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich erinnere nur an Rheinland-Pfalz!)