Es stellen sich destogleich mehrere Fragen: Wie gehen wir mit dieser enormen Zahl um, und wie helfen wir unseren Kommunen, damit diese Flüchtlinge adäquat versorgt werden können? – Wir müssen auch in Europa zu einer Harmonisierung der Flüchtlingsfrage kommen. Wir brauchen in allen europäischen Ländern die gleichen Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Nur so können wir verhindern, dass es zu einem Ungleichgewicht bei der Aufteilung der Flüchtlinge in Europa kommt. Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Bemühungen, die unsere Landesregierung mit dem Hessischen Maßnamenpaket Asyl auf den Weg gebracht hat.
Zum einen werden wir die Pauschale zum 01.01.2015 um 15 % erhöhen. Das heißt, dass die Landesregierung allein zusätzlich 30 Millionen € in die Hand nehmen wird. Gleichzeitig werden Gespräche mit den Kommunen geführt, um über die Höhe dieser Pauschale insgesamt zu re
den. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Landesregierung bereits im Nachtragshaushalt ein Plus von 52 Millionen € für die Erstattung an die Kommunen berücksichtigt hat. Insgesamt wird, inklusive der Finanzierung der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung, eine Gesamtsumme von 138 Millionen € investiert.
Auch in Zukunft können die Kommunen, die unter dem Rettungsschirm des Landes stehen, mehr Geld für die Unterbringung und Verpflegung von Asylanten aufbringen, ohne das eigene Sparziel zu gefährden.
Ein Punkt, den ich bereits seit Jahren unterstütze, ist die schnellere Integration von jungen Flüchtlingen und Zuwanderern. Diese Herausforderung der Integration von Flüchtlingen ist nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Unter den Flüchtlingen sind viele qualifizierte junge Menschen, die wir für die Zukunft unseres Landes brauchen. Hier halte ich den Weg der Landesregierung, mittels eines eigenständigen Konzepts die Integration in das deutsche Schulsystem sowie den Übergang von der Schule in den Beruf zu verbessern, für richtig und sehr wichtig.
Der Fokus dieses Konzepts liegt auf der intensiven Förderung der Deutschkenntnisse in Kombination mit einer sozialpädagogisch orientierten Netzwerkarbeit. Diese gute Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen wird durch die Forderung nach einer nationalen Asylkonferenz abgerundet. Wir brauchen ein koordiniertes Vorgehen durch unsere Bundesregierung; denn alle Bundesländer stehen vor der gleichen, großen Herausforderung, wenn es um eine menschenwürdige und verantwortungsvolle Unterbringung von Flüchtlingen geht. Mit dieser Konferenz können wir die Kommunikation zwischen den Ländern verbessern, damit nicht plötzlich und unangekündigt mehrere Hundert Flüchtlinge in Hessen stranden. Das neue Asylgesetz ist für mich ein großer Schritt nach vorne. Gerade der Wegfall der Residenzpflicht wie die schnellere Möglichkeit für Asylbewerber, eine Arbeit anzunehmen, halte ich für überaus wichtig und sinnvoll.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, sich gemeinsam mit der schwarz-grünen Landesregierung für die nationale Asylkonferenz einzusetzen, damit wir den Flüchtlingen, die den Weg zu uns finden, schnell und unbürokratisch Lebensperspektiven und Schutz bieten können. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Tipi. – Ich nutze die Gelegenheit, auf der Zuschauertribüne zunächst den ehemaligen Abgeordneten, Herrn Kollegen Dr. Müller, zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen; schön, dass Sie wieder einmal da sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Titel, den die CDU ihrer Aktuellen Stunde gegeben hat, zerfällt in zwei Teile. Der erste ist die Behauptung, die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und den Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge sei beispielhaft. Diese Behauptung bestreiten wir. Der zweite Teil ist die Forderung nach einer nationalen Asylkonferenz. Dieser Forderung schließen wir uns an. Ich will jetzt der Reihenfolge nach etwas zu den beiden Teilen sagen:
Zu Teil eins. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres einen Berichtsantrag zur Frage der Kosten der Landkreise und kreisfreien Städte für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen gestellt. Die Landesregierung hat ihn am 19. Mai beantwortet, und ich will Ihnen einmal vortragen, was dort unter anderem gesagt worden ist.
Auf die Frage: „Welche Kosten fallen aktuell in den Landkreisen/kreisfreien Städten pro Asylbewerber an?“, antwortet die Landesregierung:
Zu den Kosten in den Landkreisen/kreisfreien Städten pro Asylbewerber liegen dem Land keine Erkenntnisse vor. Dazu können im Einzelnen nur die Gebietskörperschaften Auskunft erteilen.
Die Kommunalen Spitzenverbände sind jederzeit bereit, zusammen mit dem Land die genauen Zahlen zu erörtern. Das Land hat hierzu bislang keinen Willen bekundet.
In demselben Berichtsantrag erklärt die Landesregierung in einer sehr summarischen Antwort auf vier Fragen Folgendes:
Darüber hinaus steht derzeit die Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes durch den Bundesgesetzgeber an, die voraussichtlich im Herbst 2014 auf Bundesratsebene erörtert werden kann. Erst im Anschluss daran wird die Hessische Landesregierung die Erstattungsleistungen nach dem Landesaufnahmegesetz (LAG) neu betrachten können. Eine Überprüfung der einzelnen Bestandteile der Erstattungsleistungen nach dem LAG wird erforderlich sein.
Herr Minister, Sie haben dann irgendwann im Laufe der Debatte gemerkt, dass diese Position nicht für eine funktionierende Kommunikation und noch weniger für eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen spricht – es gäbe viele andere Punkte, die das zur Unterstützung dokumentieren würden – und dass diese Position unhaltbar geworden ist.
Deswegen haben Sie auf die Schnelle ein Maßnahmenpaket gepackt, das wir – konstruktiv, wie wir immer sind – als Schritt in die richtige Richtung begrüßt haben.
Ich finde, dass Sie uns für diese Kommentierung eigentlich auf Knien danken sollten; denn die Kommentierung aus dem Kreis der Adressaten dieses Maßnahmenpakets war weit weniger freundlich, und ich will einmal deutlich sagen: Sie war zu Recht weit weniger freundlich als das, was wir in unserer grenzenlosen Güte gesagt haben.
Es ist im Laufe der Debatte darauf hingewiesen worden, dass allein im Jahr 2013 bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten für die Flüchtlingsunterbringung eine Unterdeckung in Höhe von 47 Millionen € entstanden ist, dass für die Jahre 2009 bis 2013 200 Millionen € Unterdeckung aufgelaufen sind und dass die Defizitprognose für 2014 für diese Kosten 60 Millionen € betragen wird.
Es gibt ein Gutachten des Landesrechnungshofs, nämlich den Kommunalbericht 2013, in dem festgestellt wird, dass die Landkreise und kreisfreien Städte 46 % der einschlägigen Kosten selbst tragen.
Deswegen ist es verständlich, dass die Stellungnahmen aus den Kommunen deutlich herber ausfielen und eher unter der Rubrik „Ein Tropfen auf den heißen Stein“ zusammengefasst werden können.
In diesem Zusammenhang – das als letzter Punkt – zu dem Thema einer beispielhaft guten Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen, Herr Minister. In der „Frankfurter Neuen Presse“ werden Sie zitiert, wenig hilfreich:
Grüttner betonte zudem, mit Beginn des Jahres 2015 solle noch einmal in Gesprächen eruiert werden, ob die Mittel ausreichten.
Er wisse die großen Anstrengungen der Kommunen wohl zu schätzen, unterstrich der Minister, … Aber er wisse ja auch, wie Kommunen seien: „Man nimmt erst und will dann noch mehr“, fügte er hinzu.
Zum zweiten Teil. Ich erkenne die Bemühungen des Landes in der Erstunterbringung an. Ich erkenne an, dass Sie dort, so gut und so schnell Sie konnten, gehandelt haben. Ich danke ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen, einschließlich der Leitung der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. Ich danke an dieser Stelle auch dem Regierungspräsidenten in Gießen – wir haben ihn vorhin in anderer Sache hart kritisiert – für das nach Lage der Dinge gute, angemessene Handeln, sodass wenigstens die größten Katastrophen vermieden werden konnten. Auch konnten Situationen, die entstanden sind, ohne dramatische Zuspitzung ausgeglichen werden, z. B. hinsichtlich des in der Tat sehr unerfreulichen, ohne Vorankündigung erfolgten Transports von Flüchtlingen aus Nordrhein-Westfalen, ähnlich wie es zwischen Bayern und Baden-Württemberg geschehen ist.
Dies ist ein Punkt – das haben wir deutlich erklärt und auch im Ausschuss miteinander erörtert –, der Gegenstand einer nationalen Asylkonferenz sein muss. Wir glauben aber, dass das nur der erste Schritt sein kann. All diese Vorkommnisse deuten darauf hin, dass man auf politischer und auf Verwaltungsebene, und zwar sowohl im Bund als auch hier im Land – dazu kommen wir noch –, regelmäßig, kontinuierlich, problem- und lösungsorientiert miteinander sprechen muss. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kaum eine Plenarwoche vergeht, in der wir nicht von der Regierungskoalition zu hören bekommen, Menschenrechte und gelebte Humanität stünden im Mittelpunkt hessischer Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Diese Formulierung ist als Textbaustein bereits im Koalitionsvertrag angelegt und begegnet uns in allen möglichen Initiativen und Publikationen der Landesregierung zur Asylpolitik, aktuell in den Pressematerialien aus dem Hause Grüttner, in denen das Sozialministerium das sogenannte Hessische Maßnahmenpaket Asyl vorstellt.
Meine Damen und Herren, eine Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass sie gebetsmühlenartig wiederholt wird.
Menschenrechte und gelebte Humanität sind hier weder Realität, noch scheinen sie Anspruch in der hessischen Asyl- und Flüchtlingspolitik zu sein. Wenn man sieht, dass Geflüchtete vielerorts in rostenden Stahlcontainern und neuerdings auch in Zelten untergebracht werden, dass eine medizinische Versorgung für Asylsuchende nur im Rahmen der Notfallversorgung bei akuten Schmerzen erfolgt, wenn man weiterhin sieht, welche räumlichen Mobilitätsbeschränkungen geduldeten Bürgerinnen und Bürgern zugemutet werden, dann wird man die Behauptung, hier seien Menschenrechte und Humanität als Maßstab angelegt worden, als blanken Hohn empfinden.
Hessens Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung sind struktureller Natur, und, meine Damen und Herren, sie sind hausgemacht. Obwohl vorhersehbar war und ist, dass sich die zahlreichen Kriege und Krisen vor den Toren Europas unmittelbar auf die Flüchtlingszahlen auswirken – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellt ja durchaus entsprechende Prognosen, die es auch der Hessischen Landesregierung nicht verheimlicht –, obwohl also erkennbar war, dass das bestehende System der Unterbringung und Finanzierung unzureichend ist, verharrte und verharrt die Landesregierung in einer eigenartigen Lethargie.
Wenn die Landesregierung nun die ohnehin schon viel zu niedrig kalkulierten Pauschalen, die die Landkreise und die kreisfreien Städte für die Flüchtlingsunterbringung erhalten, um 15 % erhöht, dann ist das alles andere als ein großer Wurf und wird die Nöte der Kommunen kaum lindern.
Zu Recht weist der Hessische Städtetag darauf hin, dass Kosten nicht nur durch die Aufnahme und Unterbringung entstehen, sondern dass die medizinischen und psychosozialen Hilfen, die insbesondere Kindern und Erwachsenen aus Kriegsgebieten geleistet werden müssen, ebenfalls ent