Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

(Michael Boddenberg (CDU): Also alle privatisierten Trägerschaften zurück in die staatliche Obhut!)

Es reicht nicht, wenn das Klinikum einfach schwarze Zahlen schreibt, es reicht nicht, wenn unter dem Strich eine Null steht. Damit will doch jemand verdienen, das ist doch vollkommen logisch, das ist doch der Kern und der Zweck von Privatisierung. Also, dass Sie allen Ernstes sagen, Sie sehen darin keinen Unterschied, kann ich nicht verstehen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was hilft das jetzt den Bürgern?)

Das ändert aber nichts daran, dass insgesamt die Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem sehr, sehr schwierig sind und auch öffentliche Krankenhäuser immer mehr unter Druck geraten. Herr May, genau diese Gründe habe ich angesprochen, nämlich die Fallkosten. Die Umstellung auf die Fallpauschalen ist ein riesiges Problem. Die Deckelung in der Krankenhausfinanzierung ist ein Problem. Das ist doch auch der Grund, warum der Privatisierungsdruck auch auf die kommunalen Krankenhäuser so enorm groß geworden ist: weil der Kostendruck im Gesundheitssystem so immens ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Also doch wieder zurück zu Ulla Schmidt!)

Ich bleibe dabei: Der Unterschied ist, ein Krankenhaus in einer öffentlichen Trägerschaft ist gemeinnützig, es ist den Patienten und den Beschäftigten verpflichtet, während ein Krankenhaus, das im Besitz einer Aktiengesellschaft ist, natürlich Verpflichtungen gegenüber Aktionären und denjenigen hat, die daran etwas verdienen wollen. Das müssen die Beschäftigten erwirtschaften. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Herr May, Sie haben zwei Minuten Zeit für die Antwort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann Ihnen das ganz einfach beantworten. Die Beurteilung würden wir heute wahrscheinlich immer noch genauso fällen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wahrscheinlich, ganz sicher sind Sie nicht!)

Hier findet eine Vermischung von zwei Aufgaben statt, nämlich Krankenversorgung und Forschung. Beides muss in einem Universitätsklinikum immer stattfinden. Es soll in der jetzigen Form getrennt werden, weil dort immer Probleme stattfinden. Es war uns von vorneherein klar, dass man ein Universitätsklinikum nicht in einen öffentlichen und einen privaten Teil differenzieren kann. Das war seinerzeit unser Einwand.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was?)

Das kann ich Ihnen gerne noch einmal ein einer ruhigen Minute erklären. Das ist ein großes Problem, fragen Sie dazu einmal Herrn Mukherjee oder Frau Krause.

Aber ich möchte auf einen anderen Punkt viel stärker eingehen. Ich möchte zurückweisen, dass die Pflegerinnen und Pfleger und die Ärztinnen und Ärzte in privaten Krankenhäusern nicht das Wohl des Patienten im Vordergrund hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Dr. Thomas Spies (SPD))

Was Sie gerade schon wieder an Klassenkampfrhetorik vorgetragen haben – Entschuldigung, Frau Wissler –, das ist doch ein bisschen zu einfach. Das hat nichts mit der wirklichen Welt zu tun. Die entscheidende Frage, die Sie schon wieder nicht beantwortet haben, lautet:

Herr May, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. – Was hilft das den Menschen in der aktuellen Situation? Was hilft Ihre Rückschau auf 2005 den Menschen in der aktuellen Situation? Welches Problem wird dadurch gelöst? – Keines. Sie lösen kein Problem, Sie beklagen Probleme. Zum Problemlösen sind Sie nicht angetreten. Das ist heute einmal wieder deutlich geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Herr May. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun Herrn Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 2014 versorgten 2.596 Pflegekräfte und 1.286 Mediziner kranke Menschen in den Universitätskliniken Gießen und Marburg. Es wurden 89.169 Behandlungen durchgeführt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich mitfühlend und qualifiziert um kranke Menschen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie engagieren sich für Forschung und Lehre. Alle Abteilungen sind von den Fachgesellschaften zertifiziert, Qualitätsmanagement und Hygiene sind anerkanntermaßen vorbildlich. Die Forschung hat eine hohe Reputation. Die Deutsche Forschungsgesellschaft, DFG, hat vor zwei Jahren dem UKGM den hervorragenden 7. Platz im Ranking aller deutschen Unikliniken gegeben.

In Deutschland hatten 2014 etwa 60 % der Universitätskliniken betriebswirtschaftlich ein negatives Ergebnis. Nur 13 % hatten ein positives Jahresergebnis von mehr als 1 Million €. Das UKGM gehört dazu. Es hatte einen Überschuss von 1,9 Millionen €. Seit 2006 gab es – bis auf eine Ausnahme im Jahr 2012 – immer ein positives Ergebnis. Meine Damen und Herren, das sind Resultate der Teams in Gießen und Marburg. Es sind aber auch Folgen einer weitsichtigen, guten Politik und der Setzung guter politischer Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Antragsteller beklagen einen massiven Aufbau von Überstunden des Pflegepersonals. Sie schließen sich einem offenen Brief des Personalrats inhaltlich an. Dann erklären sie, dass sei die Folge der Privatisierung, aus Profitinteressen seien Stellen abgebaut worden, und die Qualität der Versorgung sinke. Das passt zu einer früheren Aussage des Kollegen Dr. Spies – ich zitiere aus der „FAZ“ aus dem Jahr 2005 –, dass Privatisierung gar töten würde.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Da hat er recht!)

Meine Damen und Herren, das mag zwar zum weltanschaulichen Denkmuster der Antragsteller und des OB Kandidaten Dr. Spies passen. Aber es passt nicht zu Zahlen und Fakten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Diese Zahlen sollten Sie schon einmal ernst nehmen. Ich erkläre Ihnen das gleich. Sie kommen vom Leiter der Kommunikation des UKGM, Frank Steibli, der bis vor wenigen Jahren, genau bis 2010, noch für die Pressearbeit der SPD-Landtagsfraktion verantwortlich war. Das muss doch offensichtlich ein seriöser Mann sein.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach, stimmt, den gibt es auch noch! – Janine Wissler (DIE LINKE): Heute schreibt er die Briefe des Ministerpräsidenten!)

Glauben Sie diesen Zahlen etwa nicht?

Im Einzelnen: Der stichtagsbezogene Anstieg der Überstundenkonten – –

(Unruhe – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was sagt uns das jetzt? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Schaus, ganz ruhig. Zuhören, zuhöre. Ja, das hören Sie nicht so gern.

Der stichtagsbezogene Anstieg der Überstundenkonten der Pflegekräfte im UKGM hat 2014 knapp zwei Stunden betragen, d. h. zwei Stunden im Jahr pro Person. Seit 2006 war der jährliche durchschnittliche Anstieg 1,7 Stunden. Das ist kein unerträgliches Ausmaß, meine Damen und Herren.

Zweiter Punkt. Die Entwicklung der angestellten Pflegekräfte im UKGM geht kontinuierlich nach oben. Ich konzentriere mich jetzt einmal auf die Pflegekräfte. Im Jahr 2012 waren es 2.468 Vollzeitkräfte, im Jahr 2013 2.513 und 2014 2.596. Im Jahr der Privatisierung 2006 waren es noch 2.212. Auch bezogen auf die Behandlungsfälle ist ein stetiger Anstieg festzustellen. Im Vergleich zu allen hessischen Krankenhäusern liegt das UKGM in der Stellenplatzstatistik über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre, weil es hier eben keinen Einbruch in den Jahren 2007 und 2008 gegeben hat, also eine überdurchschnittliche Anstellungsquote im hessischen Vergleich.

(Michael Boddenberg (CDU): Das hat Herr Spies vergessen zu erwähnen, glaube ich!)

Sie haben bereits vor einigen Monaten im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst nach der Stellenentwicklung gefragt. Unser Staatsminister Boris Rhein hat Ihnen die Zah

len bis ins letzte Detail vorgetragen. Sie kennen also den Sachverhalt.

(Zuruf von der CDU: Auch noch wider besseres Wissen!)

Das UKGM hat heute mehr Pflegekräfte, technische Assistenzkräfte und Mediziner als 2013, 2012 oder gar 2006. Das sind nun einmal die Fakten. Und trotzdem spricht die Personalratsvorsitzende und Marburger SPD-Stadtverordnete Böttcher in einem öffentlichen Brief von einem unverantwortlichen Personalabbau. Das ist schlichtweg nicht wahr, die Zahlen geben das nicht her.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Sie können das nicht ausblenden!)

Unser Ministerpräsident Bouffier hat hierauf öffentlich geantwortet, und er hat es Ihnen eben noch einmal ganz langsam erklärt. Er hat nochmals die genauen Zahlen genannt. Die Personalratsvorsitzende konnte natürlich die Fakten nicht widerlegen.

(Holger Bellino (CDU): Sie war nicht langsam genug!)

Sie behauptete aber, wenn Stellen geschaffen werden, beruhe das im Wesentlichen auf einer Ausweitung von Leistungen, und in der Debatte haben Sie das auch jetzt wiederholt. Sie verwies auf die Station der Psychosomatik und der Palliativmedizin. Frau Wissler hat das auch vorgetragen. Außerdem seien die steigenden Fallzahlen nicht berücksichtigt worden. Auch hier lohnt sich noch einmal ein Blick auf Zahlen und Fakten.

Erstens. Die Psychosomatik in Marburg besteht seit über 40 Jahren als Teil der Inneren Medizin. Sie hat etwa 35 Betten. Also von einem neuen Leistungsangebot zu sprechen, das erschließt sich mir nicht.

Zweitens. Die Palliativmedizin umfasst zehn Betten. Das ist wohl allein keine Erklärung für den Personalanstieg in den letzten zehn Jahren – bei allem Respekt und bei aller Erkenntnis, dass dies einen hohen Personalaufwand erfordert.

Drittens. Wenn man Behandlungsfälle und Pflegekräfte 2012, 2013 und 2014 rechnerisch in Beziehung setzt, ist der Quotient für das UKGM 2014 niedriger als 2013 und niedriger als 2012. Das sind keine rechnerischen Tricks, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, das sind schlichtweg Grundrechenarten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe doch sehr, dass spätestens nach der OB-Wahl in Marburg diese Zahlen wieder Grundlage der Debatten im Landtag sein werden, auch wenn sie strittig und interessant sind. Aber wir sollten wenigstens den Sachverhalt nicht leugnen.